Liebe Jonika,
du darfst mich gerne direkt ansprechen und musst nicht über "den TE" philosophieren...
Ich lehne die Idee einer Zweitkatze nicht für alle Ewigkeiten ab, aber ganz entschieden für die Zeit, in der unsere Hündin noch lebt. Du hast überhaupt kein Hintergrundwissen bzgl. meiner häuslichen, familiären und beruflichen Situation. Ein bisschen möchte ich dir aber gerne erzählen.
Noch nie in meinem Leben hatte ich eine Katze und noch nie hatte ich den Wunsch eine Katze zu halten. Capi war vor 4 Monaten plötzlich in meinem Stall, ganz scheu und sehr wohl gänzlich alleine. Über ihre Abstammung kann ich nur mutmaßen, ich denke sie hat sich (freiwillig oder unfreiwillig) von einem Bauernhof abgesetzt. Sie ist, nachdem sie ihre Scheu abgelegt hatte, um meine Esel und Schafe rumgeschnurrt, hat aber überhaupt kein Interesse an den anderen wilden Katzen, die weitläufig um das Gelände streunen, gezeigt. Möglich, dass sie als Freigänger gelegentlich Umgang mit anderen Katzen gepflegt hat, sie ist auch schon mindestens 1 Jahr alt. In jedem Fall wird sie den Kontakt, den sie bisher zu anderen Artgenossen hatte, in für sie bekannter Art als Freigänger weiterhin haben. Wir leben auf dem Dorf mit vielen Katzen in der Nachbarschaft. Sprich - weniger wird´s nicht werden, als das was sie vorher hatte.
Sogar bevor dieses Unglück mit der Schussverletzung passiert ist, habe ich Verantwortung und auch Kosten übernommen, in dem ich sie kastrieren und impfen ließ, wohl wissend, dass sie vielleicht einfach eines Tages weiterzieht und sich ein anderes Revier sucht. Für die Kastration habe ich viel Augenrollen geerntet. Die in den meisten Augen unsinnige Kosten hierfür, hab ich mir selbst zum Geburtstag geschenkt. So viel zum richtigen Einwand, dass Stallkatzen den meisten Menschen oft nix wert sind und kaum Beachtung finden. Sie hat sich nun schwerverletzt an meinen Stall geschleppt, was mich glauben lässt, sie hat ihre letzte Kraft dazu genutzt dorthin zu gehen, wo sie sich sicher fühlte. Ich bin für das Kätzchen ins kalte Wasser gesprungen, habe eine enorme Tierarztrechnung gestemmt, an deren Ende ich noch nicht angelangt bin und das ist für mich als Student wirklich ein Kraftakt. Auch meine berufstätige Familie hat sich sofort bereit erklärt, Capi bei uns aufzunehmen, obwohl auch hier das Thema Katzenhaltung vorher nie zur Debatte stand. In den letzten Tagen habe ich mir oft Sätze angehört wie "toll, dass du das gemacht hast, ICH hätte das nicht...die Kosten...der Stress eine wilde Katze aufzunehmen... nein Danke". Oder "ich hätte sie einfach im Tierheim abgegeben, die hätten sich dann damit rumschlagen können". Ich will mein Verhalten nicht in den Himmel loben, aber scheinbar war es nicht selbstverständlich. An der Katzengrundausstattung habe ich auch nicht gegeizt, die kriegt man aber auch nicht geschenkt. Keiner in der Familie hat sich aufgeregt, als Capi noch fleißig auf Teppiche gepinkelt hat. Keiner sagt, nö ich will kein Katzennetz aufm Balkon baumeln haben. Keiner sagte, ohje, für den TA habe ich aus beruflichen Gründen diese Woche keine Zeit.
Die Situation hätte sich auch in einer ganz andere Richtung darstellen können. Capi hätte hier im Dreieck rotieren, sich fauchend und kratzend gegen jeden guten Willen wehren können oder uns Nachts kein Auge zu tun lassen. Der Hund hätte aggressiv gegen die Katze vorgehen können, oder meine Familie hätte sagen können, wir packen das NICHT gemeinsam an.... Ich hätte sie im Tierheim abgeben können, dann säße sie jetzt vielleicht in Katzengesellschaft in einem schicken, weißgekacheltem Raum und müsste wie tausende Katzen in unseren überfüllten Tierheimen auf ein liebevolles Zuhause hoffen. Wer weiß, vielleicht hätte sie irgendwann Glück, vielleicht würde es ihr aber auch ergehen wie viele Tieren und die Hoffnung auf ein Zuhause bleibt zeitlebens ein unerfüllter Wunsch. So ist es aber nicht!
Sollte mich Capi in Zukunft erahnen lassen, dass sie totunglücklich ist, dann werde ich ihr ein neues Zuhause suchen und hoffen, dass, wenn es nochmal hart auf hart kommt, der neue Mensch ihr dann auch im Rahmen seiner Möglichkeiten so zur Seite steht wie wir das tun. Wir würden sie trotz der kurzen Zeit sehr vermissen und ich glaube umgekehrt auch. Wenn ich in diesem Augenblick durchs Zimmer schaue, sehe ich eine Capi, die in ihrem Körbchen vorm Kachelofen schlummert. Abends schnullt sie zu einem Familienmitglied aufs Sofa (was der Hund übrigens niiiiiiemals dürfte). Sie ist umgeben von Menschen, die mehr für sie getan haben als die meisten anderen das getan hätten, sie kompromisslos aufgenommen und, trotz aller Vorbehalte gegen Katzen, Capi sehr in ihr Herz geschlossen haben. Menschen, die ihr wieder Freigang einräumen wollen und ihr die Möglichkeit geben, Kontakt zu anderen Katzen zu haben. Ich habe sie nicht aus einem Katzenrudel rausgerissen, der Stall ist seit Capis Umzug wie die letzten 15 Jahre nämlich wieder völlig katzenfrei. Und ich verdonnere den kleinen Wildfang nicht für den Rest ihres Lebens dazu, eingesperrt sein zu müssen.
Um zum Ende zu kommen. Es beeindruckt mich überhaupt nicht, dass du dir 22 Katzen auf deinem Hof hältst, das ist kein Maß an dem ich mich orientieren möchte. Wie ein anderer Beitragender schon treffend sagte, man muss die Kirche auch mal im Dorf lassen dürfen. In der Nachbarschaft gibt es viele Katzen, aber von den Freigängern hat kaum einer einen Kumpel zuhause. Also wenn du nun immer noch glaubst, dass es zwar schön ist, dass der TE dem Kätzchen das Leben gerettet hat, aber traurigerweise die kleine Seele komplett ausgeblendet hat .... dann verliere ich wirklich jeden Glauben an deine Fähigkeit realistisch und rücksichtsvoll zu urteilen. Ich nehme gute und vorallem sachliche Ratschläge gerne an, aber ich lasse mich nicht zum bösen Katzenhalter herunterstufen, der Capi in ein unglückliches Leben zwingt. Capi hätte um ein Haar alles verloren. Jetzt wird sie gesund, hat ein Zuhause und wird in Zukunft wieder mit anderen Freigängern die Natur erkunden können. Unterm Strich ist das ein unumstrittener Gewinn. Es mag nicht perfekt sein Jonika, aber es ist gut, so wie dein und mein Leben vermutlich nicht perfekt sind, aber hoffentlich gut.
Mit den besten Grüßen an Alle und ich hoffe weiterhin auf einen sachlichen und höflichen Austausch zu einem Thema, das uns allen am Herzen liegt.