Friedemann Weber ist Professor für Virologie und leitet als Direktor das entsprechende Institut an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Dort forscht er unter anderem zu Corona- und Influenzaviren.
"Im Nachhinein betrachtet waren manche der
Ausgangsregeln höchstwahrscheinlich übertrieben . Parkbänke nur für eine Person, Sperrung von Spielplätzen, Spaziergangsverbot für positiv Getestete. Auch wenn es zur Übertragung im Freien kommen kann, so spielt sie doch eine deutlich geringere Rolle als in Innenräumen.
Der virologische Teil der Expertenkommission zur Evaluation der Maßnahmen wurde mit Akteuren besetzt, die selbst Einfluss auf die Maßnahmen hatten. Egal in welche Richtung das jeweils ging, das ist ein
unguter Interessenkonflikt. In Zukunft sollten neutrale Experten, am besten aus dem Ausland, für solche Evaluationen herangezogen werden."
Gerd Antes war Professor an der Universität Freiburg, Experte für Biometrie und Statistik. Er gilt als einer der Wegbereiter für eine evidenzbasierte Medizin in Deutschland und leitete das
Deutsche Cochrane Zentrum . Dort analysieren Experten, welche klinischen Studien aussagekräftig sind und welche nicht.
"In der Alarmstimmung der ersten Wochen wurde von Anfang an
versäumt , für das Pandemiemanagement und die
notwendigen Entscheidungen den wissenschaftlichen Grundsätzen der Wissensgenerierung aus Daten zu folgen . Damit können elementare Fehler und Unterlassungen auf wissenschaftlichem Lehrbuchniveau verhindert werden.
Die Anwendung dieser Prinzipien ist unverzichtbar für die wissenschafts- und evidenzbasierte Planung und Durchführung von nicht-pharmakologischen Interventionen. Gleiches gilt für die Bewertung derer Wirksamkeit und der damit verbundenen Kollateralschäden. Ein grundlegender Fehler war die Orientierung an einzelnen Kennzahlen für die gesamte Bevölkerung. Einflussfaktoren wie das Alter sollten zwingend beachtet werden. Darstellungen wie exponentielles Wachstum oder Reproduktionsfaktor sind fehleranfällig und müssen korrigiert werden. Der Fokus sollte nicht allein auf der Inzidenz und der Ausbreitungsdynamik liegen, sondern auf deren wissenschaftlich belegtem Zusammenhang mit den Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und gesellschaftliche Effekte.
Eine der
ersten (und versäumten) Aktivitäten hätte die
Bildung einer interdisziplinär besetzten Task Force sein müssen. Aus einer Liste des vorhandenen Wissens und Nichtwissens hätte direkt eine mit Priorität versehene Fragenliste wissenschaftlich beantwortet müssen. So wäre die Grundlage geschaffen worden, um Empfehlungen aus vorhandenem Wissen abzuleiten und Studien zur Reduzierung der Wissenslücken zu initiieren. Die zentralen Fragen waren schnell klar: Wie erfolgt die Ausbreitung, wie ist der Immunstatus der Bevölkerung und welche Maßnahmen reduzieren Ansteckungen? Wie groß sind die Kollateralschäden im Verhältnis zum Nutzen? Eine solche Task Force hätte die extreme Schieflage zwischen unbedingt notwendiger Expertise aus der Infektiologie und Epidemiologie einerseits und Virologie und Physik anderseits verhindern müssen und können.
Einer der zentralen Fehler war die
nicht erfolgte Etablierung einer vertrauensbildenden Kommunikation mit der Bevölkerung . Ein unerklärliches Phänomen war das Fehlen der systematischen Einbeziehung vorhandener Erfahrungen und Materialien. Besonders hervorzuheben ist der
nationale Pandemieplan des RKI , der auf fast 300 Seiten beschreibt, was in einer solchen Situation zu tun ist. Dieser Plan hätte sofort zu Beginn der Pandemie aufgerufen und an die aktuellen Bedingungen angepasst werden müssen. Er sollte fortlaufend aktualisiert werden, basierend auf Erfahrungen wie denen aus der Schweinegrippe, und als Teil einer kontinuierlichen Aufbereitung dienen."
Eins noch zum nachdenken warum wir heute die Inflation unter anderem haben.
Milliardäre sind die Pandemiegewinner