.... Für alle, die in derselben Situation sind, wollte ich mal etwas ausführlicher schreiben, wie wir nach dem „alle fressen friedlich am Gitter“ vorgegangen sind. Es ging dann auch doch relativ schnell zum Ende hin. Jedenfalls was man immer wieder liest und was sich im Nachhinein auch für uns bewahrheitet hat, war:
Geduld
Im Tempo der langsamsten (feindseligsten, unsichersten) Katze vorgehen - erst weitermachen, wenn auch die langsamste Katze sich in der jetzigen Phase entspannen kann
Auf die Katzen hören
Wir haben immer gewartet, bis sich etwas „natürlich“ angefühlt hat. Also bis die Katzen quasi gar nicht mitbekommen haben, dass sich da schon wieder eine Grenze millimeterweise verschoben hat. Wenn die Gittertür 10 Minuten lang auf ist, dann kann sie ja auch 15 Minuten lang auf sein usw.
Bei uns lief es so ab:
Schritt 1: Morgendliche und abendliche Leckerchenrunden am Gitter und ansonsten keine Leckerchen, wirklich nur wenn die anderen Katzen in Sicht sind. Gegenseitiges Anstarren nicht belohnen, sondern kurz ablenken/rufen und dann erst Leckerchen geben. Wir Menschen mussten da auch lernen, nicht „beruhigend“ auf eine starrende oder fauchende Katze (meist Emmy) einzureden, sondern das zu ignorieren und ihren Blick erst in eine andere Richtung zu lenken und dann zu belohnen. Ziel war, dass alle Katzen am Gitter Leckerchen fressen können und sich gegenseitig ignorieren. Im Nachhinein glaube ich auch, dass Emmy und Lilly so lange feindselig waren, weil was wir als „freundliche Neugier“ von Tim Tam interpretiert haben, wahrscheinlich auch eher offensiv war?! Ich weiß immer noch nicht, wie sein Verhalten anfangs am Gitter zu deuten ist. Emmy und Lilly wurden aber jedenfalls entspannter, nachdem wir wochenlang auch mit ihm trainiert haben, die beiden zu ignorieren.
(Die Phase dauerte bei uns von November bis Mitte Januar.)
Schritt 2: Gittertür beim Leckerchen geben öffnen, nach den Leckerchen aber sofort wieder schließen.
(Das waren vielleicht 2 Tage Mitte Januar.)
Schritt 3: Mit der offenen Gittertür fingen alle drei dann nach ein oder zwei Tagen an, immer weiter in das jeweils andere Revier zu wandern. Aber alle waren sehr unsicher im jeweils anderen Revier, wollten gleichzeitig den anderen Eindringling im Auge bewahren und selbst möglichst viel erkunden. Das war irgendwie alles sehr unruhig und hat zu viel Fauchen und Unsicherheit geführt. Wir haben dann zweimal einen Reviertausch bei geschlossenen Türen für jeweils ein oder zwei Stunden gemacht, so dass Tim Tam auch etwas sicherer im Wohnzimmer unterwegs war. Er kannte ja nichts – hatte Angst vor dem Sofa, dem Fernseher, dem Esszimmertisch... Das mussten wir ihm erst mal alles in Ruhe zeigen, ohne dass Emmy und Lilly dazwischenfunken konnte.
(Das waren ein paar Tage Mitte/Ende Januar.)
Schritt 4: Wieder morgendliche und abendliche Leckerchen-Runden mit offenen Türen. Dabei haben wir für Emmy und Lilly auch immer wieder Leckerchen in seinen Bereich, also ins Schlafzimmer geworfen und ihn weiterhin im Wohnzimmer gefüttert, damit er nicht sofort kontrollieren musste, wer da im Schlafzimmer war. Nach den Leckerchen-Runden haben wir dann schrittweise die Zeit ausgedehnt, in der die Gittertür noch offen war. Das ging dann aber relativ schnell von zusätzlichen 10 Minuten zu 30 Minuten und sehr schnell dann zu ein oder zwei Stunden.
Emmy und Lilly haben Tim Tam in dieser Phase oft angefaucht und angeknurrt, wenn sie ihm begegnet sind, gerade natürlich an Engstellen. Zum Glück kann man bei uns ein bisschen im Kreis laufen zwischen Wohnzimmer/Esszimmer und Flur/Schlafzimmer, so dass sie sich eigentlich immer gut aus dem Weg gehen konnten, wenn sie sich früh genug gesehen haben.
Ich glaube, das war eine Phase, die sehr schwierig einzuschätzen für uns Menschen war. Da waren glaube ich eine Menge Signale, die wir übersehen haben, die sehr viel subtiler als Fauchen und Knurren waren. Wir haben die drei während dieser Phase 99% der Zeit im Auge behalten und sind von Zimmer zu Zimmer hinterher gewandert und haben gleichzeitig versucht uns unsichtbar zu machen um ihre Interaktionen nicht zu sehr zu beeinflussen. Eine Gratwanderung... Wir haben Emmy und Lilly fleißig gelobt, wenn Tim Tam an ihnen vorbei ist und sie ihn ignoriert haben. Wir haben ihn gelobt, wenn er Abstand gehalten hat/zurück gewichen ist. (Er würde er sehr, sehr gerne an ihren Hintern schnüffeln, aber das geht den beiden noch zu weit...)
Neben diesem Loben, gab es so ein, zwei kleinere Sachen, die wir gezielt korrigiert haben.
Z.B. war Tim Tam in dieser Phase nach ein paar Minuten Erkundung meistens wieder im Schlafzimmer auf „seinem“ Bett. Irgendwann fiel uns auf, dass Lilly gar nicht mehr ins Schlafzimmer ging, sondern vor der Tür rum schlich und sich nicht rein traute. Bei näherer Betrachtung fiel uns dann auch auf, dass Tim Tam zwar auf den ersten Blick entspannt im Bett lag, aber mit gespitzten Ohren und die Tür bzw. Lilly nicht aus den Augen ließ. (Emmy hat das nicht gestört, sie turnte trotzdem auf der Schlafzimmerfensterbank rum.) Also haben wir dann wieder mit Leckerchen mit Tim Tam trainiert, die Tür bzw. Lilly aus den Augen zu lassen und mit Lilly trainiert ins Schlafzimmer zu kommen. Ähnlich war das mit Tim Tam und Emmy, wenn sie aufs Bett wollte. Das waren dann jeweils immer nur 1 oder 2 Trainingssessions.
Die Phase hat so von Mitte/Ende Januar bis Mitte Februar gedauert, wir sind vor ein paar Tagen erst in der nächsten Phase angekommen...
Schritt 5: Die Türen sind auf und die Menschen können dennoch entspannen und sind nicht die ganze Zeit hinterher, was die Katzen machen. Nach wie vor gibt es (sehr viel weniger) Fauchen, wenn Tim Tam den beiden viel zu nahe kommt. Emmy und Tim Tam ziehen jetzt aber an einem Strang und haben schnell gemerkt, wenn beide um ca. 18 Uhr im Wohnzimmer stehen und Bescheid sagen, dass es Zeit wird (er hat sich vor ein paar Wochen das Miauen bei unseren abgeschaut...), dann gibt’s die tägliche Leckerchenrunde. Wir sind dabei inzwischen wieder zum Klickern übergegangen. Tim Tam kann jetzt Männchen, High Five und Pfote geben und wir arbeiten gerade am im Kreis drehen.
Wir trauen uns noch nicht so ganz, die Türen aufzulassen, wenn wir arbeiten, also 8-9 Stunden außer Haus sind. Aber ganz ehrlich, ich glaube das ist jetzt auch übervorsichtig und wir könnten die Türen wirklich einfach die ganze Zeit auflassen. Das wird wahrscheinlich nächste Woche kommen... Und damit ist die Zusammenführung nach 7 Monaten abgeschlossen, denke ich.
Alles in allem ist Tim Tam wahrscheinlich das Beste, was unserer Familie in den letzten 2 Jahren passiert ist, und wir sind so froh, ihn bei uns zu haben. Tim Tam ist auch so entspannt und glücklich bei uns und ein richtiger Schmusekater geworden. Jeden Abend holt er mich vorm Bad ab und schläft in meinem Arm ein. Ich kann manchmal immer noch nicht glauben, dass das dieselbe Katze ist, die mich vor 7 Monaten noch angefaucht hat und weggerannt ist, wenn ich mich im Vorgarten auf 2 Meter genähert hab. Damit habe ich im Leben nicht gerechnet, wir wollten ihn einfach nur gut versorgt wissen und jetzt hat er im Grunde meinem Mann den Platz im Bett weggenommen 😎
Emmy und Lilly haben ihn denke ich jetzt auch als Teil des Rudels akzeptiert. Und gerade bei Emmy und Tim Tam sehe ich Chancen, dass es da noch zur richtigen Freundschaft kommen wird. Seit zwei Tagen fordert Tim Tam Emmy zum Spielen und Jagen auf, inklusive diesem seitwärts springen 😍. Sie geht noch nicht drauf ein, ist aber interessiert. Emmy jagt und spielt sehr gerne, aber Lilly möchte nicht mehr so gerne (die beiden werden dieses Jahr 8). Von daher könnte es zwischen Emmy und Tim Tam perfekt passen.
Gestern gab es zum erstem Mal einen Nasenkuss zwischen Emmy und Tim Tam zur Begrüßung
Und ich möchte mich noch mal ganz ausdrücklich bei allen, die hier geschrieben aber auch ansonsten dem Katzenforum bedanken!
Ich habe so viel nachgelesen in den letzten Monaten, auch wenn ich nie Zeit hatte, selbst zu schreiben. Aber ich glaube ohne das Forum hätten wir uns das mit dem Streuner erst gar nicht zugetraut oder hätten ihn inzwischen abgegeben.
DANKE EUCH 😘