... diese Katze hatte ich für 4 Tage:
Vorletztes Jahr, eines Morgens im Außendienst, bin ich ihm begegnet: auf dem Weg zu einem Kunden stand er. Er war schön, er war freundlich, und er sprach mich direkt an. Ein ausgewachsener Bengalkater, kupferrot und dunkelkupferrot getigert, mit türkisfarbenen Augen. Ein wunderschönes, großes Tier. Ich war hin und weg.
Aber unter Zeitdruck. Schelle an bei der Kundin, und wer kommt, kaum daß ich die Wohnung betreten habe, freudestrahlend über den Balkon in die Erdgeschoßwohnung reingehüpft und begrüßt mich nochmal? Richtig, der schöne Bengalese 🙂
Ich erwähne der Kundin gegenüber, daß wir uns schon draußen kennengelernt haben, und zu meiner grenzenlosen Überraschung fragt sie mich "wollen Sie den haben?" Ich denk ich hör nicht richtig, und ohne groß nachzudenken sag ich "na klar, und falls Sie mir dafür heute nachmittag nochmal die Tür aufmachen, wenn ich hier fertig bin, und vielleicht noch nen Katzenkorb leihen bis morgen ...". Sie sagt zu allem ja und amen. Zwischen den anderen Terminen überrumpele ich telefonisch meinen Freund mit der Nachricht über Zuwachs.
Warum will die Frau den Kater loswerden? Naja. Zuviel Tiere auf 60qm. Er kam zuletzt dazu, soll ein Rabauke sein und alle anderen vermöbeln. 2 Jahre alt ist er. Prima, denke ich, wenn er so rabiat ist, dann hat er ne reelle Chance, langfristig neben Bärchen, meiner rauflustigen Primadonna, zu bestehen. Als Zweitkatze muß er schon vom gleichen Kaliber sein, sonst macht sie ne Dose Whiskas draus. Außerdem hatte ich die Idee, daß er "Bezugskatze" für meinen Freund sein könnte, denn Bärchen kann als Haustier ziemlich frustrierend sein für jeden außer mir. Eben weil sie arg personenbezogen ist.
Okay. Soweit alles bestens. Angeblich hat die Frau bereits übers Internet mehrfach vergeblich versucht, den Kater in gute Hände abzugeben. Eins paßt mir allerdings von vornherein nicht in den Kram - nämlich der Gesichtsausdruck ihrer Tochter in dem Moment, als ich auftauche, um den Kater abzuholen. Den Ausdruck oder einen so ähnlichen kannte ich persönlich, und ich war mir ziemlich sicher, daß das Mädel nix davon wußte, daß der Kater weg sollte. (Vor Jahrzehnten hat meine Mutter meine erste Katze, als ich mit der Schulklasse in einer Jugendherberge war, einfach abgegeben, und als ich wiederkam, war sie weg.) In dem Moment jedenfalls setzte ich mich über eventuelle Familienzwistigkeiten einfach hinweg und nehme den Kater, wie besprochen, mit.
Wir haben zwei baulich voneinander getrennte Wohnungen in einem Haus, und so kann ich die beiden Katzen separat halten, bis der Neue, Mio, sich etwas auskennt, so dachte ich mir das, damit er bei der ersten Begegnung weiß, wohin er zur Not flüchten kann, und ich war mir sicher, er würde Fluchtpunkte brauchen. Bei einer über 10jährige Einzelgängerin und einem herumgeschubsten Zweijährigen gibt's wohl kaum Liebe auf den ersten Blick, darauf war ich eingestellt.
Nun gut. Der Schöne verkriecht sich 2 Tage in meinem Kleiderschrank und fängt dann tatsächlich an, sich zuerst mit meinem Freund anzufreunden. Klasse, denk ich, so hat er auch seinen Rückhalt.
Am 4. Tag ruft die Kundin mich an: tjaaaaa tut ihr ja so leid, aber sie hätte ne Bitte, ob sie den Kater wiederhaben könnte, ihre Tochter sei ganz krank vor Kummer, geht nicht mehr zur Schule ... wat soll ich sagen, DAS Elend kannte ich ja. Passense auf gute Frau, sach ich, besser nen Ende mit Schrecken als nen Schrecken ohne Ende, ich bring den Kater heute abend noch zurück, bevor er und mein Mann sich noch mehr anfreunden.
Gesagt, getan. Wieder 70km lauter Katzenjammer im Auto. Ziemlich knurrig liefere ich den Kater wieder ab und kann mir nicht klemmen, noch nen Vortrag dazu mitzuliefern, daß die Frau jetzt gefälligst auch ein für allemal zu ihrem Entschluß stehen möge. Schließlich fiel mir das auch alles nicht leicht. Denn bei mir war's Liebe auf den ersten Blick. Das mußte es sein, sonst hätte ich die ganze Überrumpelungsaktion weder meinem Bärchen noch meinem Mann zugemutet.
Okay. Zeitsprung. Ungefähr ein Jahr später. Der Job ist Geschichte, der Dienstwagen ebenso wie das Einsatzgebiet. Für meine jetzigen Verhältnisse isses das Ende der Welt, echt nur sehr schlecht zu erreichen. Da ruft dieselbe Frau mich an und hat die Stirn, mich zu fragen, ob ich mich an den Kater erinnere und ob ich ihn wiederhaben will .... also ehrlich, hätte ich in diesem Moment noch ein Auto gehabt, wäre ich standrechtlich hingefahren. Um sie zu ohrfeigen ...
Nun ja. So eine Gelegenheit wird sich nicht noch einmal ergeben. Maßgeblich war nämlich irgendwo auch, daß ich kaum Zeit zum drüber Nachdenken hatte. Denn WENN ich drüber nachdenke, komme ich zu dem Schluß, daß ich meinem Einzelbärchen den Streß nicht antun mag. Denn sie duldet keine anderen Götter neben sich. Aber wenn ich mir das ohne wenn und aber einfach so aussuchen könnte, wie's nur MIR gerade paßt, dann wär ER es gewesen. Bestimmt.
Irgendwo muß ich noch ein Foto von dem Schönling haben. Wenn ich's finde, lade ich's mal hoch.