Hallo.
Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an den Tiger und den Jaguar erinnern. Lang ist’s her, über sechs Jahre, wir sind damals von der Nordsee nach Bochum gezogen. Ein neuer Job, Festanstellung diesmal, mit vielen Reisen, in einem Super-Unternehmen. Auf einmal ging das ganz schnell, daher habe ich das Schreiben komplett eingestellt, Asche auf mein Haupt. Vielleicht sieht man mir das nach.
Der Tiger und der Jaguar sind natürlich mit umgezogen, spannende Zeiten, alles neu, alles gut. Obwohl das mit dem Kuscheln nie wirklich was geworden ist, hat doch der Tiger mittlerweile vor den Mahlzeiten regelmäßig den Kopf des Jaguars geleckt, man muss ja sauber sein zu Tisch.
Letztes Jahr ist uns aufgefallen, dass der Tiger immer dünner geworden ist. Unser TA hat mittels großen Blutbildern ein Leberproblem diagnostiziert, was sich aber medikamentös behandeln ließ und relativ bald erledigt war. Solange sie nicht weiter abnimmt… Hat sie nicht. Lebhaft, sie ist meiner Frau sogar von hinten auf die Schulter geklettert, wenn wir im Esszimmer gesessen haben. Kraul‘ mich, und gib‘ mir auch was zu fressen.
Vor einem Monat etwa sind ihr morgens an einem Freitag nach dem Frühstück auf einmal die Hinterbeine weggeknickt, einfach so. Die Katze konnte auch gar nicht verstehen, was da mit ihr passiert ist… Not-TA, unser normaler TA hatte noch zu. Eine Spritze, kann mal passieren, vermutlich nichts Ernstes. Als wir wieder daheim waren, war sie schon 100% wieder fit, alles ok. Wir sollen beobachten. Haben wir.
Letzten Sonntag, 4 Wochen später, dann das gleiche, wieder die Hinterbeine, wieder nach dem Frühstück, härter diesmal. Not-TA sofort, ein anderer jetzt. Der vermutet ein Lungenproblem, hält den Tiger insgesamt für sehr klapperig und kann aber auch nichts Rechtes feststellen – Sie bekommt Vitamin B, Schmerzmittel und Beruhigungsmittel gespritzt. Lilly erholt sich deutlich langsamer und ist wie mit angezogener Handbremse unterwegs. Telefonische Rückfrage ergibt, dass das wohl vorrangig dem Beruhigungsmittel geschuldet ist. Das können wir nachvollziehen.
Montag früh fährt meine Frau mit Lilly zu unserem regulären TA, und ich fliege nach China, das kann nicht verschoben werden. Der TA (eigentlich ist die weiblich, wie sagt man das? TA-in?) kann auch nichts feststellen… Also Tierklinik Ahlen. Hier findet man heraus, dass Lilly Wasser in der Lunge, ein vergrößertes Herz mit Thromben sowie, als grundlegende Ursache des Ganzen, eine Schilddrüsen-Überfunktion hat. Gelöste Thromben haben dann wohl auch jeweils das Wegsacken der Hinterbeine verursacht.
Der Tiger musste in der Klinik bleiben, große Angst bei ihr und auch bei uns. Ich sitze in China und mir läuft das Wasser aus dem Gesicht, das arme Mäuschen. Die Lunge wird punktiert, über einen Venenzugang werden entwässernde Medikamente verabreicht und auch ein Mittel zur Appetit-Förderung, denn der Tiger mag auch nicht mehr fressen.
Am Mittwoch hat sie meine Frau zusammen mit meiner Tochter wieder abgeholt, und als sie mich dann angerufen haben, war Lilly nur noch ein Häufchen Elend. Zuhause hat sie sich in die Dusche verkrochen (macht sie sonst nie), frisst nichts mehr, liegt nur da.
Die Klinik hat einen Medikamentenplan mit Prioritäten erstellt – das Wichtigste ist jetzt die Behandlung der Schilddrüsen-Überfunktion. Als nächstes kommen die Herzprobleme, das Herz selbst sowie dann die Thromben. Allein, die Schilddrüsen-Medikamente haben als Nebenwirkung Übelkeit und Appetitlosigkeit. Eine Tablette konnte ihr gegeben werden, das war’s. Lilly frisst nichts, öffnet nicht das Maul, es geht nichts.
Sie wird immer weniger, das Fell ist struppig, sie putzt sich nicht mehr. Sie würgt nur grüne Galle. Wir haben eine Dauer-Leitung zum TA und zur Tierklinik. Zwangs-Füttern geht gar nicht, sie läuft dann weg. Unsere Telefonate werden immer trauriger, ich buche meinen Rückflug von Samstag auf kommenden Mittwoch um. Eher geht nicht. Ich kann an nichts anderes denken.
Am Freitag dann findet meine Frau heraus, dass es ein Medikament für das Schilddrüsen-Problem auf Tropfenbasis gibt und besorgt dieses. Das wird mit einer Plastikspritze gegeben, ebenso eine Aufbau-Nahrung, auch die per Spritze. Ist eine Sauerei, weil die Hälfte herausläuft, aber ein wenig bleibt auch drin. Lilly geht es unverändert.
Heute, am Samstag, kommt zum ersten Mal von meiner Frau, die Nachricht, dass es dem Tiger ein ganz kleines bisschen besser geht. Nicht gut, lange nicht, aber ein klein bisschen besser. Meine Frau schickt Bilder vom Tiger und dem Jaguar. Kann ich mir keinesfalls anschauen, wenn Geschäftspartner dabei sind. Ich sitze mit Tränen in den Augen davor.
Ich hatte große Angst, Lilly nicht mehr lebend zu sehen und hoffe jetzt aber ganz stark, dass der Rest Ihres Lebens vielleicht doch noch währen wird. Der Tiger wird eine sehr kranke Katze bleiben und Medikamente benötigen.
Das kriegen wir hin, wenn sie uns lässt. Ich hoffe auf mehr Zeit mit ihr.
Darüber hinaus bewundere ich meine Frau für alles, was sie mit dem Tiger angestellt und durchgemacht hat. Ich weiß, dass ihr das Ganze genauso wehtut, wie mir. Darüber hinaus hat sie mich noch trösten müssen. Danke. Schwierig halt, alles, zur Zeit.
Ach ja, und der Jaguar ist ein dicker Jaguar geworden. Frech wie eh und je, aber bissel dick. Sie schnuppert im Moment nur vorsichtig an Lilly und lässt sie aber sonst in Ruhe. Sie ist wohl auch verunsichert und weiß nicht, was da los ist mit dem Tiger, mit uns, all‘ die Aufregung, jeder traurig. Hm. Sie braucht wohl etwas mehr Streicheleinheiten, wie’s scheint.
Der Sepp