Okay, dann habe ich dich bisher mißverstanden.
Ich hatte den Eindruck, als würdest du die Sicherung generell fordern, auch wenn die Umgebung verkehrsarm ist.
Denn so, wie wir hier in Deutschland leben, bleibt überall ein Restrisiko, was Unfälle betrifft.
Wenn in meiner Umgebung ständig Katzen überfahren würden, dann hätte ich keine Katzen. Ist meine persönliche Einstellung, ich brächte es nicht über mich, eine Katze einzusperren.
Es sei denn, der Gesundheitszustand würde es absolut unumgänglich machen.
Aber ich denke, das muss jeder für sich selbst entscheiden und verantworten.
Und dein Garten ist wirklich sehr liebevoll gestaltet, das gebe ich zu.
Nun, und wenn jemand bei uns nur so vorbeischaut, Kleinstadt-Randlage, durchgrüntes Ein- und Zweifamilienhauswohngebiet, 30-er Zone, paar Meter raus auf Feld und ein paar mehr in den Wald - der hält uns dann natürlich für vollkommen verrückt.
Aber wie man sieht, selbst in dieser vordergründig-optischen Idylle ist ein Freigang heute nicht mehr zu verantworten.
Da wir mit einer behinderten Katze angefangen haben und mit Rassekatzen dann weiter gemacht haben, die Freilauf nie kennengelernt haben, denke ich dass wir das sehr gut verantworten können sie so zu halten.
Im Gegenteil, unsere Katzen machen einen sehr glücklichen und ausgeglichenen Eindruck. Wenn sie nicht so ausgeglichen wären und genügend Rückzugsräume hätten, wäre es wohl kaum möglich, drei potente Kater und einen Kastraten zu halten.
Statt "Mord und Totschlag" wie die meisten aus dieser Konstellation erwarten, gibt es fröhliches Miteinanderspielen, Abschlabber-Wallungen und miteinander Kuscheln.
Für mich ist gesicherter Freilauf im Garten der bestmögliche Kompromiss zwischen der Sicherheit der Wohnungshaltung und den Vorteilen des Freigangs: Türe auf und gut ist, und das ohne sich Sorgen machen zu müssen.
Natürlich würde ich meinen Schnuffels am liebsten 20.000 m2 zur Verfügung stellen. Mit einem Wäldchen, einem Bach und einem Kletterfelsen und einer richtig großen Tobewiese und nicht so einer Rasen"pfütze" wie wir haben.
Aber wer kann sich das leisten?
Und Umweltbewußtsein, das ist dringend nötig.
Bei den nächsten Renovierungsarbeiten werden wir auch ein Auge auf Energieeinsparung werfen.
Würde ich neu bauen, dann ebenfalls nur nach neuester Energiespartechnik.
Bei einem älteren Haus, in dem man wohnt, ist das leider etwas schwieriger.
Lasst euch von einem unabhängigen Energieberater einen Sanierungsplan machen. Die Faustregel lautet: Von oben (Dach) nach unten, von außen (Vollwärmeschutz, neue Fenster) nach innen (Heizungsanlage).
Ok, ich rechne das jetzt mal vor. So von wegen natürliche Auslese und so.
Deutschland hat etwa eine Fläche von 357111 km².
Die europäische Wildkatze braucht, selbst wenn der Lebensraum optimal ist, ein Revier von zwei bis drei Quadratkilometern. Unter schwierigen Bedingungen auch gerne das drei- bis vierfache. Und die werden nun nicht viel mehr fressen als eine Hauskatze.
Das heißt: Um diese Populationsdichte nicht zu überschreiten, dürften in Deutschland bei optimalen Bedingungen so ungefähr 119037 bis 178556 Katzen mit unbeschränktem Freilauf leben. Stattdessen da leben circa vier bis sechs (wohl eher sechs) Millionen Katzen. So ungefähr das vierzig- bis fünfzigfache.
Klar gibt es an menschlichen Ansiedlungen, Bauernhöfen z.B., auch mehr Beute. Aber eine Verfünfzigfachung der vorgesehenen Population rechtfertigt das trotzdem nicht.
Du willst mir also doch bitte nicht erzählen, dass die Kastration quasi die normale Bestandsdichte aufrecht erhält.
Danke für deine Mühe das auszurechnen.
Ich finde solche Zahlen sprechen eine ganz deutliche Sprache.
Anstelle von 120.000 bis 180.000 Katzen, welche die natürlichen Ressourcen Deutschlands tragen könnten, werden 4 bis 6 Millionen Freigänger auf die Restnatur losgelassen.
Da wundert es einem wenig, dass die Wiederansiedlung der Wildkatzen so schwer ist. Wegen des gleichen Beuteschemas werden die knallharter natürlicher Auslese unterworfenen Wildkatzen von den "gedopten" (Fütterung, Gesundheitsvorsorge durch Impfen, Entwurmen und TA-Besuche, Ruhemöglichkeiten in warmen Gebäuden) Freigängern verdrängt.
Die acht Millionen Katzen die es in Deutschland gibt sind eine aberwitzig hohe Zahl und jeder sollte froh sein darüber, dass nicht alle auf das was von Natur übrig ist, losgelassen werden.
In dem Zusammenhang würde ich mir wünschen, dass ein wenig mehr Offenheit gegenüber neuen Haltungsformen entgegengebracht wird.
Man sollte dabei auch bedenken, dass sich die Haltung langfristig auch auf das ererbte Verhalten auswirkt. In einer reinen Freigängerpopulation überleben überwiegend die Katzen mit einem vorsichtigen, bedächtigen und eher reservierten Charakter. Also geben sie vorrangig ihre Gene an die Nachkommen weiter, von denen ebenfalls nur die vorsichtigsten überleben werden und so weiter. Binnen weniger Generationen findet so eine "Zuchtauslese" zu extrem vorsichtigen, "scheuen" Katzen ab. Genau das sind die verwilderten Hauskatzenverbände, die "unsichtbar" sind, weil sie so scheu sind.
Sobald aber Menschen anfangen, ihre Katzen in sicheren Umgebungen leben und die Kätzchen aufwachsen zu lassen, fällt diese natürliche Selektion weg. Im Gegenteil, je weniger scheu, je tollpatschiger und unbekümmerter, umso schneller bekommen Katzenkinder ein neues Zuhause, also verschiebt sich der Vorteil von "vorsichtig bis scheu" plötzlich auf "unbekümmerter Draufgänger" - und dann stellt sich meiner Ansicht nach die berechtigte Frage ob solche Katzen nach einigen Generationen überhaupt noch tauglich sind für den Freilauf.
Sehr gut kann man diese Entwicklung an der Rasse der Norwegischen Waldkatzen nachvollziehen. Die Katzen, die vor 30 Jahren den Zuchtgrundstein legten, waren Freigänger, halbwilde Bauernhofkatzen, die sich wunderbar in der rauen Natur Skandinaviens behaupten konnten.
Ich fand es sehr beeindruckend, wie ein befreundeter langjähriger Perserzüchter sehr anschaulich darüber berichtete, welche Aufregung die ersten in Deutschland gezeigten Norweger auf Ausstellungen brachten, wenn sie wahlweise den Richter, Steward, ihren Besitzer oder gar das Publikum zu zerfleddern suchten.
Diese Katzen passten irgendwie überhaupt nicht in die sich gerade in diesen Jahren rasend schnell verändernde Welt in Mitteleuropa, insbesondere Deutschland mit einem Schwerpunkt in der Norwegerzucht.
Da eine Katzengeneration durchschnittlich 1 1/2 bis 2 Jahre dauert im Gegensatz zu 30 Jahren bei Menschen, war eine Selektion auf zahme Tiere binnen recht kurzer Zeit möglich.
Wir haben noch unseren Senior, der noch vom "alten Schlag" ist und sehen daran täglich den Unterschied. Wenn Josua spielt, verfällt die gesamte Familie inklusive seiner Katerkumpels in Schockstarre. Denn er bremst für niemanden und dass man auch mit eingefahrenen Krallen spielen kann ist für ihn ein Fremdwort. Er ist sehr beeindruckend in seinen Energie-Explosionen, aber unglaublich schwer zu "handeln". Er hat zwei Mal Praxiseinrichtungen demoliert und TÄ in Angst und Schrecken versetzt ehe wir in der Tierklinik unseren "Katzenflüsterer" Doc gefunden haben bei dem er sich in ein Lämmlein verwandelt (gut, außerdem ist er mittlerweile auch in ein gesetzeres Alter gekommen). Als er als jüngerer Kater ausgebüxt ist, hat er Nachbarskatzen "auseinandergenommen" so dass wir inständig gebeten wurden "das Tier" nicht mehr auskommen zu lassen.
Dagegen sind unsere Burschis dank der binnen ca. 15 -20 Jahren erfolgten gezielten Selektion total lieb beim Tierarzt, völlig cool auf Ausstellungen, regeln ihre Rangkämpfe untereinander nur mit "Schattenboxen" und hören sogar auf Pfiff.
Wenn bei uns ein Auto vorfährt, stehen die drei am Zaun in der Einfahrt, wenn es klingelt, sausen sie an die Haustüre, denn jeder Mensch ist potentieller Freund und jeder Besucher kommt natürlich nur, um sie zu besuchen.
Sie fürchten nichts und niemanden, weder Silvesterfeuerwerk noch kreisende Polizeihubschrauber oder Tiefflieger. Wieso auch, denn weder ihnen noch ihren Eltern, Großeltern, Urgroßeltern... wurde jemals Angst eingejagt.
Sie haben wirklich überhaupt keine Bremse wenn sie miteinander im Garten spielen. Zum Glück gibt es dann den Zaun, der sie bremst.
Sie sind wie kleine Kinder, wenn sie spielen, vergessen sie alles um sich herum und das ist so schön. Sie sind dabei so glücklich.
Deshalb denke ich, nicht nur die Umgebung muss für Freigang geeignet sein, auch die Katze muss für Freigang geeignet sein.
Und weil es eben auch Katzen gibt, die überhaupt nicht für Freigang geeignet sind, deshalb ist es für diese Katzen ein Segen dass es Wohnungshaltung und gesicherten Freilauf gibt.
Jeder, der fordert, alle Katzen müssten ausnahmslos in Freigang gehalten werden, spricht solchen Katzen die nicht dafür geeignet sind, ja die Existenzberechtigung ab.
Das finde ich nicht fair.