Hallo,
ich bin nicht der Meinung, dass Katzen "vor Kummer eingehen", wenn sie keinen Freigang haben. Meine Katzen waren und sind - bis auf eine Ausnahme - reine Wohnungskatzen. Alle waren und sind glücklich und zufrieden. Aber natürlich muss die Wohnung katzengerecht ausgestattet sein!
Die große Ausnahme war mein Kater Johann, der mir über den Weg lief, als er schon ca. 6 oder 7 Jahre alt war. Das war aber ein gestandener Berliner Straßenkater, der offensichtlich ins Streunerleben hineingeboren wurde, die Hälfte seines Lebens auf der Straße verbracht hatte und vorher noch nie in menschlicher Obhut war! Für mich ist es heute noch wie ein Wunder, dass er mitten in Berlin so lange überleben konnte! Und obwohl er sich mir erstaunlicherweise freiwillig anschloss und fortan für den Rest seines Lebens tagsüber gerne in der Wohnung blieb, musste ich ihn nachts leider immer rauslassen, weil er sonst die ganze Nacht laut klagend an der Wohnungstür gekratzt hat. Er war 8 Jahre lang bei mir, und es gab keine Nacht, in der ich mir nicht furchtbare Sorgen um ihn gemacht habe. Jeden Morgen war ich überglücklich, wenn er wieder - mehr oder weniger unversehrt! - vor meiner Tür stand.
Ich würde es mir an Deiner Stelle sehr gut überlegen, ob ich díe Katzen rauslasse. Wenn Du regelmäßig in diesem Forum liest, wirst Du feststellen, dass sich hier täglich verzweifelte Halter/innen von Freigängerkatzen melden, deren Katzen verschwunden sind. Zum Glück kommen viele der Katzen früher oder später doch wieder nach Hause. Aber sehr oft gehen diese Situationen leider auch sehr traurig und dramatisch aus: Die Katzen bleiben für immer verschwunden bzw. werden überfahren, vergiftet oder sonstwie tot aufgefunden. Zurück bleiben unglückliche Katzenhalter, die entweder ihre teilweise sogar noch recht jungen toten Lieblinge begraben oder sich für den Rest ihres Lebens fragen müssen, was aus ihren Katzen geworden ist. Sind sie irgendwo in einem Straßengraben ganz alleine und unter großen Schmerzen ihren schweren Verletzungen erlegen? Sind sie noch am Leben und fristen irgendwo das harte und entbehrungsreiche Leben einer Straßenkatze? Oder wurden sie in ein Tierheim gebracht und hoffen jeden Tag darauf, dort von jemandem herausgeholt zu werden? Man wird es nie erfahren!
Ich kann hier natürlich nur für mich sprechen, und ich möchte all den Halter/innen von Freigängern hier auch nicht zu nahe treten! Aber für mich würde Freigang nur im äußersten Notfall - wie z. B. bei Johann - in Frage kommen. Und das auch nur mit einem schlechten Gewissen. Es gibt Statistiken, die belegen, dass Katzen in reiner Wohnungshaltung durchschnittlich 15 bis 20 Jahre alt werden. Von so einer hohen Lebenserwartung können frei lebende Katzen nur träumen: Sie werden im Schnitt nur 1,5 bis 4 Jahre alt! Leider habe ich bisher keine wirklich aussagekräftige Statistik über die Lebenserwartung von Freigängerkatzen in menschlicher Obhut gefunden. Aber ich denke, dass die Lebenserwartung da irgendwo in der Mitte zwischen den Wohnungskatzen und den freilebenden Katzen liegen müsste. Und das finde ich viel zu kurz!
Ich weiß, dass es viele Katzenhalter/innen gibt, die der Meinung sind, dass ihre Katzen lieber kürzer leben aber dafür glücklicher sein sollen, weil sie glauben, dass Katzen nur draußen wirklich glücklich sind. Ob aber eine Katze, die schon in jungen Jahren z. B. von einem Auto überfahren wird oder elend an einem Giftköder stirbt, das auch so sieht? Ich denke, dass auch Tiere an ihrem Leben hängen und nicht vor ihrer Zeit sterben wollen. Und ich bin sicher, dass Katzen auch in Wohnungshaltung sehr glücklich sind, wenn man die Einrichtung entsprechend katzengerecht gestaltet. Vor allem leben sie dann viel länger. Hier steht also ein kurzes glückliches Leben draußen gegen ein langes glückliches Leben drinnen. Mir fällt die Entscheidung da nicht schwer.
Zugegebenermaßen sind Katzen sehr intelligente Tiere, die in ihrer natürlichen Umgebung gut überleben können. Aber wo gibt es denn noch so eine natürliche Umgebung für Katzen hier in Deutschland? Trotz ihrer ausgeprägten Sinne, ihrer Instinkte und ihrer Geschicklichkeit sind Katzen von der Natur nicht auf zu schnell fahrende Autos oder im Wald von grausamen Menschen aufgestellte Fallen oder ausgelegte Giftköder vorbereitet worden. Von den vielen Katzen, die sich draußen strangulieren, weil sie Halsbänder tragen, mal ganz abgesehen.
Bevor ich mich in diesem Forum angemeldet habe, fand ich es immer irgendwie schade, dass ich meinen Katzen keinen Freigang bieten konnte. Ich wohne mitten in Berlin, und da ist es draußen für Katzen viel zu gefährlich. Aber seit ich hier über die vielen traurigen Schicksale von Freigängerkatzen lese, hat sich meine Meinung zu diesem Thema komplett geändert. Selbst wenn ich mal ein Haus mit Garten haben sollte, würden meine Katzen keinen ungesicherten Freigang bekommen! Ich glaube nicht, dass es möglich ist, einen großen Garten komplett so zu sichern, dass die Katzen nicht hinauskommen. Wahrscheinlich würde ich versuchen, wenn der Garten groß genug wäre, ein Gartenstück katzensicher machen und den Katzen dort Auslauf zu gewähren. Aber unkontrollierter Freigang käme für meine Katzen nicht in Frage. Ich habe diese Katzen bei mir aufgenommen, ich habe die Verantwortung für sie übernommen und ich liebe sie über alles. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn eine meiner Katzen durch meine Schuld zu Schaden kommen oder sogar sterben würde!
Wir lassen Kinder doch auch nicht sehenden Auges in ihr Unglück rennen, nur weil sie ohne Verbote und Regeln viel "glücklicher" wären! Und bitte kreuzigt mich jetzt nicht für diesen Vergleich! Natürlich setze ich Kinder nicht mit Katzen gleich. Aber Tiere können genau wie Kinder die Auswirkungen ihres Handelns nicht einschätzen, und deshalb müssen wir sozusagen präventiv eingreifen, bevor etwas Schlimmes passiert.
Sorry für den langen Text! Aber ich lese hier im Forum so oft mit Tränen in den Augen über vermisste, schwer verletzte und tot aufgefundene Freigängerkatzen, dass mir dieses Thema inzwischen sehr nahe geht.
Viele Grüße!