Das erste Jahr
Liebe Samtpfotengemeinde (nebst geneigtem Personal),
vorgestern vor einem Jahr wurde ich hier in meinem neuen Revier eingezogen (tippt ihr mal soviel Text mit zwei Pfoten, das dauert, daher die Verspätung). Also ein guter Zeitpunkt, die letzten 12 Monate Revue passieren zu lassen.
Ich kam an einem Sonntagabend hier an. Nichts außer einem Topf Katzengras konnte ich mitbringen. Und dann fing es an: soviel neue Gerüche und dann unbekannte komische Dinger, Treppen genannt... kein Problem, nach ein paar Minuten konnte ich das mit mir eigenen Grazie bewältigen.
Somit kam ich in ein sehr spannendes, komisches Areal: voller Nischen, Klettermöglichkeiten und Spielzeug. Meine neuen Dosis meinten nur, dass jetzt keine Spinnenweben mehr im Keller wären, was auch immer das bedeuten mag.
Naja, jedenfalls war es eine ziemliche Umstellung. Hat ein Weilchen gedauert, bis das Personal gespurt hat (ich glaube, das sind nicht die hellsten): beim Futter haben wir üben müssen, bis sie gepeilt haben, was ich will. Das mit dem "nicht will" ging glücklicherweise recht zügig.
Mein Gott, was waren die angespannt. Jedes Mal, wenn ich auf irgendwas sprang – je höher umso besser, und je mehr da oben zum untersuchen rumstand auch umso besser - fingen sie an zu johlen. Naja, einmal fiel was runter, aber es blieb heil, ich versteh den Stress überhaupt nicht. Ich bin ja ein toleranter Kater und für flache Hierarchien. Das Personal darf sogar das Fell berühren.
Naja, nach vier Wochen Kampf gab der Klügere nach und ich bin nicht mehr ständig auf den Esstisch gesprungen (die Aussicht ist einfach grandios). Aber ich habe mir wenigstens Ruhemöglichkeiten auf den Schreibtischen herausbedungen, schließlich gehört das Thema Mäuse hereinholen zu meinen neuen Leidenschaften, dazu später mehr.
Nun denn, nach drei Tagen bekam ich ein Geschirr mit Leine angelegt und durfte durch die Tür nach draußen. Ich sag euch, das war echt heftig. Ich gleich tiefste Gangart, der ganze Körper hat gekribbelt. Aber dann: Katzengras, soweit das Auge reicht, der Hammer!! Leider musste ich nach einem Weilchen wieder rein, noch bevor ich alles ausgiebigst beschnüffelt und jeden Grashalm mit dem Bäckchen markiert hatte, war doch jetzt alles meins, oder? Nervig, das ging so zwei Wochen lang, wobei ich immer länger raus durfte. Und irgendwann war die Leine weg... Der Hammer, überall hin zu können. Und überall Spielzeug am kriechen und flattern. Leider habe ich mich einmal verlaufen. Und dann noch diese schimpfende Amsel, ich war völlig am Ende mit den Nerven. Dann kam mein Dosi und wollte mich hochheben. Da bin ich das erste und einzige Mal ausgeflippt: war ein heftiger Kampf und eines wurde klar: mein Dosi hatte von meinem Vorgänger eine echt gute Nahkampfausbildung. Dosine kam mit dem Kennel und ich wurde nach Hause verfrachtet.
Ab da wurde ich vorsichtiger (etwas). Einmal bei sehr starkem Regen habe ich mich noch einmal verlaufen, aber meine Dosine lotste mich bis Nachts um fast 3 Uhr mit Rufen und Licht wieder nach Hause. Ja, liebe Mitleser, ich bewege mich hier frei herum. Das Ding, wo diese lauten Großtiere mit den Lichtern vorne laut brummend herumrollen, meide ich wie der Wolf den Tierarzt. Apropos Wolf: ich begegnete anfangs den Viechern - meine Dosis nennen sie Hunde - mit gesundem Respekt, aber tolerant und offen wie ich bin, freundlich. Im April hat mich aber so ein Mistvieh doch glatt in den Mors und Schwanz gebissen.
War so schlimm, dass ich zu Onkel Lothar musste: obwohl ich dort schon paar Mal war (keine Ahnung, wer das ist, aber die Besuche dort nerven: rein in den Kennel, hin, dann werde ich meistens mit Nadeln gepiekst). Es war schlimm: erst die Nadel, dann wurde ich müde. Als ich aufwachte, hatten die mir glatt den Schwanzansatz rasiert und der tat richtig weh. Glücklicherweise haben meine Dosis mich dort wieder raus geholt (naja, eigentlich nur recht und billig, die haben mich ja dorthin gebracht), und bald war alles wieder gut.
Auf jeden Fall habe ich nun ein Problem mit diesen Hunden, will nix mehr mit denen zu tun haben.
Onkel Lothar lernte ich schon ziemlich schnell kennen: meine Dosis faselten was von Chip und Tollwut und schon nach drei Wochen hatten wir unser erstes Treffen (jetzt fällt mir gerade auf, dass das ungefähr mit dieser Leinennummer zusammen fällt).
Als ich ohne Leine raus durfte, kam die nächste Nerverei: ich wurde im Keller immer wieder durch die Tür (ja, durch die Tür, da ist unten so eine kleine Klappe) geschoben. OK, ich gebe zu, das war nicht besonders ruhmreich, dass es fast eine Woche dauerte bis ich begriff, dass ich da alleine rein und raus komme. ABER: das Ding piepste anfangs fürchterlich (jedes Mal, wenn mein Nacken in die Nähe des Vordachs der Klappe kam). Während ich genervt war, waren die Dosis glücklich, weil der Chip funktioniere. Naja, wenn sie glücklich sind, dann bin ich es auch, denn in diesem Zustand lassen sie sich leichter trainieren.
Trainieren, ja das musste ich verdammt viel. Hab sogar abgenommen, wiege nur noch 5kg. Aber Muckis hab ich inzwischen! Hilft gegen andere Fellmonster, die bleiben inzwischen meinen Revier wieder fern (sowas von respektlos waren die). Und dann hab ich mich verändert. Vor dem Einzug war ich ja ein Tagkater, nachts wurde geschlafen. Inzwischen kann ich mir das nicht mehr erlauben: nachts ist zu viel im Revier los, also muss ich halt tagsüber schlafen. Aber macht nix, meine Dosis sind soweit abgerichtet, dass ich auch nachts gekrault werde, wenn ich meiner schlafenden Dosine auf den Bauch springe.
Ich muss gestehen, dass ich doch sehr stolz bin: ich kann inzwischen das Futter (Dosine nennt es entweder "Oeti, eine Maus" oder "Mensch Oeti, nicht einen Vogel") selbst erlegen. Leider hat mir niemand gezeigt, wie es geht: mein Dosi ist da eine Niete, lebende Mäuse, die ich mir zum Üben mitbringe, fängt er im Haus selber und verschwindet dann mit ihnen, die Spaßbremse, ich würde sogar mit ihm teilen. Aber inzwischen komme ich an die Filets, ohne das bittere Zeug und den Kopf zu essen. Und die, die nicht nur über den Boden laufen, sondern auch auf meinen Kletterbäumen sitzen und fliegen, die sind noch spannender. Aber sie fusseln mehr, das Personal muss hinterher halt ran. Dafür sind sie ja da. An der Meckerei meiner Dosis muss ich noch arbeiten, aber das kriege ich noch hin. He, ich bin gut erzogen: gespielt wird draußen, aber gegessen wird daheim. Und ins Körbchen zu kommen ist manchmal anstrengend: ich benutze die Katzenklappe nur nachts, tagsüber ist das Personal ja da und kann Türen öffnen (das haben sie sehr schnell gelernt). Aber mit Beute lassen sie mich nicht rein, echt fies. Dann muss ich halt draußen essen. Aber es schmeckt halt so gut und man kann vorher damit spielen. Nur das Fangen ist manchmal anstrengend, ich komme zwar auf die Bäume, aber das fusselnde Essen haut einfach ab. Aber inzwischen kann ich gut schleichen und lauern, ich bin sehr zufrieden mit mir. Nur das Futter, das Dosine "Gut Oeti, eine Ratte" nannte, das war mir zu üppig, dass durfte Dosi entfernen (die Sache mit dem Personal).
Meine Kratzbäume und Matten im Hause benutze ich kaum noch, dafür hab ich draußen genug. Erholung ist aber wichtig und da bin ich froh, dass mein Personal mich bei der Wahl des Ruheplatzes nicht stört. Neben den Sofas und dem Lesesessel habe ich die Salatschüssel im Schrank entdeckt: der Einstieg ist zwar eher aufwändig (Tür mit Pfote öffnen, über Flaschen klettern, hinten im Schrank an der Wand lang und dann in die Schüssel), aber man kann richtig seine Ruhe finden.
Noch sind nicht alle Ausbildungsziele erreicht, aber das kriege ich auch noch hin, meine Dosis sind ja einigermaßen gelehrig und steter Tropfen höhlt ja bekanntlich den Stein.
Liebe Forumsmitglieber, nochmals danke für eure Unterstützung. Ich habe mich hier gut eingerichtet. Ich bin mit mir zufrieden über das, was ich erreichen konnte in meinem 1. Jahr bei den beiden. Ich hätte ja nie gedacht, dass Katze sein soviel Spaß macht !!!
Mit einem lauten Purren grüßt Euch
Euer Oeti