engelsstaub
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Epilepsie bei Katzen
Vorwort. Über Tarzan und seine Epilepsie
Vorwort. Über Tarzan und seine Epilepsie
Tarzan leidet unter epileptischen Anfällen, die sich wie folgt äußern und äußerten: Tarzan hat oft Angst- und Panikattacken, aggressive Phasen, er leidet unter dem Rolling-Skin-Syndrome, hat Halluzinationen. Zeitweise wirkt er apathisch. Er kann vor Angst nicht mehr frei herumlaufen. Hinzu kommen gelegentliche See- Koordinationsstörungen. Tarzan läuft verkrampft und langsam. (Komplex fokale Anfälle)
Lange bin ich durch die Tierarztpraxen gereist, bis die Diagnose Epilepsie gestellt werden konnte. Als er einen Grand-Mal erlitt, gab es keine Zweifel mehr. Tarzan schrie, die Nickhaut war zu sehen und sein Körper fing an zu zucken. Ich dachte, dass er stirbt.....Das alles war nach endlosen Minuten vorbei. Tarzan speichelte nur leicht und ihm war offensichtlich sehr übel nach dem Anfall.
Er bekommt eine halbe bis dreiviertel Luminalette (Phenobarbital) am Tag. Sein Wesenszustand hat sich merklich verbessert. Er ist wieder "wach", verspielt und wirkt ausgelassen. Leider hat er noch immer Phasen, bei denen er unter Halluzinationen, Angstattacken und aggressiven "Aussetzern" leidet. Diese sind dennoch merklich abgeschwächter, als vor der Medikation.
Definition. Was ist Epilepsie? (Pathogenese)
Als Epilepsie wird eine chronische Krankheit bezeichnet, die durch rezidivierende, also wiederkehrende Anfälle, die ihren Ursprung im Gehirn haben, gekennzeichnet ist. Diese können in Form von Krämpfen (Crampi), aber z.B. auch komplexen unwillkürlichen Bewegungsabläufen oder Dämmerzuständen auftreten. Ursächlich sind unterschiedlich lange andauernde, starke, synchronisierte krankhafte neuronale Entladungen (Depolarisationen) im Gehirn. Unter Epilepsie werden also Krankheiten genannt, bei denen es durch abnorme Erregungsbildung und fehlende Erregungsbegrenzung im Gehirn zu Krampfanfällen, sog. epileptischen Anfällen kommt. Epileptische Anfälle sind zusammengefasst die Folge lokaler Entladungen im Gehirn.
"Die Gehirnfunktion ist vorübergehend gestört, die Krampanfälle hören spontan auf. Solche paroxysmale Funktionsstörungen treten bei allen Formen der Epilepsien auf und sind ausgelöst durch eine leichte Erregbarkeit der Nervenzellen" (A. Tipold, "Krankheiten des Nervensystems" in: " Katzen Krankheiten. Klinik und Therapie, 5. überarbeitete Auflage, W. Kraft, U.M, Dürr und K. Hartmann (Hrsg.)). A. Tipold (2003) spricht von einer "niedrigen Krampfschwelle" des Gehirnes, die entweder erblich oder erworben sein kann. Es gibt also die primäre Epilepsie (idiopathische Epilepsie), die eine angeborene Krankheit ist und an der die Tiere oft erst im zweiten oder dritten Lebensjahr erkranken und die sekundäre Epilepsie (symptomatische Epilepsie), die nicht angeboren ist. Sie tritt in Folge von anderen Erkrankungen auf. Die Ursachen hierfür können sehr vielfältig sein. Andauernde Gehirnentzündungen und andere Krankheitsbilder können dafür Auslöser sein. (vgl. Bodmann, Epilepsie). Bei der idiopathischen Epilepsie kann weder bei der klinischen noch bei der pathologischen Untersuchung eine Läsion gefunden werden (vgl. Tipold, 2003). Die Krampfbereitschaft ist bei der erblichen Form erhöht, bei der erworbenen sind starke Reize notwendig, um die bestehende Krampfschwelle zu erniedrigen (und Anfälle auszulösen). Starke Reize können Stress durch Veränderung, plötzliches Erschrecken u.a. durchaus bereits sein.
Zusammengefasst: "Epilepsien ohne erkennbare Ursache werden "genuine" oder "idiopathische" Epilepsien genannt, bei ihnen ist keine ursächliche im Gehirn gelegene Läsion (z.B. Tumor, Hirnfehlbildung) oder stoffwechselbedingte Krankheit feststellbar. Für idiopathische Epilepsien besteht eine genetische Prädisposition. Im Gegensatz dazu stehen die "symptomatischen" Epilepsien, die auf strukturelle oder stoffwechselbedingte Störungen, wie z.B. vorgeburtliche Hirnschädigungen, Hirnfehlbildungen, Tumoren, traumatische Hirnschädigungen, Hirnhaut- oder Gehirnentzündungen, Stoffwechselerkrankungen oder Vergiftungen (Intoxikationen) zurückgeführt werden können" (Onmeda: Medizin und Gesundheit)
Tipold hebt hervor, dass zahlreiche Katzen im Laufe ihres Lebens ein einziges mal oder wenige male einen Anfall erleiden. Doch: Unter Epilepsie versteht man das Wiederkehren von Krampfanfällen! Symptomatische Formen werden entsprechend der Ursache behandelt, bei der idiopathischen Epilepsie ist durch medikamentöse Einstellung meist Anfallsfreiheit zu erzielen. Die Sonderform des Status epilepticus mit einer Dauer über 20-30 Minuten ist ein lebensbedrohlicher Zustand und bedarf einer Akutbehandlung.
Wichtige Begriffe zur Epilepsie:
Status epilepticus:
Die Katzen erleiden einen schweren Anfall nach dem anderen. Zwischenzeitlich erlangen sie das Bewußtsein nicht oder der Krampfanfall dauert bis zu einer halben Stunde (selten länger) ohne wesentliche Unterbrechung fort. Folgeschäden können sein: Gehirnödem, Nervenzellnekrosen. Weiterhin: Herzrythmusstörungen, Niereninsuffizienz, Muskelnekrosen u.a. Der status epilepticus ist immer lebensbedrohlich und als Notfall zu behandeln!! Bitte sofort mit einem Tierarzt in Verbindung setzen!
Narkolepsie:
"Narkolepsie stellt bei der Katze eine absolute Rarität dar. Sie tritt als plötzlicher, nicht beherrschbarer Zwang zum Schlafen auf; gleichzeitig besteht Tonusverlust der Skelettmuskulatur. Die klinischen Symptome dauern wenige Minuten, wiederholen sich aber mehrfach am Tag. Die Diagnose wird durch Ausschluss anderer Krankheiten, insbesondere von Krampfanfällen, gestellt. Während bei Krampfanfällen tonische und klonische Konvulsionen auftreten, ist das narkoleptische Tier von Anfang an schlaff und bewusstlos. Die Therapie sollte nur eingeletiet werden, wenn oft wiederholte Anfälle auftreten, da durch die Arzneimittel Nebenwirkungen erwartet werden müssen. Es wird Imipramin (Tofranil) empfohlen" (Tipold 2003, S. 1090).
Generalisierte Anfälle. "Grand-Mal":
Das Erscheinungsbild der Epilepsien ist variabel und am häufigsten werden generalisierte Anfälle gesehen. Diese entsprechen meistens dem Grand-Mal-Typ (vgl. Tipold 2003, S. 1088). Generalisierte Anfälle breiten sich über beide Hemisphären des Gehirnes aus, wobei ein Ausgangsort oft nicht genau festgelegt werden kann.
Grand Mal ("Großer Anfall") wird von folgenden Symptomen begleitet:
· Prodromale Phase und Aura (Verhaltensveränderung, Fauchen, Aggressivität, Verkriechen)
· evtl. Initialschrei, d.h. ein Schrei zu Beginn des Anfalls
· Sturz zu Boden (deshalb auch myoklonisch-astatischer Anfall genannt)
· rhythmische Krämpfe des gesamten Körpers
· Zungenbiss (typischerweise am seitlichen Zungenrand) unkontrollierter Urin- und Stuhlabgang
"In der tonischen Phase versteifen sich alle Extensormuskeln (gestreckte Gliedmaßen ..), in der klonischen Phase werden Lauf- und Kaubewegungen beobachtet. (..) In der postikalen Phase, die sehr kurz sein oder bis zu einem Tag dauern kann, sind die Tiere desorientiert, manchmal blind, zeigen Drangwandern oder abnormales Verhalten (Heißhunger etc.) (Tipold, 2003, S. 1088).
Fokale Anfälle (Petit Mal):
Fokale Anfälle: Die Tiere sind meist bei normalem Bewusstsein und Muskelzuckungen beschränken sich auf einen Teil des Körpers.
Komplex fokale Anfälle: Bewusstseinsstörungen sind vorhanden und sie werden auch als "psychomotorisch" bezeichnet, da Verhaltensstörungen beobachtet werden (plötzliche "Abscencen", Aggressivität, unmotiviertes Fauchen, zwanghafte Bewegungen wie Leck- und Kaubewegungen, "Running fit (Raserei)", Rolling Skin Syndrom (Rückenzucken, "Roll- und Wellenbewegungen sind auf dem Rücken zu beobachten), Halluzinationen u.a.).
Fokale Anfälle können auch in generalisierte Anfälle übergehen.
Fokale Anfälle und Symptome:
1. einfache fokale Anfälle, die ohne Bewusstseinsstörungen einhergehen und bei denen es zu isolierten motorischen oder sensiblen Störungen, z.B. in der Form von Krämpfen oder Missempfindungen kommt. Es können ferner auch sensorische Störungen wie Lichteindrücke oder akustische Wahrnehmungen, so genannte autonome Störungen (Übelkeit und Erbrechen, unkontrollierter Stuhl- oder Harnabgang) oder selten psychische Störungen auftreten
2. komplex-fokale Anfälle, die mit einer Störung des Bewusstseins verbunden sind, wobei sowohl ein einfach fokaler Anfall als auch eine Bewusstseinsstörung selbst den Anfall einleiten können
3. fokale Anfälle, die im Verlauf des Anfalles in generalisierte, den gesamten Körper einbeziehende Anfälle übergehen
Diagnose:
Es gibt folgende Möglichkeiten die Abklärung der Krampfanfälle durchzuführen:
1. Allgemeine und neurologische Untersuchung.
2. Blut- und Harnuntersuchung: Hier wird vor allem auf Blutglukose, Elektrolyte, Leberenzyme, Gallensäure und Ammoniak geachtet.
3. Liquoruntersuchung
4. bildgebende Untersuchungen im Bereich des Schädels (röntgen, CT, MRI)
5. EEG: Diese Untersuchungen sind in Spezialkliniken durchzuführen. Exakte Studien sind für Katzen nicht vorhanden (vgl. Tipold, 2003, S. 1089).
Teil 2 nachfolgend....