Hallo wilderEngel,
das ist eine traurige Geschichte. Zu allererst würde ich die Katze noch einmal sehr, sehr gründlich von einem Tierarzt komplett untersuchen lassen (und ihm dabei natürlich auch von der Bissigkeit usw. ausführlich berichten). Ich habe bisher nur wenige Katzen erlebt, bei denen eine derartige Aggressivität und scheinbar unkontrollierbare und unberechenbare Angriffslust nicht unmittelbar mit Schmerzen zusammen hingen (Zahnschmerzen z.B., kann aber natürlich auch alles mögliche andere sein). Andere Katzen, bei denen keine gesundheitliche Problematik festgestellt werden konnte, waren vermutlich schwer traumatisiert.
Prinzipiell ist meiner Meinung nach auch dann ein Zusammenleben möglich. Allerdings bedarf es großer Geduld und genauer Beobachtung der panikauslösenden Reize (denn häufig ist das, was wie Angriffslust aussieht, letztendlich doch auch eine Angstreaktion). Außerdem muss man umdenken, unter Umständen anders handeln als bei anderen Katzen und sich um Verständnis für die individuellen Psyche einer solchen Katze bemühen.
Hat deine Schwester mal ein Tagebuch geführt und z.B. über den Zeitraum einer Woche (oder besser länger) hinweg jede Attacke der Katze mit der zusammenhängenden Situation, Uhrzeit, ihrer eigenen Reaktion, Gerüchen, Geräuschen, ihrem eigenen Verhalten und allen weiteren Umständen genau protokolliert? Wenn nicht, würde ich ihr dazu raten. Eventuell lässt sich so doch noch ein ursachenrelevantes Muster erkennen, das bisher verborgen geblieben ist.
Ich bin gestern ja zu meiner Schwester gefahren und da kam ihre Katze auf mich zugelaufen. Sie hat sich um meine Beine geschmiegt und ich habe sie gekrault. Sie fing an zu schnurren und dann hackte sie mir gleich mal in die Hand und hat mich direkt über dem Schuh ins Bein gekratzt. Ohne Vorwarnung. Unsere Katze legt die Ohren an, wenn sie genug hat oder geht weg. Die Katze meiner Schwester beißt gleich zu. Ich weiß nicht, ob sie einfach nur agressiv ist oder vielleicht "kindisch" und meint, das sei Spiel. Denn kurz darauf hat sie angefangen mit einem kleinen Bällchen durch die Wohnung zu toben. Aber so ist sie immer. Kommt zum schmusen und dann beißt sie (richtig feste) zu.
Solche Situationen solltet ihr zumindest vorerst vielleicht etwas anders handhaben. Wenn Bronci kommt und schnurrt und anscheinend schmusen möchte, würde ich ihr hierfür schon unbedingt ein positives Feedback geben: ein kurzes Streicheln, ein paar liebe Worte - aber vorerst nicht mehr. Ich meine damit, dass ihr diese positiven Begegnungen zwischen Mensch und Katze für eine gewisse Zeit so kurz halten solltet, dass es nicht die Möglichkeit gibt, dass aus dem positiven Erleben am Ende wieder ein negatives wird. Ging die Situation problemlos vorüber, würde ich sie zum Schluss noch mit einem kleinen Leckerchen positiv verstärken, sofern Bronci etwas Bestimmtes gerne frisst. Dies müsste aber unmittelbar geschehen und für die Katze in direktem Zusammenhang stehen. Ziel sollte es sein, viele kleine, wenn auch kurze, positive Begegnungen zwischen deiner Schwester und der Katze zu ermöglichen und die negativen soweit es geht vorläufig zu vermeiden, damit das Verhältnis der beiden wieder entspannter wird.
Das Verhalten, das du in dieser Situation beschreibst, kenne ich übrigens besonders von Hunden mit Verletzungen an der Halswirbelsäule. Der Hund kommt schwanzwedelnd und freudig auf den Menschen zu, wird gestreichelt, mag das anscheinend auch und schnappt dann ganz plötzlich und scheinbar grundlos fest zu. Diese Hunde werden häufig als unberechenbar und aggressiv abgegeben. In Wirklichkeit wurde während des Streichelns bloß ein Punkt berührt, der eine starke Schmerzreaktion auslöste.
Theoretisch könnte ich mir bei Katzen ganz ähnliche Gründe vorstellen (deswegen sollte Bronci auch gut untersucht werden).
Genauso gut könnten aber vielleicht auch Flashbacks und Trigger, wie man sie vom Menschen kennt, etwas mit Broncis Verhalten zu tun haben. Irgendetwas löst ganz plötzlich die Erinnerung an ein traumatisches Erlebnis aus, und weil die Katze nicht in der Lage ist, dies zu einzuordnen oder zu verstehen, reagiert sie aus Furcht oder Verstörung mit Abwehr und Verteidigung. Kann sein, muss aber nicht.
Bei den direkten Angriffen, z.B. auf die Füße, ist der Umgang damit natürlich schwieriger. Hier könnte deine Schwester wahrscheinlich nur versuchen, sich so ruhig wie möglich der Situation zu entziehen und möglichst Ignoranz, statt zusammenhängende Reaktion zu zeigen. Das ist natürlich sehr schwer, aber soweit ihr das irgendwie möglich ist, sollte sie meiner Meinung nach versuchen ruhig zu bleiben und sich von der Katze zu entfernen (bzw. sollte sie gerade auf dem Sofa liegt, wenn Bronci angreift, die Füße fest in die Decke wickeln und möglichst reaktionslos liegen bleiben).
Am wichtigsten finde ich aber die tieräztliche Untersuchung. Auch Pinkelprobleme haben ja häufig eine organische Ursache. Das mit den zusätzliches Klos ist aber so oder so schon mal prima
🙂!
Alles Gute für Bronci und viele Grüße
Fiby