Hallo liebe Forumsmitglieder,
leider gibt es die Kategorie "Juristisches" nicht, weshalb ich hier schreibe.
Ich habe meinen kleinen Schatz aufgrund unterlassener Diagnostik verloren und werde die Tierärztin wegen grober Behandlungsfehler verklagen. Hat das hier schon einmal jemand gemacht und kann mir einen guten Anwalt empfehlen?
Bitte keine Kommentare zu meinem Vorhaben, mein Entschluss steht fest.
Eine juristische Kategorie gibt es hier mit Berechtigung nicht, da die (ausführliche) juristische Beratung in Deutschland den Fachleuten (Anwälte und Rechtsbeistände) vorbehalten ist, soweit mir bekannt ist. Im deutschsprachigen Ausland mag das anders sein, aber dieses Forum wird wohl überwiegend von Leuten, die in Deutschland leben, genutzt.
Wenn du in Deutschland eine Klage erheben möchtest, richtet sich dies v. a. nach dem Streitwert. Bei einem Zivilprozess, der sich auf Schadensersatz richtet, müsstest du den Streitwert beispielsweise nach den durch das Unterlassen verursachten zusätzlichen Behandlungskosten berechnen. So in etwa.
Schmerzensgeld etc. kannst du im Fall eines geliebten Haustieres nicht verlangen, da das Affektionsinteresse beim Thema Schadensersatz im Regelfall keine Rolle spielt.
Je nach der Höhe des Streitwerts ist das örtliche Amtsgericht (Ort der Schädigung bzw. Wohnsitz des Beklagten) zuständig. Vor dem Amtsgericht kannst du deinen Prozess selbst führen, also ohne Anwalt.
Bei einem höheren Streitwert musst du vor dem örtlich zuständigen Landgericht Klage erheben lassen, dort herrscht Anwaltszwang, und du musst vor der Klageerhebung einen Anwalt beauftragen.
Als Klägerin bist du für die Behauptungen beweispflichtig, auf die du dein Klagebegehren stützt. So obliegt dir beispielsweise auch der Beweis dafür, dass der Tierarzt fehlerhaft gehandelt hat, als er die von dir als notwendig angesehene Behandlung deiner Katze unterlassen hat. Hierfür wird wahrscheinlich ein Sachverständigengutachten notwendig werden. Die Kosten für das Gutachten (das im Auftrag des Gerichts von einem Sachverständigen, den das Gericht auswählt, erstattet wird) musst du als Klägerin vorstrecken, genauso wie beispielsweise die Gerichtsgebühren für die Klageerhebung.
Zu weiteren klägerseitig beizubringenden Beweisen gehören u. a. Unterlagen über die beim beklagten TA erfolgte (fehlerhafte) Behandlung der Katze, auf die du die Behauptung stützt, dass der TA eine falsche Behandlung durchgeführt habe und dass er eine falsche Diagnose gestellt habe. Weiterhin wäre es gut, wenn du deine Katze hättest obduzieren lassen und die konkrete Todesursache bzw. tatsächliche Krankheit, die eben nicht diagnostiziert wurde, festgestellt wurde. Der Obduktionsbericht dürfte für deine Klage wichtig sein.
All diese Dinge sind nicht kostenlos zu haben, und es gibt auch viele Tierhalter, denen es schon gedanklich ein Graus wäre, ihr geliebtes Haustier nach seinem Tod obduzieren zu lassen.
Du gehst insofern ein beträchtliges finanzielles Risiko ein mit einer Zivilklage, und selbst wenn der voraussichtliche Streitwert unter der Zuständigkeitsgrenze für das Landgericht liegen sollte, würde ich dir nicht empfehlen, ohne anwaltlichen Beistand vor dem Amtsgericht eine Klage anzustrengen.
Und bitte sei dir auch im Klaren darüber, dass du die gesamte Beweislast für den behaupteten Schaden trägst. Dazu gehört auch die Kausalität (Ursachenzusammenhang). Du kannst also keinen Schadensersatz verlangen für Schäden, die nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der unterlassenen Behandlung stehen.
Beispiel:
Deine Katze ist am 01.02. von einem Auto erfasst und überfahren worden, als sie gerade Freigang hatte. Du warst vorher, am 31.01., bei dem beklagten Tierarzt, der fehlerhaft einen einfachen Husten diagnostiziert hatte und nicht die nur im Wege der Operation behandelbare Inhalation eines Fremdkörpers, der den Husten verursacht, aber zu einem Schaden an der Luftröhre führt. Im Fall einer korrekten Diagnose wäre die OP am nachfolgenden Tag, dem 1.2., möglich und notwendig gewesen, so dass deine Katze beim TA im OP gewesen wäre und nicht dem Auto zum Opfer gefallen wäre.
Hier fehlt es an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Autounfall und der Fehlerhaftigkeit der Diagnose, weil zu viele andere kausale Möglichkeiten dazwischen stehen. Das ist wie mit dem Sack Reis in China. ^^
Schon im Bereich der Humanmedizin ist es für den Patienten schwierig, einen sog. Kunstfehler des behandelnden Arztes nachzuweisen und einen Schadensersatzprozess zu führen. Dabei gibt es dort zugunsten der Patienten bereits einige Beweiserleichterungen.
Bei Kunstfehlern in der Tiermedizin gibt es weder solche Beweiserleichterungen noch die ausführlichen Dokumentationspflichten, wie sie in der Humanmedizin vorgeschrieben sind.
Oft bleibt dem TA auch nichts anderes übrig, als im Nebel zu stochern, denn es ist oft auch so, dass die für eine genauere Diagnose notwendige Gerätemedizin vom Patientenbesitzer (Auftraggeber des Tierarztes) nicht angewendet werden soll, weil sie dem Dosi zu teuer ist.
Wo in der Humanmedizin im Regelfall die Krankenkasse diagnostische Verfahren wie CT, MRT etc. bezahlt, muss der Patientenbesitzer beim TA selbst (und sehr tief!) in die Tasche greifen.
Viele Tierhalter wollen oder können das nicht, und so können nicht alle in Frage kommenden Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden. Mit der Folge, dass in einem Gerichtsverfahren die Kausalkette u. U. nicht geschlossen werden kann und der Prozess gegen den TA verloren geht.
Wenn du all diese Dinge berücksichtigst und trotzdem sicher bist, dass du Klage erheben willst: nur zu. Aber bitte rechne damit, dass du - ich unterstelle mal einen Streitwert fürs Amtsgericht - trotzdem eine vierstellige Summe in Euro bewegen musst, um für die Anwaltskosten der Gegenseite und die Gerichtskosten, die du im Unterliegensfall trägst, aufzukommen.
Und falls du die erste Instanz gewinnst und der Tierarzt in Berufung geht, kannst du trotzdem noch verlieren und musst dann für beide Instanzen die gesamten Kosten tragen (in dem Fall dann auch für deinen eigenen Anwalt, da die Berufung vor dem Landgericht verhandelt wird, mit Anwaltszwang).
Mindestens musst du die Gerichtsgebühren für die erste Instanz (Amtsgericht) auslegen sowie die Kosten für das Sachverständigengutachten und die Auslagen für etwa zu vernehmende Zeugen. Falls du dann den Prozess gewinnst und der Tierarzt nicht in Berufung geht, bekommst du deine Auslagen wieder, im Rahmen des sog. Kostenfestsetzungsverfahrens. Aber auch in dem Fall dauert es eine gewisse Zeit, im günstigsten Fall einige Monate, bis du das Geld wieder hast (Dauer des Gerichtsverfahrens sowie anschließend Dauer des Kostenfestsetzungsverfahrens). Im ungünstigen Fall bleibst du trotz vollständigen Obsiegens auf den Kosten sitzen, sollte im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Tierarzt nichts zu holen sein.
Also: Viel Vergnügen mit deinem Tierarztprozess!
🙂