Auf Wiedersehen!
2017 geht zu Ende, und das Personal, das nicht nur seinen Katzen ein treuer dienstbarer Geist ist, hat seinen Urlaub dazu genutzt, krank zu werden. Mit verstopften Nebenhöhlen und schrecklichem Kopfweh zieht es trostlose Runden um das Gradierwerk im Kurpark der Nachbarstadt, gießt sich salziges Wasser in die Nasenlöcher und schluckt Kapseln mit ätherischen Ölen. Ansonsten vegetiert es auf dem Sofa herum und klagt den Katzen sein Leid.
Die Katzen sind heilfroh, als der kränkelnde Jammerlappen am Silvesterabend frühzeitig Oropax einstöpselt und wehleidig verkündet, schlafen gehen zu wollen. Das Gegreine kann einem ja die ganze Feierlaune verderben! Kaum liegt die Spaßbremse im Bett und erfüllt die Wohnung mit sinusitischem Geschnarche, machen sich Flori, Fritz und Henry an die Vorbereitungen für die große Silvesterparty. Henry faltet lustige Partyhüte aus einem Eierkarton, Fritz setzt eine Baldriankissen-Bowle im Wassernapf an und Flori holt eine Tüte Chips aus dem Schrank.
Höhepunkt der wilden Sause ist wie jedes Jahr das traditionelle Streupieseln zum Jahreswechsel. Nachdem man ordentlich Baldrianbowle getankt hat, begeben sich alle gemessenen Schrittes in den Flur, wo die Katzenklos stehen. Jeder nimmt auf einer Kloumrandung Platz (Henry hat ein bisschen zu viel Bowle gepichelt und fällt zweimal rückwärts ins Streu, worauf Fritz ihn ein Weichei nennt, das nix verträgt, was Henry mit der Frage kontert, ob Fritz heute schon eine Klinke im Ohr kassiert habe); der Chefkater ruft schließlich zu mehr Disziplin und Respekt vor der Tradition auf und fragt, ob jetzt alle in Startposition seien.
„Ich schon lange.“ antwortet Fritz und schaut vorwurfsvoll zu seinem schwankenden Sitznachbarn herüber. „Püh.“ macht Henry, und Flori seufzt still und kommandiert dann: „Eins, zwei – pullern!“, worauf alle drei in wunderschön anzusehender Synchronisation ihre vollen Blasen in das sorgfältig glattgezogene Katzenstreu entleeren. Beim Abschütteln verliert Henry wieder das Gleichgewicht, kann sich aber im letzten Moment nach vorne werfen und purzelt kopfüber auf die Matte vor dem Katzenklo. „Weichei.“ brummt Fritz und steigt elegant von seinem Klo herab, um einen Blick auf Henrys Pieselklumpen zu werfen.
„Und?“ fragt Henry aufgeregt und rappelt sich hoch, denn einem alten Katzenaberglauben zufolge kann man in der Silvesternacht aus der Form eines mit Baldrianbowle gepieselten Streuklumpens die Zukunft deuten. Neugierig lugt Henry mit den anderen zusammen über den Rand des Katzenklos. Fritz fängt an zu kichern.
„Sieht aus wie’n Vogel. Ha ha ha, der Vogelversteher hat einen Vogel gepieselt! Das bedeutet, dass du 2018 vom NABU zum Ornithologen honoris causa ernannt wirst!“ „Könnte auch ’ne Taube sein.“ antwortet Henry gehässig. „Eine von diesen großen fetten Ringeltauben, weißt du, vor denen du dich immer unterm Sessel versteckst. Und nächstes Jahr kommt eine von denen durch die Katzenklappe und pickt dich in Stücke.“ „Gar nicht!“ schreit Fritz und erbleicht vor Schreck. „Ringeltauben können nicht durch Katzenklappen, oder, Flori?“ „Nein.“ beruhigt Flori sein verängstigtes Mittier. „Und das ist auch gar keine Ringeltaube. Das ist bestimmt eine Friedenstaube. Sie bedeutet, dass ihr euch nächstes Jahr einfach mal vertragen werdet.“
Fritz und Henry sehen skeptisch aus, und Henry schlägt vor, dass man ja mal gucken könnte, was der Angsthase denn gepieselt habe. Einträchtig gehen alle zu Fritzens Katzenklo und gucken nachdenklich auf den Pieselklumpen. „Hmm.“ macht Flori. „Also, es könnte …“ „Ich weiß, ich weiß!“ schreit Fritz. „Ich weiß, was es ist! Eine Krone! Das ist eine Krone! Ich heirate bestimmt eine Prinzessin! Oder vielleicht sogar beide!“ „Könnte auch ’ne Narrenkappe sein.“ murmelt Henry. „Würd auch viel besser passen.“ „Vielleicht wirst du Karnevalsprinz.“ schlägt Flori vor, bevor die Stimmung wieder eskaliert. „Tätäää.“ macht Henry noch, und Fritz kneift ihn in den Schwanz, als sie zu Floris Klo herüber gehen. Henry quiekt schrill auf und haut Fritz was an die Ohren, und Flori zischt, dass jetzt mal an die prophetische Pieseltaube gedacht werden und Ruhe bewahrt werden solle. Sonst wache das Personal noch auf und ruiniere das schöne Fest.
Einträchtig scharen sich alle um das letzte Klo und gucken neugierig über den Rand, um zu sehen, was der Chefkater ins Streu orakelt hat. Eine Weile herrscht Schweigen. Fritz und Henry tauschen ratlose Blicke.
„Öööhhmm … also, na ja …“ sagt Henry schließlich. „Mal ehrlich, also das sieht aus …“ „Man könnte vielleicht sagen, also jetzt mit ganz viel Fantasie …“ unterbricht ihn Fritz und denkt fieberhaft nach. „Nee.“ meint Henry energisch und schüttelt den Kopf. „Auch mit ganz viel Fantasie nicht. Das ist ein Pullerklumpen, Alter. Ein Pullerklumpen in Form eines Pullerklumpens.“ „Frikadelle?“ schlägt Fritz zaghaft vor. „Pullerklumpen.“ beharrt Henry. „Ein Pullerklumpen ist ein Pullerklumpen ist ein Pullerklumpen. Ist so.“
Flori blickt seine Mitkater voller Chefkaterwürde an. „Da sieht man doch mal wieder, warum ich Chefkater bin und ihr nicht.“ sagt er herablassend. „Weil ihr einfach nix, aber auch gar nix von Symbolik versteht. Von der Botschaft hinter den Dingen. Von der Deutung dessen, was die Welt uns sagen will.“ „Ja, und was will die Welt uns damit sagen?“ fragt Henry. „2018 wird ein Pullerklumpen?“
Mit einem letzten vernichtenden Blick auf seine tumben Untergebenen wendet Flori sich ab. „2018“, spricht er, „gehen wir in den Ruhestand. Und das da, das ist ein Sofakissen. Und ich geh jetzt pennen. Gute Nacht.“
Staunend scharen sich Fritz und Henry nochmal um das Katzenklo. „Er hat Recht.“ flüstert Fritz ehrfürchtig. „Guck doch mal, ein Sofakissen!“ „Ich geh auch pennen.“ sagt Henry und sprintet los. „Erster beim Chefkaterkuscheln!“ „Du bist voll blöd!“ schreit Fritz beleidigt und rennt hinterher.
Aber innerlich, da freut er sich. Auf 2018. Das Jahr des Sofakissens.
Ladies & Gentlemen, es war eine gute Zeit. Wir verabschieden uns, wünschen Euch alles Schöne, Liebe und Gute für 2018 und sagen Auf Wiedersehen: Immer mal so zwischendurch.
Henry + Hirsch
Chefkater bei der Arbeit
Fritz liest den Jahresrückblick
Flori, Fritz & Henry mit Bianka (besser bekannt als Das Personal)
Sie haben mir viele schöne Momente gegeben und mir geholfen Traurige zu überstehen. Unvergessen der Sambabus. Diese Geschichte kam zur richtigen Zeit denn ich musste immer an meinen Victor Laszlo denken und auch kurze Zeit später Luna gehen lassen.
