Hallo,
ich habe jetzt so ca. 8 Seiten hier gelesen und möchte Dir gern von unserem Paulchen und Elli erzählen.
Wir haben dieses Haus gekauft, die Besitzerin war verstorben, Paulchen war von Ihr mit der Hand aufgezogen worden. Die Nachbarn haben ihn nach ihrem Tod mit durchgefüttert, konnten ihn aber nicht anfassen.
Wir fingen an zu renovieren und da wir eh immer Katzen wollten und er so sehr wieder hier in dieses Haus wollte, fütterten wir ihn und ließen ihn dann ab unserem Einzug auch wieder hier wohnen.
Er hatte null!! Respekt vor Händen oder wenn man laut Aua sagte und jammerte... Laut den Nachbarn hat auch Sie ihn kaum anfassen können, geschweige denn zum Tierarzt bringen, obwohl ja mit der Hand aufgezogen..da war also offensichtlich was schief gelaufen...
Mein Mann, von Kindheit an katzenerfahren, packte ihn ein und ab zum Tierarzt. Etliche Zähne unter Eiter, das Gebiss eine einzige Katastrophe. Alle Zähne bis auf 2 kleine vorne wurden gezogen. Hat man ihm so absolut nicht angesehen, auch fressen tat er, aber er muss Schmerzen gehabt haben, der Arme.
Danach wurde es etwas besser, er wurde zugänglicher, aber Biss und kratzte auch sofort, wenn ihm, aus meiner Sicht, "etwas nicht passte". Ich hatte nie zuvor Katzen gehabt und war/bin ein Weichei was Kratzer und Bisse angeht, auch ich kann dann nicht so schnell wieder zulangen und streicheln. Nicht weil ich ihm das übel nahm, sondern einfach aus Angst, wieder "welche zu bekommen".
Mit der Zeit und diesem Forum hier, lernte ich aber, das er das nun nicht macht, weil er böse ist, oder weil er Bock dazu hat, sondern weil dann aus seiner Sicht etwas nicht stimmt. Wir beobachteten ihn genau und stellten immer mehr Kleinigkeiten fest, die quasi als Vorwarnung dienten. Hörte man darauf und lies ihn dann in Ruhe, war alles gut, andernfalls setzte es was für uns
🙄
Das waren ganz winzige Kleinigkeiten in der Körpersprache die ich schlicht nicht kannte, Zucken der Schwanzspitze, Ohren seitlich nach hinten drehen, Pupillen ganz groß werden.. Das waren die Zeichen, das man ihn besser in Ruhe lies, auch wenn er von selbst auf den Schoß gekommen war.
Als er dann merkte, das wir seine Grenzen respektieren und keine "Übergriffe" unsererseits mehr passierten, wenn er uns warnte, wurde es schlagartig besser. Ab da kam er regelmäßig zum schmusen, man konnte ihn auf den Arm nehmen und knuddeln, er sabberte wie ein Weltmeister dabei, weil er es so genoß.
🙂 Trotz allem blieb er unsere (liebevoll) Diva, Grenzen wurden gezeigt und eingehalten, er ist halt ein Schmusetiger für gewisse Zeiten gewesen und nur wenn er mochte. Umso schöner war es, wenn er dann kuscheln kam.
Paulchen hat uns letztes Jahr leider verlassen und fehlt uns immernoch jeden einzelnen Tag....
Sooo nun zu Elli, unserem ungezogenen Rüpel
😀
Elli gehörte einer zugezogenen Nachbarin mit 2 Kindern, sie hat ihn aus schlechter Haltung, wo er getreten und geschlagen wurde und völlig unterernährt war. Gut gemeint ist aber nicht immer gleich gut gemacht...gut das sie ihn da rausgeholt hat, nicht gut, das sie so garnicht auf seine Bedürfnisse eingegangen ist.
Elli (ja er ist ein Kater), wurde dann irgendwann kastriert, aber nur weil er anfing zu makieren...durfte in ihrer Abwesenheit nur in die Garage, durch seine vorherigen Erfahrungen, hatte er Angst vor Händen und Hektik, laut sein usw. Schlecht als Schmusekatze für 2 kleine Kinder, er biss und kratzte aus "heiterem Himmel".
Nun machte Elli recht schnell deutlich, das er hier wohnen möchte, zerstörte Fliegengitter, randalierte an den Außenrollos und der Terrassentür, stalkte unsere beiden Kater...knackte die katzenklappe mit Chip, die wir extra angeschafft hatten, damit er draussen blieb.
Wir haben das dann abgeklärt, er wohnt jetzt hier mit allen Konsequenzen (Tierarzt, Impfen usw.)
Er ist seeeeehhhr eigen was anfassen und streicheln angeht. Sicherlich durch seine Erfahrungen. Rücken oder Hinterteil anfassen ging anfangs überhaupt nicht, da drehte er sofort durch. Kopf war ok, allerdings auch nur zu seinen Bedinungen und dann wenn er das möchte.
Nun hat er gelernt, das wir ihn in Ruhe lassen, wenn er uns zu verstehen gibt :ich habe genug. Auch hier: große Pupillen, zurückgedrehte Ohren, zuckender Schwanz, oder der "irre Blick" wie wir das bezeichnen.
Ich streichele Elli ganz selten von mir aus, einfach aus Respekt und sicherlich auch Ängstlichkeit. Aber Elli kommt auch einfach von allein, wenn er kuscheln möchte, dann krabbelt er auf den Schoß und schiebt Handy, Buch, Fernbedienung usw. einfach weg und will das man sich ihm widmet, ganz und gar. Krault man nur mit einer Hand und liest weiter, oder telefoniert usw. hat man ganz schnell die Krallen oder Zähne in der Hand. Ich erkläre mir das so, das ich dann halt zu unaufmerksam bin, wenn ich ihn nebenbei streichle und vielleicht Bereiche versehentlich berühre, die er nicht mag.
Wenn es grade partout nicht passt, würde ich ihn nicht runterschieben, dann beisst er, ich stehe dann einfach auf, dann "muss" er runter. So erspare ich ihm das anfassen, wo er das vielleicht nicht möchte und mir ne blutende Hand.
Mittlerweile darf man auch mal über den Rücken streicheln, am liebsten aber immer noch Kopf, unter dem Kinn, Hals und Nase/Augen..dann sabbert er sogar. Aber, man muss echt drauf achten, von eben auf jetzt schlägt das um und er hat genug und beisst. Er hat es halt nur so gelernt, das seine Grenzen nur respektiert werden, wenn er sie mit beissen und kratzen deutlich macht.
Im Moment werde ich ca. noch so jeden 3ten Monat 1 mal gebissen, weil ich nicht aufgepasst habe. Aber das ist kein Vergleich zum Anfang, da hat er mindestens 1-2 mal die Woche zugebissen.
Ich bin halt vorsichtig im Umgang mit ihm, aber lieben tu ich ihn trotzdem. Er ist halt so und damit können wir leben. Sind ja auch die Umstände, die ihn so gemacht haben.
Merkt man auch ganz deutlich in seinem Umgang mit den anderen Katzen hier...unseren Senior Lucky lässt er weitestgehend in Ruhe, weil er sich da sonst welche fängt. Die Kleinen, Luke und Leia, versucht er zu dominieren und einzuschüchtern. Manchmal versucht er auch zu spielen mit ihnen, aber er ist einfach zu grob und hat es nie gelernt...ein Rüpel halt, aber unser Rüpel
Du siehst, mit viel Geduld, aber auch ganz viel Verständnis und Einfühlungsvermögen kann das besser werden, oder zumindest so gestaltet werden, das ihr alle damit Leben könnt.
Lass aber bitte keinesfalls die organische Seite ausser acht, Du kannst dich soviel bemühen wie du willst, wenn das Tier Schmerzen hat, wird es weiter beissen. Also Zähne, Blutbild usw. sind meiner Meinung nach, ein Muss!
Langer Text, aber ich hoffe so kann ich Dir deutlich machen, das jede Katze ihren Grund für so etwas hat, ohne dir Böses zu wollen. Und wie man damit umgehen kann.
Liebe Grüße, Melanie