Hallo, ich bin ganz neu hier und habe bislang als Gast manche Eurer Beiträge mit Interesse gelesen. Hierzu möchte ich nun doch gern etwas beitragen, da ich diese Gedanken sehr wohl nachvollziehen kann und ich das Leben mit einer Katze bei vollzeitiger Berufstätigkeit und Freigang dazu nun fast 18 Jahre praktiziert habe.
Ich hatte schon immer einen Hang zu Katzen, weil sie eben faszinierende Tiere sind. Aber: Eine anzuschaffen, wenn man vollzeitig berufstätig ist, war für mich nicht realisierbar, zumindest nicht mit dem Anspruch, dem Tier gerecht zu werden. Es kam dann eines Tages anders. Ich wurde gefragt von Leuten, die wussten, dass ich den Tieren nicht abgeneigt bin, ob ich denn – zumindest für ein paar Tage – ein Fund-Tier beherbergen könnte, weil da wo es momentan ist, schon drei Katzen seien und diese Katze nur aggressiv den anderen gegenüber fauchend reagiert. Dann habe ich mich auf den Weg gemacht und die Katze für den „Zwischenstopp“ bei mir zuhause abgeholt. Es wurde dann gesucht, zunächst alle Möglichkeiten ausgeschöpft, ob sie denn jemand vermisst. Alles Fehlanzeige. Interessenten, die sie aufnehmen könnten, gab es offenbar auch keine. Aus den paar Tagen, die es sein sollten, wurden zwischenzeitlich Wochen, wo ich mir die Frage stellen musste: Was nun? Eine Entscheidung muss her. Will ich dieses Tier wirklich behalten unter meinen derzeitigen Lebensumständen? Einzeltier und ich den ganzen Tag außer Haus. Wie kann ich als berufstätiger Mensch einem Einzeltier gerecht werden? Kann ich das? Und wenn ja, kann ich und will ich das für die nächsten 20 Jahre? Wenn ich mich dazu entschließe, dann wird es in voller Konsequenz durchgezogen. Also: Ich war noch in der Überlegungsphase und überlegte mir dabei, dass reine Wohnungshaltung für „ein“ Tier ein absolutes No-Go ist. Weil es langweilig ist und dem Tier nicht gerecht werden kann. Ich habe in den ersten vier Wochen, wo ich die Katze „besuchsweise“ hatte, jeden Abend von ca. 18 – 22 h volles Katzen-Spielprogramm durchgezogen. Das hält man aber als Mensch nicht auf Dauer, schon gar nicht über Jahre, aus. Das sollte ja auch nur für den Übergang sein.
Dann habe ich ihr Freigang ermöglicht, obwohl die Bedingungen, 1. Stock, Mehrfamilienhaus, nicht gerade die beste Voraussetzung ist. 4 Parteien wohnen hier und ich muss sie aus der Haustür unten raus lassen. Zunächst ein Stündchen in meinem Beisein, dann längere Abschnitte. Und schließlich so, dass es ein mehr oder weniger fester Rhythmus wurde. Dann war der Zeitpunkt gekommen, dass ich mich dazu entschließen konnte, sie zu behalten. Die Entscheidung war also gefallen mit allen Konsequenzen und es gibt keine andere Überlegung mehr. Ich hatte auch das Gefühl, dass mich dieser Freigang entlastet. Dass die Katze trotz meiner Abwesenheit ein artgerechtes Leben genießen kann – und das in einer größeren Stadt. Das habe ich ihr alles antrainieren können. Was natürlich auch an der Katze liegt, denn jedes Tier ist da zuweilen anders. Meine „Sina“ – das war sie nun geworden war kein scheues Katzenmädchen, sondern von vornherein eine selbstbewusste, ja dominante Katze. Eigentlich nicht die große Schmuserin, die ich mir gewünscht hätte, wenn ich es mir hätte aussuchen können. Der TA hat mal gesagt, ich wünsche Ihnen, dass diese Katze nie mal etwas Schlimmes hat, man muss sie bei allem narkotisieren. Das ist wirklich eine meiner schlimmsten Patienten. Da hat sie immer den Löwen heraus hängen lassen, ganz schlimm. Aber so war sie nun mal, wenn sie Stress hatte. Und andere Katzen – es tauchten schon mal welche hier in ihrem Revier auf, die zollten ihr einfach Respekt. Vielleicht ist sie ja auch aufgrund ihres Charakters seinerzeit ausgesetzt worden. Das werde ich ja nie erfahren. Offenbar war sie als ich sie aufnahm geschätzt auf 1 ¼ Jahre. Ein Maincoon mix, etwas kürzeres Fell, aber sonst ganz typisch Coonie, weißer Latz, weiße Söckchen und braun-schwarz getigert. Eine kesse kleine Lady, die sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen ließ, aber ich kam prima mit ihr klar. Sogar baden ließ sie sich von mir. Das habe ich versucht, als sie sich mit Durchfall am Unterbauch verkotet hat. Aber das soll hier nicht das Thema sein.
Freigang gestalten:
Ganz wichtig nach meiner Erfahrung sind feste Zeiten. Katzen sind so clever und richten sich nach ihrer inneren Uhr, wenn sie denn richtig eingestellt ist. Ich habe es letztendlich so gemacht, die Sina durfte nachts raus. Im Übrigen sind Katzen ja auch nachtaktive Tiere. Sie konnte, wenn ich gegen 17.30 h oder 18.00 h nach Hause kam, raus wenn sie denn wollte. Ansonsten habe ich sie auch öfters dann raus getan, wenn für mich der Abend vorbei war. Dann haben wir halt noch auf der Couch zusammen gesessen / gelegen und fern gesehen (das heißt Dosi tat das). Um ½ 7 morgens holte ich sie rein. Da stand sie schon parat und wartete. Tagsüber war sie dann platt und hat nur geschlafen. Das war dann auch am Wochenende so. Allerdings gilt ½ 7 Katze holen auch am Wochenende, das muss man unbedingt einhalten. Der Rhythmus soll ja in der Arbeitswoche funktionieren. Im Übrigen fand ich die nächtlichen Streifzüge auch deshalb für uns besser, weil der Straßenverkehr erheblich reduziert ist. Im Winter, wenn es richtig kalt war, blieb sie nachts auch drinnen. Sie hatte aber dann morgens unbedingt das Bedürfnis, das Revier zu checken und dieses Checken dauerte ca. ½ Stunde und das war auch wegen meiner Berufstätigkeit machbar. Da konnte ich mich drauf verlassen, dass das so war.
Fressen:
Ich hatte in der Küche drei Näpfe mit Trofu, Nafu und Wasser. Ich habe hier schon gelesen, dass viele ganz von Trofu abraten. Ich wusste es nicht anders und dachte, es wäre so zu handhaben, habe dies aber auch nie hinterfragt. Irgendwann bekam Sina nach ein paar Jahren Struvit-Probleme, Harngries zu dem gerade diese Rasse wohl eher neigt. Fortan habe ich nur noch Urinary von Kattovit gekauft als Trofu um dem entgegen zu wirken, und sie hatte nie mehr so ein Problem. An Nafu habe ich die 200 g Dosen von Aldi gekauft, aber auch andere Sorten in den kleinen Alu-Schälchen. Auch mal Sheba und Gourmet – das ist dann was ganz Leckeres. Man hat schnell raus, was sie lieber mögen. Sina hatte es mit Wild, aber auch mit Fisch. Geflügel war nicht unbedingt ihr Ding. Fakt ist aber, dass sie mit fast 19 Jahren alle Zähne noch hatte und offenbar perfektes Gebiss laut TA. Vielleicht ist dafür dann eben doch die Beigabe Trofu nützlich. Muss allerdings Qualität sein.
Trofu war immer im Schälchen, Nafu wurde nicht ausgeleert, wenn ich es morgens gefüllt habe, dann war abends, wenn ich wieder kam noch immer etwas drin. Wasser natürlich muss man immer stehen haben und vor dem essen habe ich das immer neu gewechselt. Wenn Nafu nicht gefressen wurde, weil noch viel im Napf war, habe ich Vitaminflocken darüber gegeben von Beaphar. Dann wurde auch das gefressen.
Gewissen und Zeit:
Mir ist es so gegangen, dass ich immer bei irgendwelchen Aktivitäten, die außerhalb der Norm fielen. Beispielsweise wenn es eine Kollegin ist, die fragt: Wollen wir nicht noch einen Stadtbummel machen und uns irgendwo hinsetzen? Das habe ich mir oft verkniffen. Ich muss nach Hause, die Sina raus lassen, versorgen oder bei ihr sein. Oder man kann das mal machen und hat dann trotzdem ein schlechtes Gewissen. Und das ist schlimm. Und irgendwann wirst Du dann auch gar nicht mehr von anderen gefragt, weil sich das dann so festgefahren hat. Ich bin das jetzt so lange gewohnt, dass sich das in meinem Denken so verfestigt hat. Aber das ist der Zwiespalt, in dem man dann lebt. Durch eine gewisse Routine in Zusammenleben mit Katze, kriegt man das dann – eben auch durch geregelten Freigang – in den Griff. Aber: Zumindest war es bei mir so: Ich hatte ständig die Verantwortung für meine Katze wie ein Pfropfen in meinem Gehirn kleben. Man ist nicht so frei, wie andere, die das nicht haben. Ich meine insbesondere für Singles ist das nicht ganz so einfach. Da muss man sich fragen, wo findet denn mein Leben statt? Wo finden Kontakte statt? Die habe ich beispielsweise vernachlässigt. Wenn ich das richtig sehe, lebt ihr ja in einer Partnerschaft, da kann man das noch besser regeln. Jedenfalls musst du Dir bei der Grundsatzfrage, ob Katze oder nicht, von vornherein darüber im Klaren sein, dass es Einschnitte gibt, was die persönlichen Aktivitäten angeht. Ob Dich das zu sehr Deiner eigenen Spontanität beraubt? Und ob Du damit leben kannst und willst für eine so lange Zeit? Ich weiß – die Frage ist so gewaltig, dass man sie eigentlich gar nicht beantworten kann.
Ich habe das jetzt 17 Jahre und 7 Monate so gemacht. So lang ist das jetzt her, dass ich dieses kleine Bündel abholte. Die Autofahrt mit ihr nach Hause ist mir in allen Phasen noch so präsent in der Erinnerung, auch ihr Maunzen damals im Auto. Und als wir dann zu Hause ankamen lag sie dann im Sessel und hat in einer Tour so viel geschnurrt. Vermutlich: Endlich da, wo keine anderen Katzen sind. Denn das war ja das Problem damals. Ich denke, ich habe einem heimatlosen Tier ein Zuhause gegeben und dass sie es genossen hat bei aller gebotenen Freizügigkeit. Die Zeit mit ihr gehört zu meinem Leben einfach dazu und es ist auch bei allen oben beschriebenen Einschränkungen eine ganz wunderbare Erfahrung. Eine Freundin hat es mal so ausgedrückt: „Du bist für diese Katze der Nabel der Welt, wie sich das hier abspielt. - Sie aber auch für Dich.“ Ja – so ist es geworden.
Sina starb am 20. Februar mit fast 19 Jahren. Es hat mir so sehr das Herz gebrochen, an manchen Tagen geht es, an anderen überkommt mich sehr viel Wehmut. Es wird sehr lange dauern bis ich das überwunden habe. Sechs Wochen hatten wir noch intensiver miteinander, denn da bin ich gerade in Rente gegangen. Sie fehlt mir sehr.