Vanitas, mein herzliches Beileid zu deinem Verlust - ich habe von Anfang an Freigänger für mich ausgeschlossen, obwohl wir durchaus in einer Freigängergegend wohnen (Stadtrand, fast ehem. Mauer in Berlin; Einfamilienhausgegend mit Tempo-30-Straßen) und ich hier auch viele Freigänger (und diverse Streunerchen) sehe.
Ich finde es toll, dass du dieses Mal dein Augenmerk besonders auf die Handicats richtest - das entspricht ja auch meinem Beuteschema, wobei ich auch chronisch kranke Katzen gern und dankbar adoptiert bzw. gekauft habe.
Wir hatten zwei Piraten (halb blinde Katzen), ein Blindchen, eine Chronikerin und ein Dreirädchen. Und zwei, die eigentlich gesund waren, aber halt im Lauf ihres Lebens erkrankten.
Klar, eine von Anfang an chronisch kranke Katze aufzunehmen, ist ein Fass ohne Boden, was die TA-Kosten angeht; das muss man stemmen können (oder dass ggf. der TSV, der die Tierchen vermittelt, ein bisschen Hilfestellung leisten kann), aber meine Erfahrung geht dahin, dass letztlich von meinen sieben Katzen in meinem Leben (von den Pflegis abgesehen) sechs im Lauf ihres Lebens oder von Anfang an durchaus schwere und ggf. teure Krankheiten bekamen. Nun ist es sicherlich so, dass man eher "Gefahr läuft", ein krankes Katz wieder mit nach Hause zu nehmen, wenn man zum TA geht (= es wird untersucht und etwas gefunden), als wenn man die TA-Praxen meidet. Denn so manches Katz, von dem die Dosis stolz sagen, es wäre sein ganzes Leben lang nicht beim TA gewesen und sei immer gesund gewesen, leidet doch stumm und still an FORL oder anderen, gut zu versteckenden Krankheiten vor sich hin. Oder hat Diabetes, Herz oder was auch immer.
Ich persönlich glaube nicht, dass ich bei den nicht behinderten Katzen in meinem Haushalt halt einfach ins Klo gegriffen habe, sondern ich bin im Lauf meines Lebens zu der Überzeugung gelangt, dass viel mehr Katzen inzwischen an Zivilisationskrankheiten leiden, als man so denkt... nur halt dass es vom TA evtl. beim regelmäßigen Impfen nicht direkt entdeckt wird, weil halt kein Blutbild gemacht wird oder weil z. B. die Herzgeräusche nicht erkannt werden. Dito die Anzeichen für FORL (bzw. insgesamt die Sensibilität der TÄe dafür).
Insofern ist das Handicap/die Behinderung eigentlich nicht so sehr das, was die Katze "teuer" macht, sondern hier geht es eher um die "Schönheitsfehler", die in einem Matschauge (geschweige denn in einer leeren oder zugenähten Augenhöhle) liegen, oder in einer "fehlenden Keule" ^^.
Das Leben mit Handicats ist im Regelfall sehr entspannt und genauso wie mit nicht behinderten Katzen, so meine Erfahrung, denn die Katze selbst nimmt sich nicht als behindert oder eingeschränkt wahr. Das wird mir jeden Tag wieder sehr eindringlich von Ihrer Pfotigkeit, meiner dreibeinigen Siamesin, die seit Anbeginn Chefin des Rudels ist, vor Augen geführt (bzw. ins Ohr gebrüllt *seufz*). Pfötchen wurde als Kitten am rechten Knie amputiert, nach einem Sturz in ihrem Züchterzuhause, und seitdem unser Sternchen Mercy, Pfötchens Leitkatz bei uns eingezogen war, kannte Pfötchens Ehrgeiz keine Grenzen mehr: überall, wo Mercy hinturnte, musste Pfötchen auch hin, und so enterte sie die hohen Kratzsäulen und entwickelte unglaublich starke Arme und Schultern, um sich überall hochziehen zu können.... nur an der Küchenarbeitsplatte scheitert sie, weil sie dort keinen Halt für die Hinterkrallen des verbliebenen Beines findet.
Aber es reicht, um ein Rudel von insgesamt drei Untertanen 24/7 erfolgreich tyrannisiert und beherrscht zu haben (und gleichzeitig eine gute Landesmutter zu sein), und auch heute, leider inzwischen auch schwer chronisch erkrankt, sieht Pfötchen keine Hindernisse vor sich, wenn sie irgendwo hin will. Und Moody, ihr verbliebener Untertan, macht dann auch brav Platz. Außer auf der Spüle.... ^^
Nine, mein Tigermädchen, hatte ich bereits als chronisch krankes Kitten gekauft; bei ihr war eine chronische IBD (Darmentzündung) diagnostiziert worden, und es gesellte sich im Lauf der Zeit ein bunter Blumenstrauß an weiteren schweren Krankheiten hinzu. Nine wurde auch blind, infolge Bluthochdrucks, und sie war dennoch voller Lebensfreude und kämpfte sich zäh und erfolgreich aus jedem Loch wieder heraus. Bei der Medikamentengabe, beim Inhalieren etc. war sie stets von großer Geduld und forderte die damit verbundene Zuwendung auch aktiv ein. Als Kombination waren das Dreirädchen, das Blindchen und Moody als halbblinder Kater mit seinem Matschauge sehr gut eingespielt, und als Mercy, die anfänglich die einzige Gesunde gewesen war, am Chylothorax erkrankte, war auch das kein Problem.
Katzen sind in Sachen Behinderung weit überwiegend sehr tolerant und reagieren auf behinderungsbedingte Einschränkungen anderer Tiere nicht weiter. Bei Täubchen mag das insofern etwas anders sein, weil diese eben "nur" auf die Körpersprache des anderen Tieres reagieren können, aber nicht so gut auf Fauchen oder Knurren. Umgekehrt können die Blindchen die Körpersprache nicht deuten. Das ist für die Gruppe dann gewöhnungsbedürftig, sicher, aber die Tiere arrangieren sich im Regelfall.
Wichtig ist vor allem, nicht auf menschliche Gefühle, z. B. besonderes Mitleid mit dem behinderten Tier, hereinzufallen. Handicats empfinden sich nicht als bemitleidenswert, sondern sehen sich als normal. Sie sind auch nicht dankbar!!!! Jedenfalls nicht "dankbarer" als jede andere Katze, die in einen Privathaushalt einzieht. Sie sehen sich (siehe Pfötchen! 😀) eher als Herrscher des Hauses und ihre Menschen als dienstbare Geister - nicht anders als jede gesunde Katze auch. 🙂
Ich persönlich habe meine Handicats und Chroniker von Anfang an als besondere Bereicherung meines Lebens empfunden und viel von ihnen gelernt. Besonders hat mich beeindruckt, dass sie eben so gelassen mit ihrer Behinderung umgehen - wo wir Menschen hadern und fragen "warum gerade ich". Daraus habe ich gerade auch für meine eigene Krankheit sehr viel gelernt. 🙂
Für deine Suche nach den neuen Familienmitgliedern wünsche ich dir alles Gute, und es ist wirklich eine wunderbare Bereicherung, wenn man das Leben mit einem behinderten Tier teilen darf! <3