TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.
Zahnreinigung mit Ultraschallgeräten bei Hunden und Katzen
Merkblatt Nr. 119
2 TVT e. V. Zahnreinigung
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (....)
Erarbeitet vom Arbeitskreis II unter Mitarbeit der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde e.V. und der Fachgruppe Kleintierpraxis des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte e.V.
Verantwortliche Bearbeiter: Dr. med. vet. Heidi Bernauer-Münz1 Dr. med. vet. Burkhard Wendland1 Dr. med. vet. Markus Eickhoff2 Dr. Dr. Peter Fahrenkrug2 Dr. med. vet. Petra Sindern3 Dr. med. vet. Stefan Gabriel3
(Stand: Febr. 2009)
Zunehmend bieten Hundepflegesalons eine „professionelle Zahnreinigung mittels Ult- raschall“ an. Dabei wird betont, dass diese Zahnreinigung für die Tiere ohne Narkose erfolgt, weil Narkosen angeblich Nebenwirkungen hätten und schädlich für die Tiere sein könnten. Das veranlasste die „Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz“ und die „Deutsche Gesellschaft für Tierzahnheilkunde“ und den „Bundesverband praktizie- render Tierärzte“ dieses Merkblatt zu erarbeiten, um der Öffentlichkeit sachliche In- formationen über eine medizinisch korrekte professionelle Zahnreinigung zu geben. Auch Amtstierärzten soll dieses Merkblatt gesicherte Informationen liefern, um gezielt gegen tierquälerische Handlungen in den Hundesalons vorgehen zu können.
Vier von fünf Hunden und Katzen entwickeln im Lauf ihres Lebens parodontale Er- krankungen, durch welche es zu einer mehr oder minder schnellen entzündlichen Zerstörung des Zahnfleisches, Zahnhalteapparates und Kieferknochens kommt, was letztlich zum Zahnverlust führt.
Die lokale bakterielle Belastung durch Zahnbeläge und Zahnstein kann, neben der intraoralen Schädigung des Maulhöhlengewebes durch Ausbreitung der Bakterien über den Blutkreislauf zu entzündlichen Veränderungen an den Herzklappen und zu Miniabszessen in den Nieren und in der Leber führen.
Daher sollte neben häuslicher Zahnpflege jährlich mindestens eine Kontrolle der Maulgesundheit von Hund und Katze in der Tierarztpraxis erfolgen, um eine not- wendige Behandlungsbedürftigkeit rechtzeitig zu erkennen.
Hauptaspekt der tierärztlichen Parodontalbehandlung ist die profunde Vorbereitung des Gebisses für eine kontinuierliche häusliche Zahnpflege durch die Besitzer. Oft stellt bereits eine für die Behandlung notwendige vorausgehende Diagnostik mit Sondierung und Kontrolle der Zahnfleischtaschen aufgrund Schmerzhaftigkeit und Panikreaktionen sensibler Patienten einen belastenden Eingriff dar. Dieser kann nur unter Sedierung / Narkose erbracht werden, welche für die häufig erforderliche Er- stellung von Zahnröntgen-aufnahmen ohnehin nach Röntgen- und Strahlenschutz- verordnung obligatorisch ist.
Daher ist eine korrekt durchgeführte Parodontalbehandlung, d.h. die Reinigung von Krone und Wurzel von Auflagerungen, Belägen und Zahnstein und ggf. die Entfer- nung nicht erhaltungsfähiger Zähne, erst Recht nicht ohne Anästhesie möglich. Belä- ge und Auflagerungen auf den Wurzeln werden ohne Narkose in keinem Fall erreicht. Eine halbherzige Parodontalbehandlung ist jedoch nutzlos, denn sie fördert nur die weitere Ausbreitung schon bestehender Schäden.
Die Entfernung von Zahnstein lediglich an der Zahnkrone, wie sie in Hundesalons angeboten wird, ist reine Kosmetik und keine medizinische Behandlung. Sie führt in grob fahrlässiger Weise zur Erhaltung und Förderung eines chronischen Entzün- dungsherdes und kaschiert eine zugrunde liegende Problematik. Sie führt damit zum Schaden des Tieres und zur fortschreitenden parodontalen Erkrankung mit Zerstö- rung von Zahnhaltefasern, Kieferknochen und Zähnen. Außerdem erzeugt eine Be- arbeitung von Zahnoberflächen mit dem Ultraschallgerät mikroskopische Kratzer auf der Schmelzoberfläche, die eine nachfolgende sorgfältige Politur, auch unterhalb des Zahnfleischsaumes im subgingivalen Bereich, zwingend erfordern. Diese kann fach- lich korrekt nur am entspannt gelagerten Kopf des Tieres erfolgen.
Folglich ist eine Neuroleptanalgesie (Vollnarkose) erforderlich. Eine Anwendung des Ultraschallzahnsteinentfernungsgerätes ohne nachfolgende Politur ist ein Kunstfehler und schädigt das Gebiss. Die nicht sachgerechte laienhafte Zahnsteinentfernung be- günstigt vielmehr die erneute Anheftung von Zahnstein an der rauen Oberfläche der fehlbehandelten Zähne
Beim Menschen erfolgt die Entfernung von Belägen und Zahnstein an der Zahnkrone und in flachen Taschen in der Regel ohne Narkose. Über sein Bewusstsein ist es dem Menschen möglich, den Eingriff und die damit verbundenen geringgradigen Schmerzen zu verarbeiten. Bei der Reinigung tiefer Taschen oder der Extraktion von Zähnen werden auch beim Menschen schmerzausschaltende Verfahren in Form ei- ner Lokalanästhesie notwendig,
Deshalb greift hier der § 5 (2) des Tierschutzgesetzes nicht:
„Eine Betäubung ist nicht erforderlich,
1. wennbeivergleichbarenEingriffenamMenscheneineBetäubunginderRegel
unterbleibt oder der mit dem Eingriff verbundene Schmerz geringfügiger ist als die mit einer Betäubung verbundene Beeinträchtigung des Befindens des Tie- res.“
Tiere können den Eingriff und die damit verbundenen Schmerzen nicht einordnen und verarbeiten. Zum Entfernen des Zahnsteines ist eine Fixierung des Kopfes und eine Sperrung des Maules notwendig, um sicher alle inneren und äußeren Seiten aller Zähne zu erreichen. Die Töne des Ultraschallgerätes werden von Hunden und Katzen aufgrund ihres Hörvermögens anders als beim Menschen als besonders un- angenehm empfunden. Auch das Wasser, das als Kühlung der Ultraschallsonde ge- spült wird, wird als extreme Belastung von den Tieren empfunden, die Panik auslö- sen kann. Wenn also der Eingriff ohne Narkose durchgeführt wird, kann dies zu Ab- wehrbewegungen führen, die schwere Verletzungen der Tiere und auch des behan- delnden Personals nach sich ziehen können.
Diese vier Probleme, nämlich die erforderliche Fixation, der unangenehme Ge- räuschpegel, das Einsprühen von Wasser in die Maulhöhle und vor allem der Schmerz bei Berührung und Sondierung chronisch entzündlicher Gewebe, führen zu einer extremen Stresssituation bei dem behandelten Tier und sind nur in Narkose auszuhalten.
Ohne Narkose werden dem Tier tierschutzrelevante Schmerzen zugefügt. Die Be- handlungen können so nachfolgend zu gravierenden Verhaltensstörungen wie z.B. Kopfscheuigkeit und Angstzuständen führen.
Professionelle Zahnreinigung bei Hunden und Katzen setzt eine von Tierärzten durchgeführte Narkose voraus. Die fachgerechte Diagnostik der Zahn- und Parodon- talerkrankungen und pathologischen Veränderungen in der Maulhöhle kann nicht von Laien vorgenommen werden. Sie erfordert eine profunde invasive Untersuchung in Narkose. Das Nichterkennen und Belassen der entzündlichen Veränderungen an Zähnen und im Kiefer stellt ein weit größeres Risiko für die Allgemeingesundheit des Tieres dar als eine gut geführte und kontrollierte Narkose durch einen Tierarzt. Nar- kosen bei Hunden und Katzen sind heute selbst bei Risikopatienten mit hoher Si- cherheit durchführbar.
Laienhafte Zahnkosmetik ohne Narkose mit unzureichender Diagnostik und Therapie gefährdet das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere, ist des- halb tierschutzwidrig und somit zu untersagen.
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