Ohne Job ist das Leben furchtbar anstrengend. Man bekommt zu wenig Schlaf vor lauter Sorgen, stirbt tausend Tode vor jedem Vorstellungsgespräch und flüchtet sich in nervenaufreibende Aufgaben wie die Versorgung dickköpfiger roter Kater.
In der Rangfolge der schlimmsten Wochen nimmt diese Woche derzeit den Spitzenplatz ein. Endlich ist eine Wurmtablette, in Tunfisch gebröselt, in die gräflichen Innereien gewandert. Zeit für die peripheren Tierschutz-Herausforderungen: Da ich gerade so schön geübt bin in der Gestaltung von Power Point-Präsentationen, fällt mir dieses Jahr die ehrenvolle Aufgabe zu, die Tätigkeiten des vergangenen Jahres einem staunenden Publikum vorführen zu dürfen.
Kaum habe ich die Präsentation fertig, bekomme ich einen Anruf: Ich werde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Job ist fast zu schön, um wahr zu sein, und ich werde umgehend zum Nervenbündel und bin zu nichts mehr zu gebrauchen. Am Samstagmorgen darf ich mich vorstellen, am Samstagnachmittag ist Vereinssitzung der TS-Orga. Freitagnacht kann ich nicht schlafen und mache mich am Morgen mit Pumps, Jackett und tiefen Augenringen auf den Weg.
Wieder zu Hause, wechsele ich mein Outfit, esse was und beschließe, dass es an der Zeit ist, auch die häusliche Situation mal wieder etwas spannender zu gestalten. Ich hole den Gitterrahmen vom Balkon, hänge die Schlafzimmertür aus und stelle den an einen Stuhl festgebundenen Rahmen vor die Tür. Fritz und Flori drücken sich die Nasen platt. Der Graf pennt.
Geschäftig eile ich mit Laptop unter dem Arm und einer Dose Muffins in der Hand weiter. Meine Präsentation ist ein rauschender Erfolg, nachdem es uns nach anderthalb Stunden endlich gelungen ist, ein fehlendes Kabel aufzutreiben und das Rätsel um den Beamer zu lösen, der mein schönes Werk auf dem Kopf stehend an die Wand zaubert. Wir schrauben das blöde Ding einfach vom Stativ, und der arme Kollege hält es dann die ganze Zeit verkehrt rum fest.
Als ich müde und erschöpft nach Hause komme, scheint zunächst mal alles friedlich: Fritz und Flori warten an der Tür und haben Hunger, und der Graf pennt. Während ich meine schreienden Lieblinge füttere, erklingt aus dem Schlafzimmer ein dumpfes Plumpsen: Offensichtlich ist die Sonne im Untergang begriffen, und der Fürst der Finsternis traut sich aus dem Sarg. Ich trotte hinüber und löffele Futter auf den gräflichen Teller. Tommy freut sich und umköpfelt mich begeistert. Vor der Gittertür erscheint ein gestreiftes Gesicht mit riesengroßen Augen: Fritz steht draußen und schaut entsetzt hinein. Hilfe, ein fremder Kater!
Guck mal, da ist der Fritzi, rufe ich enthusiastisch, und dass der Fritzi ein ganz Braver sei und man sich sicher gut verstehen werde. Tommy drängt sich an mich und zieht diese Aussage in Zweifel. Fritz quietscht zaghaft. Tommy tapert zögernd auf ihn zu. Ein zweites Köpfchen erscheint. Ich erkläre, dass dies der Flori sei, der ein noch viel Braverer sei als der Fritz. Tommy trampelt auf der Stelle. Flori schmeißt sich platt auf den Boden und röhrt los. Fritz sucht das Weite. Ich mahne zu Frieden und Katzenverständigung. Flori hat den ersten Teil nicht mitgekriegt und verständigt sich weiter per Offensivrhetorik. Tommy lässt ein Brummen ertönen. Flori robbt ans Gitter und motzt lauter. Tommy geht auch ans Gitter und haut Flori auf die Nase. Flori verschluckt sich und weicht hustend zurück. Tommy tritt ebenfalls den Rückzug an und widmet sich seinem Abendessen. Fritz beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung.
Ich verlasse die Kampfzone. Ich will die Situation nicht weiter eskalieren, und außerdem habe ich Hunger, ich bin müde, und mein Kopf tut weh. Während Flori weiter vor dem Gitter liegt und knurrt, esse ich was und bette meinen erschöpften Leib auf das Sofa. Auch Flori zieht sich schließlich in sein Bettchen zurück, wo er noch eine Weile muffig umher schaut, bevor das Köpfchen niedersinkt und das arme Tier in einen unruhigen Schlaf voller schlimmer Träume fällt.
Fritz schaut zwischen dem schlafenden Kumpel und der Gittertür hin und her. Schließlich hopst er vom Schreibtisch, nähert sich dem Schlafzimmer und macht fragend: „Mau?“ „Hi-Haaa?“ antwortet’s von drinnen. Fritz stellt das Schwänzchen auf, guckt sich nochmal nach dem Bettchen um und stiefelt zur Tür. „Hi-Haaa!“ macht Tommy und drückt die Nase ans Gitter. „Mau!“ antwortet Fritz und reckt den Hals. Man beschnuppert einander, knurrt sich kurz an und nimmt Platz, um sich zu beäugen. Tommy köpfelt am Schrank. Fritz wedelt. Flori schreckt aus dem Schlaf hoch und wird Zeuge des Verrats. „Rrrra-rrrra-rrraaa!“ schreit er seine Enttäuschung heraus, kriecht aus dem Bettchen und postiert sich wieder an der Gittertür. Tommy versucht, ihm nochmal auf die Nase zu hauen. Flori wirft ihm aus sicherer Entfernung Schmähungen an den Kopf. Fritz verzieht sich wieder auf den Schreibtisch.
Ich putze mir die Zähne und wanke todmüde ins Bett. Die ganze Nacht „Rrrrraaa“t und „Grrrrr“t es direkt neben meinem Kopf. Zwischendurch muss ich ein aufgewühltes Katertier trösten, das sich unglücklich in meine Arme drückt und jammert, dass der doofe rote Kater voll gemein zu ihm ist und ganz schnell wieder weg soll.
Heute Morgen habe ich mörderische Kopfschmerzen und fühle mich wie ein Pfund Rinderhack – komplett durch den Wolf gedreht. So ein bisschen beneide ich die Karnevalisten. Die haben jetzt nach der Faschingssaison nur einen Kater. Ich hab gleich drei.
(Im Moment pennen alle drei. Sollte sich später ein aktuelles Fotomotiv ergeben, wird es nachgeliefert.
Noch ein kleiner Nachsatz zu Spot-Ons: Das wäre das letzte Mittel gewesen, da ich ja noch das Nano-Aquarium mit Zwerggarnelen habe. Seit ich im Aquarien-Forum gelesen habe, dass schon einige Aquarianer versehentlich ihre kleinen Paddeltiere dahin gerafft haben, nachdem sie ein frisch entflohtes/entwurmtes Haustier gestreichelt und später bei der Aquarienpflege ins Becken gegriffen haben, bin ich sehr vorsichtig mit Spot-Ons.)