Hm, bloß was ist mit dem armen, einsamen Baby, bis es kastriert ist und groß/alt genug, um Freigänger zu werden?
Es verpaßt seine Kindheit, seine Jugend. Es verpaßt ein halbes Jahr lang 24/7 alles, was zu einem Katzenleben ZWINGEND dazugehört.
Es hat keine Sozialisation, welches es auf ein Leben draußen, im Zusammentreffen mit anderen Katzen, vorbereitet.
Ergo wird es ein einsamer Freigänger. Denn es kann mit den anderen Katzen und Katern dann später nicht umgehen, nicht gescheit kommunizieren.
Och, sagt dann Otto Normalkatzenhalter, das wird aber auch überbewertet mit dem Zuwarten bis zur Kastration und lässt auch 10-15 Wochen junge Kitten draußen herumspringen.
Den Fall hatten wir hier letztes Jahr - und dieses Jahr auch schon zweimal.
Der letztjährige Kater hat es wie durch ein Wunder (und dank unzähliger Vollbremsmanöver und Beinahe-Auffahrunfälle der tierlieben Fraktion unter den Nachbarn) geschafft, diesen Sommer zu erreichen.
Und heut hör ich wie Frau Nachbarin sich beim Herrn Nachbarn beschwert, dass der Kater bei der Kontaktaufnahme zu einer anderen Katze das volle Programm abgezogen hat, angefangen mit Anstarren, Fell sträuben, Anfauchen und Anspucken und sich dann an die Gurgel gehen.
Wo der sich denn solche Unsitten abgeschaut habe... Die vier Norweger im Nachbarsgarten (sie meint unsere) würden doch ganz lieb miteinander, und wieso dann ihrer nicht? Immerhin ist er ja Halb-Norweger. Oder -Sibierer. So genau wussten sie es nicht, aber billig war er, das war wichtig...
Ja, und woher hat der Kater nun solche Umgangsformen?
Nun, bei uns laufen außer ihm derzeit drei Freigänger herum und ein Streuner.
Die drei Freigänger sind allesamt eingefleischte Einzelkatzen und das höchste der Gefühle für sie ist, mit zwei Metern Abstand aneinander vorbeizulaufen und nicht zu fauchen.
Der Streuner ist ein Rüpel ohne jegliche Manieren und hat nach dem Zuzug erstmal alle Katzen hier nach Strich und Faden vermöbelt und scheint immer noch ein wenig Hormongsteuert zu sein, obwohl seine Kastra schon drei Monate zurückliegt.
Ach ja, und die beiden jungen Katzen, die dieses Frühjahr hier aufgetaucht sind (selbstverständlich unkastriert - sie jodelte gottserbärmlich die Lunge aus dem Leib und er, der drei Wochen später auftauchte, als sie schon von der Bildfläche verschwunden war, markierte zielgerichtet hier die Haustüren aller Katzenbesitzer) verschwanden beide jeweils nach 4-6 Wochen nach erstmaliger Sichtung wieder.
Keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist.
Vor dem Hintergrund kann ich wirklich jeden verstehen, der seine Katzen lieber in der Wohnung hält (aber vorzugsweise mit gesichertem Balkon oder noch besser, Garten).
Aber:
Niemals alleine.
Dann lieber zu jung in Freilauf mit allen Risiken (bei einer recht aktuellen Studie, bei der Verkehrsunfälle von Katzen untersucht wurden, zeigte sich, dass 46% der Katzen, die einen Verkehrsunfall hatten, zwischen 7 Monaten und 2 Jahre alt gewesen waren; eine andere Studie fand heraus, dass die Gefahr, einen Autounfall zu haben, für Katzen mit jedem vollendeten Lebensjahr um 16% sinkt).
Wenigstens den Hauch einer Chance auf Interaktion mit Artgenossen und die Chance, die gefährlichsten ersten zwei Lebensjahre zu überstehen, als von unwissender Menschenhand zum tierischen Autisten gemacht zu werden.
Wer unbedingt nur eine einzige Katze haben will, der soll losgehen ins Tierheim und zum Tierschutz - es gibt leider genügend Katzen, die durch Einzelhaltung als Kitten zu Sozialkrüppeln gemacht wurden.
Gebt diesen Katzen ein zu Hause - aber erzeugt nicht noch mehr Leid!
Und wer ein Kitten hat - fackelt nicht lange und holt euch ein zweites, gleichgeschlechtliches dazu (iso leben nämlich auch 95% der Katzen in freier Wildbahn) - einen Mangel an Kitten aus dem Tierschutz gibt es wahrlich nicht!
Nur einen Mangel an Empathie, Liebe, Verstand und - Lernbereitschaft.