Ich habe in meinem Lehrbuch über Infektionskrankheiten zum Thema Parvovirus (Katzenseuche, feline Panleukopenie) etwas zum Thema Ataxie bei Kitten gefunden:
Eine Sonderform der felinen Parvovirus-Infektion stellt die feline Ataxie (zerebellare Ataxie) dar. Bei Infektionen trächtiger Kätzinnen werden meist die Feten infiziert. Intrauterine Infektion der Feten im ersten Drittel der Trächtigkeit kann zu fötalem Tod und Fruchtresorption oder Geburt mumifizierter Föten führen. Infektionen im mittleren Teil der Trächtigkeit haben Aborte zur Folge. Tritt die Infektion später in der Trächtigkeit auf, kommt es zur Geburt von lebenden Welpen mit unterschiedlichen Schädigungsgraden (auch innerhalb eines Wurfs) des sich spät entwickelnden neuralen Gewebes. Einige Welpen sind durch angeborene Resistenz oder erworbene maternale Antikörper nicht erkrankt, können das Virus aber für acht bis neun Wochen latent in sich tragen. Andere Welpen zeigen Schädigungen des zentralen Nervensystems (v. a. des Zerebellums), seltener des nervus opticus und/oder der Retina. Die Virusreplikation in den Purkinjezellen des fetalen Kleinhirns führt zur Kleinhirnhypoplasie und daraus resultierend zum Krankheitsbild der felinen Ataxie. Die Katzenwelpen zeigen nach der Geburt eine charakteristische Hypermetrie, Ataxie, Inkoordination und häufig Intentionstremor. Die Störungen fallen häufig erst zwei bis drei Wochen nach der Geburt auf, wenn die Kätzchen zu laufen beginnen, und treten in Ruhe meist nicht auf. Die Symptome bleiben bestehen, die Tiere können sie aber teilweise kompensieren und trotzdem heranwachsen. Bei Schädigung des Großhirns überwiegen Symptome wie Anfälle und Verhaltensänderungen bei weitgehend normalem Gang und Defiziten in den Haltungsreflexen. Eine Reduktion und Verformung der Zellschichten während der Entwicklung der Hirnhäute ist auch noch bei einer postnatalen Infektion bis zum Alter von neun Tagen möglich. Bei bis zu 30% der Welpen mit neurologischen Störungen und gelegentlich auch bei klinisch unauffälligen Welpen werden Schädigungen der Retina festgestellt. Die Zerstörung der Zellen der Retina führt zu einer Retinadysplasie ohne Verlust der Sehschärfe. Neben dem Nervengewebe sind häufig auch Lymphgewebe (v. a. Thymus) und Knochenmark bei Kätzchen mit feliner Ataxie infiziert und verändert.
Hartmann/Hein, Infektionskrankheiten der Katze, Hannover 2008, S. 90
Weiterhin kommt Ataxie als Symptom auch bei der Borna´schen Krankheit vor (Erreger: Borna-Disease-Virus, BDV):
Die klinischen Symptome variieren je nach Tierart von schweren, meist tödlichen ZNS-Veränderungen (Letalität beim Pferd bis 90%) über vorübergehende Störungen in Bewegung und Koordination oder abnormem Verhalten bis zu persistierenden, klinisch inapparenten Infektionen. Eine zunehmende Bedeutung hat die Borna´sche Krankheit bei Katzen in Nordeuropa. In Schweden gilt die Borna´sche Krankheit mittlerweile als am häufigsten diagsnostizierte entzündliche ZNS-Erkrankung bei Katzen.
Ein neurologische Syndrom bei der Katze, das durch Verhaltensänderung, unsicheren Gang, progressive Ataxie und Parese gekennzeichnet ist, wurde früher als staggering disease bezeichnet. Die Ätiologie war lange Zeit ungeklärt. Inzwischen ist nachgewiesen, dass diese Katzen hohe Antikörperkonzentrationen gegen Borna-Viren haben, so dass eine Infektion mit BDV als Ursache vermutet wird und die Krankheit heute als Borna-disease-like-menigoencephalomyelitis oder feline Borna-disease (FBD) bezeichnet wird.
Beide Zitate: Hartmann/Hein a. a. O., S. 119
FBD kommt aber augenscheinlich vor allem bei adulten Tieren vor, so dass bei den blinden Kätzchen eher eine Parvoinfektion im Mutterleib wahrscheinlich erscheint.
FBD kann mittels eines PCR post mortem positiv festgestellt werden; ELISA-Testverfahren beim lebenden Tier sind teilweise falsch negativ (so dass das Tier dennoch infiziert sein könnte). Eine Therapie gibt es lt. Hartmann/Hein nicht. Bei der Erkrankung besteht eine gesetzliche Meldepflicht (am verbreitetsten wohl bei Schafen und Pferden).
Parvo dagegen ist schon lange bekannt, und es besteht eine sehr wirksame und verträgliche Impfung (Impfung gegen Katzenseuche; als Kombiimpfstoff mit Katzenschnupfen gängigste Impfung bei Katzen überhaupt).
Da das Parvovirus durch die Ausscheidungen der infizierten Katzen übertragen wird und sich sehr lange in der Umwelt hält, auch gegen Reinigungsmittel sehr resistent ist, ist gerade bei Tierpensionen und Tierheimen eine strikte Quarantäne und Hygiene notwendig, um den übrigen Katzenbestand zu schützen.
Bei Kraft/Dürr, Katzenkrankheiten (2003) sind die Ausführungen zu Parvo leider deutlich kürzer gehalten als bei Hartmann/Hein, bestätigen aber die Ausführungen von Hartmann/Hein. Weitere Verweise zum Stichwort "Ataxie" als zur Felinen Panleukopenie finden sich bei Kraft/Dürr nicht, so dass das Erscheinungsbild der Ataxie offenbar weit überwiegend bei einer Parvoinfektion der Katze eine Rolle spielt.
Ich gehe daher davon aus, dass sich die Kitten tatsächlich im Mutterleib infiziert haben und dass die Blindheit auf die von Hartmann/Hein beschriebene Schädigung des Sehnervs zurück geht. Die Epilepsie der anderen, inzwischen verstorbenen Kitten, könnte auf die von Hartmann/Hein beschriebene Schädigung des Großhirns zurückzuführen sein.
Wegen der Frage, ob die Unsauberkeit von Kot und Urin vielleicht mit der Ataxie zusammen hängen könnte, würde ich einen fachlich versierten Kleintierpraktiker, vorzugsweise einen Internisten (und am besten wirklich eine universitäte Kleintierklinik) kontaktieren.
Habt ihr das Ausscheidungsverhalten der Katzen beobachtet? Hocken sie sich ausdrücklich hin zum Koten und zum Urinieren, oder verlieren sie Kot bzw. Urin, wo sie gehen und stehen? Können sie also die entsprechenden Muskeln vollständig kontrollieren?
Was vielleicht noch eine denkbare Möglichkeit wäre in Hinblick auf die Alltagstauglichkeit und eine potentielle Vermittlung der Kitten:
Bei Katzen, die durch einen Unfall querschnittsgelähmt und dadurch permanent inkontinent sind, verwendet man teilweise Windeln, die die Katzen auch gut akzeptieren. Man kann ausdrücklich für kleine Hunde gedachte Windeln verwenden, oder sonst Babywindeln für neugeborene Menschenbabys, die "verkehrt herum" (Vorderseite der Windel mit den Verschlussstreifen auf den Rücken des Tieres; passend ein Kreuz als Loch für den Schwanz reinschneiden) angelegt werden.