Mein letzter Eintrag über die Zusammenführung von einer älteren Freigängerin und zwei Jungkatzen stammt vom Mai 2014.
Jetzt schreibe ich tatsächlich das letzte Mal darüber, weil die Geschichte zu Ende gegangen ist.
Wir haben Mietz heute einschläfern lassen.
Entschuldigt, dass jetzt ein ziemlich langer Text kommt. Ob er gelesen wird, ist im Moment für mich zweitrangig, aber es hilft mir sehr, das Ganze herunterzuschreiben und dabei zu erinnern und zu reflektieren, weil ich so traurig bin.
Ich schließe einfach an meinen Eintrag vom Mai 2016 an.
Über den Sommer 2014 hatten sich die Schwierigkeiten gelegt, die drei liebten sich vielleicht nicht gerade, aber es gab eine Art Burgfrieden untereinander. Zum Teil lag es wohl daran, dass die Kleinen größer und selbstbewusster wurden und auch mal zurückfauchten. Die kluge Mietz hat sie schließlich lieber ignoriert als einen eventuellen Kampf zu provozieren.
Gefressen haben sie nebeneinander, geschlafen manchmal ebenfalls, allerdings meist aus Versehen.
Daraufhin haben wir die Katzenklappe auch für Mietz in beide Richtungen zugänglich gemacht, so dass sie genauso kommen und gehen konnte wie die herangewachsenen Kleinchen. Fremde Kater aber mussten draußen bleiben.
Als es zum Herbst ungemütlich wurde, war Mietz die Friedlichste von allen und genoss einfach nur die Wärme und Geborgenheit.
Gerangel gab es eher unter den Jüngeren. Die mochten in der Kälte nicht raus und bauten ihren Energiestau von Zeit zu Zeit recht unsanft untereinander ab, Fellfetzen flogen zum Glück nie dabei.
Das nächste Jahr (2015) ging völlig ohne Probleme ins Land, ein harmonischer Drei-Katzenhaushalt mit drei verschiedenen Persönlichkeiten – genauso, wie man es sich wünscht.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich deshalb an dieses Forum überhaupt nicht mehr dachte.
Anfang 2016 drehten sich die „Herrschaftsverhältnisse“ allmählich um.
In der Küche ist Stella eindeutig zur Bestimmerin geworden. Wenn sie an einen Napf möchte, weichen die anderen zurück, nicht weil sie gefaucht oder gar geschlagen hätte, sondern weil sie am Schwanz der anderen schnupperte bis diese sich umdrehte – schwupps war Stella über dem Napf. Nach einer Weile machten die anderen Platz, sobald Stella nur erschien. Meistens ist sie sowieso vor den anderen zur Stelle.
Die Welt draußen scheint Luna für sich erobert zu haben. Sie kommt oft nass oder dreckig nach Hause - pennt, schmust, frisst und verschwindet wieder. Einmal habe ich sie hoch oben in der Weide in einem Disput mit einem Raben gesehen, der genauso groß war wie sie und nicht im mindesten gedachte, sie wieder hinunter zu lassen. Ein anderes Mal kam sie (wie häufig durchnässt) mit einem großen Fisch daher, der nur aus dem Dorfweiher stammen konnte.
Bei Gewitter kommt sie erst herein, wenn es in Strömen regnet, schüttelt sich, verlangt abgetrocknet zu werden und döst dann so ungerührt wie Mietz bis es vorbei ist.
Stella dagegen reagiert auf Donner und Blitze fast panisch und versteckt sich unter dem Bett oder draußen unter dem Auto.
Mietz machte je nach Wetterlage kürzere Ausflüge, fing die eine oder andere Maus, besuchte den Bauern, bei dem sie ja lange gewohnt hatte, schlief manchmal dort in der Scheune, manchmal in der Sonne auf der Bank vor unserem Haus aber meistens irgendwo in unserer Nähe.
Sie wirkte wie eine nette ältliche Tante, die gesellschaftliche Verpflichtungen hat und etwas ruhebedürftig ist.
Im Frühsommer 2016 bekam Mietz einen epileptischen Anfall.
Sie sprang plötzlich auf, raste hinaus und schaffte es gerade noch durch die Katzenklappe. Auf der Haustürschwelle wand sie sich in schrecklichen Krämpfen.
Ich dachte sie stirbt und konnte nur noch heulen.
Kurz darauf war der Spuk vorbei. Sie stand auf, strich mir um die Beine, gab Köpfchen und wirkte wie immer.
Dass wir sie sofort einpackten und zum Tierarzt verfrachteten, fand sie, nach ihren Lautäußerungen zu urteilen, wohl ziemlich empörend.
Ein Blutbild wurde gemacht, organisch war alles in Ordnung.
Laut Tierärztin gibt es wohl Epilepsie-Medikamente, die allerdings starke Nebenwirkungen haben. Bei dem Alter der Katze riet sie uns abzuwarten, ob sich die Anfälle häufen.
Wir haben keinen weiteren erlebt.
Allerdings wurde Mietz etwas tüttelig. Manchmal hielt sie in der Bewegung inne, als müsste sie überlegen, was sie gerade wollte. Sie hörte immer schlechter und konnte auch nicht mehr gut sehen. Das Futter musste man ihr oft direkt vor die Nase stellen und sie schlief sehr viel. Ab und zu zog sie sich zurück.
Bis letzten Mittwoch nahm sie noch an allem teil, was im Haus passierte.
Sie begrüßte von sich aus den Besuch und ließ sich von ihm kraulen, kam hinterher, wenn die Kleinchen nach dem Futterpfiff in die Küche stürmten und kratzte zur Spielfilmzeit vehement an meinem Stuhl damit ich Feierabend mache und mich mit ihr aufs Sofa lege.
Vor vier Tagen hat sie noch gefressen, nicht viel aber doch ganz gerne und sie schlief entspannt auf der Seite.
Vor drei Tagen erkannte sie das Futter erst, nachdem ich es auf einem Löffel vor ihrer Nase hin und her wedelte. Als sie aufstand um zu trinken, kam sie mir wackelig vor. Das Katzenklo steht im oberen Stockwerk, ich Doof habe es vorsichtshalber heruntergeholt und ihr gezeigt. Später fand ich oben einen kleinen See, genau dort wo sonst das Katzenklo gestanden hatte – die Arme.
Gestern Abend verharrte sie nur noch in Kauerstellung mit gesträubter Rückenlinie, das sah nicht glücklich aus, sondern nach Schmerzen. Ein bisschen Sahne hat sie geschleckt und dann ausgiebig mit mir geschmust. Sie war so furchtbar leicht. Ein Teil von mir ahnte, dass sie nicht mehr lange leben würde, der andere Teil war entschlossen mit allen Mitteln zu kämpfen.
Heute Morgen hatte sie sich unter dem Sofa verkrochen. Sie wollte gar nichts mehr zu sich nehmen, nicht einmal frisch gekochte Katzenhühnersuppe, hat nur den Kopf weggedreht.
Beim Tierarzt stellte sich ein schlimmer Leberschaden heraus und eine etwas vergrößerte Niere. Ein paar Monate zuvor waren alle Werte noch in Ordnung gewesen, so schnell kann das gehen. Bei einem jüngeren Tier hätte man versuchen können, zumindest aufhaltend zu wirken, aber bei ihr, einer Seniorin, die außerdem taub ist und nicht mehr gut sieht ...
Es wäre eventuell eine kurzfristige Verlängerung möglich gewesen, keine Heilung und keine Garantie auf leidensfreie Zusatztage.
Zwei Mal habe ich zu lange gezögert, ein Tier von seinen Leiden zu erlösen, bevor es wirklich furchtbar wurde.
Dieses Mal nicht.
Mietz ist jetzt eingeschlafen und hat auf jeden Fall keine Angst und keine Schmerzen mehr.
Ich vermisse, wie sie mich ansah, ich vermisse die weiße Schwanzspitze, an der man sie auch im dunklen Garten ausmachen konnte, ich vermisse, dass sie mich durch und durch kannte, ich vermisse, wie sie sich an mich schmiegte, ihr Fell unter meinen Händen und auch ihren viel zu leichten Körper.
Die gar nicht mehr kleinen Kleinchen müssen sich in nächster Zeit auf Zärtlichkeitsatacken meinerseits gefasst machen.
Sie sind, jede in ihrer Weise, natürlich völlig anders als Mietz, aber zum Glück sind sie da.
Traurige Grüße
melisma