Kommentar meines Mannes zu der Rechnung: "Dafür hätten wir auch einen Neuen gekriegt."
@mikesch: Sicherlich war es diese männlich-pragmatische, stringente Logik, die dich überzeugt hat, dass hier der geeignete Genpool für deinen Beitrag zur Arterhaltung vor dir steht. Ich wäre auch sofort dahin geschmolzen! Schön, dass Mikesch dennoch nicht gegen ein optimiertes Nachfolgemodell ausgetauscht wurde.
😀😀😀
Die Ehe ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Im Durchschnitt hält sie 14,58 Periode 3 Jahre. Meine Eltern tanzen da deutlich aus der Reihe. Die haben den Trend zur Scheidung irgendwie verpennt. Vermutlich, weil mein Vater den größten Teil des Tages im Keller verbringt, wo er unermüdlich in filigraner Laubsägearbeit Weihnachtspyramiden produziert. Zur Strafe mussten wir uns alle in feine Fummel schmeißen und einen Saal im Gasthof mieten. So ist das, wenn man nicht aufpasst. Auf einmal ist man fünfzig Jahre lang verheiratet, die Stadt schickt einen Gratulanten mit Sekt und Urkunde, und Freunde und Familie wollen mit Essen und Trinken befüllt und unterhalten werden.
Auch Floris kleine Welt erweitert sich am Abend des familiären Großereignisses um ein weiteres Mysterium: Die Mama schwankt auf Schuhen herum, in denen sie mehrere Zentimeter größer ist und die bei Fritz und Tommy Panikattacken auslösen. Sie machen nämlich Geräusche auf den Fliesen. Das missfällt den Tieren mit den intakten Ohren. Flori liegt derweil in seinem Bettchen und staunt. Sieht voll lustig aus, wie die Mama da herum stakst.
Meine Laune ist nicht ganz so gut. Ich muss drei voluminöse floristische Meisterwerke in meinem Kleinwagen verstauen, die von der benachbarten Blumenkünstlerin als Tischdeko gefertigt wurden. Dazu muss ich erstmal eine riesige Tasche mit Aktenordnern in den Keller bringen, die seit dem Ende meiner Umschulung schon im Kofferraum herum lungern. Dabei rutsche ich aus den blöden Schuhen und breche mir beinahe auf der Kellertreppe den Hals.
Kaum ist diese Klippe umschifft, werde ich beinahe zum Opfer einer Gewalttat mit letalem Ausgang, als ich die Frage meiner Mutter, ob der engagierte Heimorgelvirtuose wirklich so schlimm sei wie von mir befürchtet, wahrheitsgemäß mit: „Nee, schlimmer.“ beantworte. Sch…-Familienfeiern. Da kommt es immer zu Konflikten. Zum Glück sieht Mutter nicht, wie ich bei der Interpretation von „Atemlos“ mit dem Kopf auf den Tisch schlage, weil sie gerade auf der Tanzfläche herumhüpft. Und Tante Ilse petzt auch nicht.
Gefühlte acht Millionen Polonaisen um die Hochzeitstafel später, die ich allesamt getreulich mit Papas Camcorder gefilmt habe, damit ich da nicht mitmachen muss, kann ich endlich wieder nach Hause. Ich stöckele in wehen, kalten Füßen zu meinem Auto, drehe das Radio auf Anschlag und versuche, all die Cowboys und Indianer, durstigen Sultane und namentragenden Sterne mit einer ordentlichen Dröhnung Jethro Tull aus meinen gemarterten Hirnwindungen zu vertreiben. Erfolglos. Kaum bin ich daheim dem Auto entstiegen, ist Helene Fischer wieder da. Ich hätte mich frühzeitig betrinken und ein Taxi nehmen sollen.
Zuhause liegt alles in tiefer Dunkelheit. Ich schleiche die Treppe hinauf, schließe meine Tür auf und kicke die blöden Schuhe in die nächste Ecke. Ein schlaftrunkener Fritz lugt über die Sofalehne, gähnt und überlegt kurz, ob es wohl was zu fressen gibt. Ich freu mich auch, ihn zu sehen. Fritz erhebt sich und schlurft in die Küche. Jetzt wird auch Flori wach, glubscht mich erstaunt an und rutscht vom Highboard.
Ich schleppe mich in mein besetztes Schlafzimmer und pelle mich aus dem kleinen Schwarzen. Tommy freut sich und witscht ins Wohnzimmer. Die Nacht ist schließlich seine Zeit, da wollte er immer schon mal den Haushalt aufmischen! Ich ziehe mein Nachthemd an, gehe brav noch Zähne putzen und fordere Tommy auf, wieder in sein Zimmer zu gehen. Tommy dreht Runden durch die Wohnung und quietscht aufgeregt. Fritz und Flori sitzen in der Küche und machen brummige Gesichter. Ich spendiere eine Runde Leckerchen. Fritz und Flori essen. Tommy rennt um den Schreibtisch und quietscht. Ich klappere im Schlafzimmer mit seinen Futterschüsseln. Tommy guckt kurz um die Ecke, zeigt mir den Stinkefinger und schmeißt sich unter dem Schreibtisch auf den Rücken: Na los, versuch’s doch!
Mist. Ich will jetzt schlafen. Fritz erklärt, dass er die ganze Nacht Radau macht, wenn der Rote aufbleiben darf. Flori latscht ins Schlafzimmer und frisst Tommys Lock-Leckerli. Ich rege mich auf. Tommy wickelt seine Füße um ein Schreibtischbein. Ich fordere ihn wiederholt auf, in sein Zimmer zu gehen. Tommy macht ein aufsässiges Gesicht. Fritz verkündet, dass er gleich vor Aufregung kotzen muss, wenn der Rote nicht bald verschwindet. Flori versucht, den Kleiderschrank zu erklimmen, wo meist auch noch eine Futterschüssel steht. Ich schmeiße ihn raus und setze mich auf den Teppich. Tommy liegt unter dem Schreibtisch und quietscht.
Eine Viertelstunde später: Ich hocke immer noch auf dem Teppich, meine Füße sind eiskalt, und ich bin jetzt auch wieder hellwach. Tommy kommt herein getapert und beköpfelt mich. Ich hole schnell aus einem Versteck im Schrank, von dem Flori noch nichts weiß, eine Knabberstange und schleudere sie in Richtung Wäschekorb. Tommy hüpft freudig hinterher. Ich renne aus dem Zimmer, schiebe den Gitterrahmen vor die Tür und sinke erleichtert ins Bett. Helene Fischer singt mich in einen unruhigen Schlaf. Ach, wäre sie doch atemlos.
Um kurz nach fünf am Sonntagmorgen ist die kurze Nacht schon wieder zu Ende: Fritz spielt Fangen mit meinen Füßen, Flori wäscht mir fürsorglich das Gesicht, und Tommy rappelt an der Gittertür.
Aber schon am Dienstag bin ich nach einem zweitägigen Migräneanfall wieder einigermaßen fit.
Nein, ich geh nicht in mein Zimmer! Ich GEH nicht in mein Zimmer!!!