Sagt für mich eigentlich alles. Da war er ja noch mitten in der Entwicklung und längst nicht charakterlich fertig. Zudem mitten in der Pubertät und ohne geeigneten Raufkater. Die Katze war da eine denkbar schlechte Wahl. Ich sage das nun nicht, weil es dir jetzt noch hilft, sondern weil ich glaube, dass das das Kernproblem ist. Damals wäre es richtig gewesen, dem Kater einen passenden Artgenossen zu suchen oder ihn in ein passendes Zuhause mit eben diesem Artgenossen zu vermitteln. Das ist genau der Lehrbuchrat, den man hier in solchen Situationen gibt und den ich auch richtig finde.
Also ebenfalls Kater, gleiches Alter, gleiches Energielevel, ähnlicher Charakter, gut sozialisiert und souverän. Das, was ihr jetzt habt, wird das Ergebnis von jahrelangem Frust sein. Dem Kater fehlt seit 6 Jahren ein passender Artgenosse. Ich glaube weder, dass der einfach aggressiv ist noch, dass er euch unbedingt dominieren will, sondern, dass die Haltung bei euch einfach für diesen Kater nicht passt und sich das eben hier und da entläd.
Wir bekamen unseren mit 2 Jahren. Da war er bereits über 7x rumgereicht worden, hatte seit Monaten massive Schmerzen, war in Einzelhaltung aufgewachsen, war rüpelhaft und kannte keine Konsequenz. Heute, nach 1,5 Jahren habe wir einen agilen Kater, der kindertauglich ist, den wir maßregeln können, kein Anfängertier, aber gut zu händeln, wenn man souverän ist. Hier passt die Haltung zu sehr großen Teilen und genau das hat dazu geführt, dass dieser ehemalige Wanderpokal, der knurrend Menschen attackiert hat, ein ziemlich normaler Kater. Klar, gewisse Dinge holt der nicht mehr auf. Aber bei einem 8-Monate-alten Kater hätte noch viel passieren können und müssen. Das immer nur auf die Vorbesitzer zu schieben ist zu kurz gedacht.
Das sollen keine Vorwürfe sein, ich möchte nur klarmachen, dass ich viele der Probleme für hausgemacht halte. Hausgemacht, weil es lange laufengelassen wurde. So ein junger Kater, mit so viel Energie... Alles, was du beschreibst, auch in der Heftigkeit, kenne ich von meinem ersten Kater, den wir aus Unwissenheit lange alleine gehalten haben. Für mich zeigt dein Kater ganz typische Verhaltensweisen eines unausgelasteten, frustrierten Katers und die Ursache wird die Haltung sein. Mit Haltung meine ich, dass der passende Artgenosse und Auslastung fehlt. Klar hat der Freigang, aber da er Zuhause sein Sozialverhalten nicht aufholen konnte, weil die Kombination eben nicht gepasst hat, ist es gut möglich, dass er auch draußen Probleme hat und da auch keinen guten Anschluss findet. Darum rät man eben auch bei Freigängern dazu, diese mit passendem Partnertier zu halten - gerade so junge Katzen, für die erlerntes Sozialverhalten draußen wichtig ist.
Ich finde die Situation mit einem Baby schwierig. Hättest du dich vor 6 Jahren hier mit diesem Problem gemeldet, hätte man dir wohl gesagt, der Kater braucht einen passenden Artgenossen und souveräne Konsequenz euerseits. Leider hatte das Verhalten nun 6 Jahre Zeit sich zu manifestieren. Ich würde nach einem passenden Zuhause suchen, wo ein passender Kater seines Energielevels lebt, wo er Freigang hat und Leute, die sein Verhalten etwas weniger werten. Zu der Katze würde ich dann ebenfalls ein passendes Partnertier setzen. Also eine Katze mit ähnlichem Charakter. Mir wäre das mit einem Baby und irgendwann ja auch mobilen Kleinkind zu heiß. Wäre der noch 8 Monate alt und man würde es direkt mit einem passenden Artgenossen angehen - okay. Aber nach 6 Jahren und bei den Gesamtumständen, finde ich das schwierig. Wenn es eine Abgabe nicht sein soll, rate ich zu einem passenden Artgenossen mit langsamer VG. Ist für mich aber der schlechtere Rat, weil das Risiko, dass es schiefgeht deutlich höher ist. Ein Jungkater/Kitten mit schlechtem Sozialverhalten wird in so einer Situation oft schnell zurechtgebogen. Ein frustrierter Kater, der so lange Zeit hatte, das Verhalten zu manifestieren, wird da eine deutlich anspruchsvollere Aufgabe.
Ich glaube auch nicht, dass sich das Verhalten ändert oder besser, wenn alles im Grunde bleibt wie es ist. Das zeigt ja auch die Zeit bislang.