Hallo Luilu92,
als ich deine Geschichte gelesen habe, wurde ich instintiv an meine erinnert. Im Sommer hatten mein Mann und ich den Wunsch Katzen aufzunehmen. Zwei sollten es sein und ich wollte auch keine typischen Kuschelkatzen, sondern Katzen aufnehmen die sonst keiner haben wollte.
Entschieden hatten wir uns für zwei 3-Beinchen (Straßenkatzen) aus dem Ausland. Den beiden wurde nach einem Unfall jeweils ein Beinchen amputiert. Auf der Straße hätten sie keine Chance gehabt. Mir war klar, dass es nicht einfach werden würde. Kurz bevor sie zu uns kamen musste eine Katze eingeschläfert werden (inoperabler Tumor). Somit kam nur das Katerchen zu uns. Das war Mitte August. Die ersten zwei Wochen war er alleine und hat gefühlt jeden Tag 18 Stunden unter dem Bett verbracht. Da wir ihn nicht alleine lassen wollten haben wir sofort nach einem zweiten Kater gesucht. Der zweite Kater war natürlich auch kein "einfacher" Kater. Der TSV hat ihn als absolutes Scheuchen bezeichnet. Und das war er wirklich. Seit Anfang September ist er bei uns. Er hat die erste Zeit freiwillig in einer Lade verbracht, die hinten ausgeschnitten war. Die hatte er nur in der Nacht verlassen um ein wenig zu fressen und aufs Klo zu gehen. Tagsüber habe ich nichts von ihm mitbekommen.
Mir war bewusst dass es schwierig ist. Ich habe mir aber auch viele Sorgen gemacht ob es gesund ist für die Katzen sich stundenlang nicht zu bewegen und nur nachts aufs Klo zu gehen. Aber man muss es akzeptieren. Ich wollte ihnen nie etwas aufdrängen. Fips der 3-beinige ist dann ab und zu schon mal rausgekommen. Aber immer auf 2 Meter Abstand. Irgendwann war es dann so, das Fips die Tage sogar im Wohnzimmer im Katzenbettchen verbracht hat und Muck das Scheuchen unters Bett gezogen ist. Manchmal war seine Angst so schlimm dass er sich im Bettkasten komplett verkrochen hatte.Oft über Stunden.
Wenn er sich dann mal heraustraute, dann wurde Fips aggressiv und hat Muck gehauen. Das hat den kleinen Muck natürlich noch mehr eingeschüchtert. Es hat Tage gegeben da war ich echt verzweifelt und habe meine Entscheidung angezweifelt. Ich konnte keinen der beiden irgendwie berühren oder streicheln. Fips hat den Straßenkater voll raushängen lassen und war immer öfter aggressiv Muck gegenüber. Wenn sich Muck mal in den Abendstunden aus seinem Versteck rausgetraut hatte, bekam er wieder eine gewischt von Fips. Und Muck hatte sich nie gewehrt. Er hat denke ich still gelitten. Ich glaube beide haben gelitten.
Vor allem hatte ich auch immer öfter den Eindruck das Fips unglücklich in der Wohnung war. Mir gegenüber ist Fips ein klein wenig aufgetaut nach ungefähr 6-8 Wochen. Streicheln konnte ich ihn nicht, aber er war immer in meiner Nähe wenn es Futter gab. Mein Mann konnte keine Beziehung zu ihm aufbauen. Kaum hatte Fips ihn gesehen, war er ganz schnell weg.
Wir haben uns dann schweren Herzens entschieden Fips zu den Tierschützerinnen zurückzugeben. Das Verhältnis zwischen beiden Katzen wurde immer schlechter und er hat wirklich in der Wohnung gelitten. Das hat mir sehr wehgetan und gleichzeitig habe ich mich als Versagerin gefühlt. Ich wollte einer Katze mit Handicap ein zu Hause geben und es hatte nicht funktioniert.
Muck hat sich aber seitdem stark verändert. Er ist regelrecht aufgeblüht. Und als er das erste Mal vor dem Futter geben um meine Beine gestrichen ist habe ich geheult weil ich glücklich war. Aber er ist eben immer noch ein Scheuchen. Und dass muss man respektieren.
Noch ein Wort zum Spielen: ich hatte extrem viel verschiedenes Spielzeug gekauft. Bei Fips hatte damals gar nichts funktioniert. Wahrscheinlich weil er es nicht kannte. Muck lässt sich in letzter Zeit immer wieder animieren ein bisschen zu spielen.
Meine Erfahrung ist: es ist extrem schwer sich zurückzunehmen und die Katze nicht zu streicheln auch wenn man es gerne möchte. Man muss für sie da sein und für sie sorgen, aber die Katzen entscheiden selbst ob sie dich in ihre Nähe lassen oder nicht. Und ja, oft hat man das Gefühl als hätte man Geisterkatzen zu Hause und man denkt sich - wofür das alles. Es ist zeitweise wirklich frustrierend. Und es ist mir nicht einmal so ergangen. Aber wenn du das erste Mal unvermutet das weiche Fell an deinen Beinen spürst, das wiegt alles auf. Das ist mit Worten nicht zu beschreiben.
Und ich würde mich wieder für schwer vermittelbare Katzen entscheiden. Haben wir auch. 😉 Vor einer Woche ist Mucks neue Gefährtin eingezogen und es ist sehr schwierig derzeit. Aber mit viel Geduld werden wir das hinkriegen.
Und ich bin sicher, wenn ihr die beiden Katzen wirklich bei euch haben wollt, dann bekommt ihr das hin. Ihr müsst euch nur ganz sicher sein. Katzen sind so sensibel, die spüren einfach wenn sich der Mensch nicht 100% sicher ist. Zeit und Geduld ist ein wichtiger Faktor. Wer weiß was die beiden erlebt haben.
Ich wünsche euch alles gute.