Wir gehen in den Ruhestand
Es ist Samstag. Ein dicker Kater liegt gemütlich auf dem Sofa, verdaut sein karges Frühstück und träumt von seiner schon länger zurückliegenden Jugendzeit. Damals, als er noch ein junger Spund war und auf Anhieb auf die Spüle springen konnte. Als er noch die ganze Nacht lang unermüdlich Schränke ausräumte. Als er noch niemals fade Schonkost probiert hatte, weil sein Magen nicht mehr alles so ohne weiteres verträgt. Als er noch alle seine Zähne hatte. Ach ja, denkt der dicke Kater und mummelt sich wohlig in die zerrupfte Wolldecke, schön war sie, die Jugend. Aber das Alter hat auch seine angenehmen Seiten. Man ist nicht mehr so rastlos und kann auch mal einen grauen Wintertag genießen, wenn die Heizung bollert und man ein Sofa hat, auf das man sich kuscheln kann.
Wenn nur das nervige Personal nicht wäre. Da kommt es schon wieder angerannt, hat die Kamera in der Hand und schreit, die Katzen sollen gefälligst jetzt mal langsam was Lustiges machen, es sei schon Samstagmittag und es brauche allmählich mal eine Geschichte und ein Bild. Der dicke Kater ist genervt, und auch seine beiden Mitkater murren, dass das Personal mal nicht so eine Welle schieben soll. Dann macht es halt das x-te Schlummerfoto auf dem Sofa und schreibt eine Geschichte darüber, wie die Katzen auf dem Sofa liegen und es selbst dort keinen Platz mehr findet.
„Kommt, Jungs, das hatten wir doch schon so oft.“ sagt das Personal. „Ich kann doch nicht immer nur darüber schreiben, wie ihr auf dem Sofa liegt. Ihr müsst schon auch mal irgendwas machen. Los, Flori, steh auf und mach irgendwas!“ „Ich mach doch was.“ sagt Flori. „Ich lieg auf dem Sofa.“ „Immer dieser Druck.“ beschwert sich Fritz. „Macht mal was, macht mal was, weißt du eigentlich, was für ein Stress das ist, immerzu irgendwas machen zu müssen? Immer nur im Rampenlicht zu stehen? Da kann man auch dran zerbrechen, wenn man ein sensibler Kater ist!“ „Ja, und dann die ganzen Groupies!“ meldet sich Henry. „Man traut sich ja schon gar nicht mehr auf die Straße!“ „Groupies?“ fragt Fritz und schaut sich suchend um. „Du gehst auf die Straße?“ fragt Flori.
Henry windet sich ein bisschen. „Ja nee.“ sagt er kleinlaut und setzt trotzig hinzu: „Kann man ja auch nicht, bei den ganzen Groupies.“ „Genau!“ schreit Fritz anklagend. „Du hast uns nämlich nie gefragt, ob wir das wollen, diesen ganzen Ruhm!“ „Ja, alles hast du ausgebreitet!“ schlägt Flori in die gleiche Kerbe. „Du hast ja überhaupt gar keine Hemmungen. Ob wir Verstopfung haben oder Brechdurchfall, Zähne gezogen kriegen oder ob Fritz Ferkeleien mit der Wolldecke macht – das hast du alles raus posaunt!“ „Iiiieeehh.“ kommentiert Henry und springt angewidert von der Wolldecke.
Das arme gescholtene Personal ringt die Hände und die Kamera. „Aber alle mögen die Geschichten.“ jammert es. „Na, und wie lange noch?“ gibt Flori zu bedenken. „Wir haben jetzt alles Schränke hundertmal ausgeräumt, alles runtergeschmissen, was nicht niet- und nagelfest ist, alles schon mal vom Teller geklaut, jeden Quadratzentimeter schon mal vollgekotzt, wir haben drei Stehlampen, zwei Sofas und einen Teppich ruiniert, jahrelang den Tannebaum umgeworfen, tonnenweise Haare verloren und mehrere Tierärzte verschlissen. Was willst du denn den Leuten noch Neues erzählen, was du nicht schon mehrmals erzählt hast? Man soll aufhören, solange man noch in guter Erinnerung bleiben kann!“
Da ist was dran, denkt das Personal und erinnert sich wehmütig an Staffel vier von „Supernatural“. Danach wurde es irgendwie ein bisschen unspektakulär, wie am Ende jeder Staffel einer der Winchester-Brüder den Löffel abgab, um zu Beginn der nächsten Staffel auf wundersame Weise wieder aufzuerstehen. Sowas nutzt sich ja auch irgendwann mal ab. Dieses Jahr hat es auch zum ersten Mal mit der schönen Tradition gebrochen, sich die letzte Staffel auf DVD zu holen, um der weihnachtlichen Dauerbeschnulzung in den Medien ein Schnippchen zu schlagen.
„Vielleicht habt ihr Recht.“ sagt es und versucht sich daran zu erinnern, wer eigentlich am Ende der letzten Staffel den Löffel abgegeben hat. Dann fällt ihm ein, dass es die letzte Staffel gar nicht zu Ende geguckt hat. Weil es mittlerweile einfach nicht mehr mitansehen kann, wie die Winchester-Brüder andauernd zur Hölle fahren und dann wieder auferstehen.
„Natürlich haben wir Recht.“ brummt Flori und rollt sich wieder zusammen. „Guck dich doch nur mal an. Seit fünf Jahren schreibst du dauernd Katzengeschichten. Eines Tages wirst du noch anfangen, dich mit uns zu unterhalten.“ Niemals, will das Personal sagen, dann hält es inne und packt still die Kamera weg. Bis Ende des Jahres, denkt es, schreibe ich noch Katzengeschichten, aber 2018 soll ein Ende damit sein. Die Jungs sollen ihren wohlverdienten Ruhestand haben.
Zufrieden kuscheln sich die Katzen aneinander. Nur Fritz steht auf und schleicht sich zum Fenster, um nach Groupies Ausschau zu halten.
Boah Alter, stalk uns nicht!!!