Bericht
Doch was für Menschen sind Tierquäler eigentlich? BILD.de fragte bei Psychologen, Psychotherapeuten und einer Kriminologin nach.
BILD.de: Warum werden Menschen zu Tierquälern?
Diplom-Psychologe Michael Thiel: „Es ist eine Mischung aus vielen Faktoren, wie etwa Erziehungsfehler, Gefühlskälte oder eine psychische Erkrankung. Langeweile, unterdrückte Aggressionen und Frustration können genauso Gründe sein, vor allem, wenn solche Täter in der sozialen Hierarchie weit unten stehen (Drogen, Gefängnis, etc.). Tiere zu quälen, stärkt ihr oft geringes Selbstbewusstsein – die dabei mitschwingende Machtkomponente („Ich hab jemanden unter mir“) darf daher nicht unterschätzt werden.“
BILD.de: Woran mangelt es Menschen, die Tiere quälen?
Thiel: „An Einfühlungsvermögen (Empathie). Empathie ist aber wie ein Muskel, der trainiert werden muss, damit er funktioniert. Kinder von gefühlskalten Eltern, die vielleicht sogar selbst gequält wurden, haben dieses „Training“ nie erlebt und können es daher auch nicht anwenden. Mitleid und die Tendenz, zu helfen, sind ihnen völlig fremd. Nur so ist es auch erklärbar, dass Menschen andere, bereits am Boden liegende Menschen, treten: Sie haben keine Quälhemmung.“
BILD.de: Jan. O. – der mutmaßliche Kinder-Killer von Bodenfelde, verbrannte als Jugendlicher Igel, schoss Katzen mit einem Luftgewehr die Augen aus und tötete Tiere in der Mikrowelle. Im Alter von 26 Jahren wurde er zum Menschenmörder. Eine überraschende Entwicklung?
Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke aus Essen: „Nein. Gewalttaten bauen sich oft Schritt für Schritt auf: Erst begeht der Täter Sachbeschädigung, dann quält er Tiere und vergeht sich schließlich am Menschen, wenn ihm die Vorstufen nicht mehr genügen. Tierquälerei sollte deshalb als ein ernstzunehmendes Kriterium für eine mögliche spätere Gewalttätigkeit gesehen werden.“
BILD.de: Ist jeder Tierquäler also ein potentieller Menschenmörder?
Thiel: „Nein. Die Geschichte hat zwar gezeigt, dass viele Serienmörder ihre „Brutalitätskarriere“ im Kindesalter mit dem Quälen von Tieren begonnen haben und dadurch auffällig geworden sind. Deshalb allerdings zu sagen, dass aus jedem Tierquäler auch automatisch ein Massenmörder wird, ist falsch. Je früher die Tierquälerei begonnen und fortgesetzt wurde, desto schwerer ist jedoch die psychische Störung einzuordnen. Menschen quälen ist dabei die stärkste Form – dies ist ein Hinweis auf eine ernsthafte, psychiatrische Erkrankung.“
Und Kriminologin und Diplom-Pädagogin Petra Klages, Autorin des Buches „Brieffreundschaft mit einem Serienmörder“, ergänzt: Viele einschlägig bekannte Gewaltverbrecher, darunter Serienmörder wie Ted Bundy, Jeffrey Dahmer oder Ronny Rieken, quälten bereits frühzeitig Tiere, bevor sie ihre brutalen und sadistischen Phantasien an Menschen praktizierten.“
Klages' These wird gestützt durch die FBI-Studie „Criminal Personality Research Project“(CPRP), für die 36 sexuell motivierte Mörder befragt wurden. Fazit: 36 Prozent der Mörder gaben an, in ihrer Kindheit Tiere gequält zu haben, 46 Prozent quälten Tiere in ihrer Jugend.
BILD.de: Wie verhindere ich, dass mein Kind zum Tierquäler wird?
Thiel: „Ein erziehungsfaules Umfeld ist der Nährboden für Tierquäler. Das Fundament für einen respektvollen Umgang mit Tieren wird in jungen Jahren im familiären Umfeld gelegt. Hat Ihr Kind einem Tier (unbewusst) Schmerzen zugefügt, reden Sie darüber, verbieten sie es und erklären sie, dass auch Tiere Schmerzen empfinden.“
BILD.de: Ist mein Kind auffällig, wenn es Hunde am Schwanz zieht oder Spinnen zertritt?
Thiel: „Da besteht nicht sofort Grund zur Sorge. Solche Dinge wie etwa Fliegen im Glas zu fangen oder mal einen Regenwurm zu zerteilen, sind Zeichen von kindlicher Neugier. Kinder wollen wissen, wie Tiere reagieren, funktionieren. Erst später setzt das moralische Gewissen ein, wenn solche Handlungen in der Erziehung thematisiert werden. Darum ist es so wichtig, Kindern Werte wie Mitgefühl schon früh zu vermitteln und vorzuleben!“
Übrigens: Die Höchststrafe für Tierquälerei wurde 2006 auf drei Jahre Haft heraufgesetzt, meist bleibt es jedoch bei einer Geldstrafe.