Und wieso ist die Situation in den neuen Bundesländern teilweise so schlimm?
Die hohe Arbeitslosigkeit führt zur Verarmung der Menschen und der Gemeinden, vermeintliche Leistungsträger ziehen weg --- Menschen können sich die Tierhaltung nicht mehr leisten, können nicht mehr spenden, die Gemeinden können nicht wie benötigt Geld zuschiessen. Trotzdem, Sömmerda hat bei all diesen Widerständen ein eigenes Tierheim - bei 20000 Einwohnern.
Gegenbeispiel: Mein Verein arbeitet in Andalusien, genauer gesagt in der Provinz Cadiz, einer der ärmsten in Spanien. Die Arbeitslosenquote beträgt je nach Stadt zwischen 20-30%, die Jungendarbeitslosigkeit liegt bedeutend höher. Die staatliche Unterstützung für Arbeitslose ist marginal, dasselbe gilt für jegliche andere staatliche Unterstützung.
Ana, mit der wir zusammenarbeiten, lebt in Chiclana de la Frontera. Die Stadt mit ihren 70000 Einwohnern gilt mit dem Stadtteil Novo Sancti Petri als aufstrebender Touristenort an der Costa de la Luz. In Chiclana gibt es kein Tierheim, auch keine Auffangstation. In der Stadt leben geschätzt 5000 Strassenkatzen, die unkastrierten Katzen der Hotelkomplexe nicht eingerechnet. Die Strassenkatzen werden von den Tierfängern der privaten Perrera Gesser gefangen und in diese verbracht. Um die Streuner in Chiclana kümmert sich eine Tierschützerin, das ist Ana. Ein paar (weniger als zehn) Freundinnen, die sich hauptsächlich um die Perrerahunde kümmern, unterstützen sie, wenn sie es können. Es gibt einige wenige Privatleute, die ein paar Koloniekatzen füttern.
Die grösste Stadt in der Provinz heisst Jerez de la Frontera. Jerez hat 211000 Einwohner, kein Tierheim, keine Auffangstation. Es gibt zwei Perreras, die o.g. private namens Gesser und eine staatliche, gegen die Gesser ein Hort der Katzenfreunde ist (trotzdem wurde Gesser von all denen von uns, die dort waren, mit Grauen beschrieben, einige Vereinsmitglieder sind unter Tränen wieder rausgegangen). Aus der staatlichen Perrera können kaum Katzen geholt werden, da diese in der Regel derart krank sind, dass sie strengster Isolierung bedürfen, um nicht die anderen Katzen anzustecken. Eine derart strenge Isolierung ist aufgrund des mangelnden Platzes kaum möglich. Zum Vergleich, wir haben letztes Jahr:
15-20% der erwachsenen Katzen, die aus Gesser geborgen wurden
ca. 60% der aus Gesser geborgenen Kitten und
ca 60% der aus der staatlichen Perrera geborgenen erwachsenen Katzen durch mitgebrachte Krankheiten verloren
In der staatlichen Perrera dürfen die Tierschützer so gut wie keine Hilfe leisten und sie dürfen dort effektiv nicht fotografieren. Als Ana vor zwei Jahren ein Video aus den Perreras gemacht hat, musste sie auf Betreiben der Leitung der staatlichen Perrera aus der spanischen Version die schlimmsten Bilder herausschneiden, man hat ihr andernfalls mit Hausverbot gedroht. Hier ist die deutsche Version, die im Orginal ist
http://vimeo.com/17978433.
Achtung, es ist wirklich nichts für zartbesaitete Menschen, obwohl mir Ana damals geschrieben hat, dass sie keine wirklich schlimmen Bilder verwendet hat, um niemandes Gefühle zu verletzen - und auch weil sie sich für die unglaubliche Gleichgültigkeit ihrer Landsleute schämt. Sie hat mir oft geschrieben, wie sich das für sie anfühlt, dass ihre eigenen Landsleute sie komplett im Stich lassen, während es tausende von Kilometern entfernt Menschen gibt, die sie in ihrem täglichen Kampf unterstützen. Wir sind die einzige Ermutigung und Hilfe, die sie hat.
In der Provinzhauptstadt Cadiz (124000 Einwohner) gibt es übrigens ein Refugio (Auffangstation), kein Tierheim. Hier wurden anlässlich der bevorstehenden Feierlichkeiten zum Jubiläum der 1. spanischen Verfassung, die in Cadiz 2012 stattfinden auch letztes Jahr Kastrationsprojekte von der Stadt gefahren.