Von gefährlichen Naturphänomenen wie Tulpen (!!
) und Wollpullovern wurde der Haushalt diese Woche verschont. Die Xenophobie schwebt jedoch nach wie vor über uns, und Henry hatte eine schlimme Begegnung mit dem Erzfeind aller Haustiere ...
„Bringen Sie ihn am Freitagmorgen um acht Uhr nüchtern in die Praxis. Er darf am Donnerstag noch bis achtzehn Uhr was fressen.“ Diese von ahnungslosen Tierärzten so leicht dahin geplauderten Anweisungen treiben dem Personal eines Mehrkatzenhaushaltes unweigerlich den Angstschweiß auf die Stirn. Schlimm genug, wenn ein Tier nüchtern zur Untersuchung erscheinen muss und zehn Stunden lang nichts essen darf. Da der Betroffene in der Regel wenig Verständnis dafür aufbringt, dass die anderen was zu essen kriegen und er nicht, lässt man der Einfachheit halber alle drei solidarisch fasten. Eine Maßnahme, die in den Augen der Katzen reine Schikane darstellt, auf die die Antwort nur Revolte heißen kann.
Schon als ich mich abends ins Bett schleichen will, ohne den drei vor dem Schrank wartenden Herrschaften ein Betthupferl zu servieren, macht sich Unruhe breit. Ich erkläre, dass es ja eigentlich ohnehin sehr unlogisch ist, wenn die Katzen jetzt ein Betthupferl kriegen, obwohl ich doch schlafen gehe. Was die drei für gewöhnlich zum Anlass nehmen, noch ein paar Runden durch die stille Hütte zu drehen. Wie üblich will sich keiner meinen Ausführungen anschließen. Ich ignoriere das, stöpsele meine Ohren zu und lege mich schlafen.
Ziemlich früh werde ich durch energische Bisse in die Zehen und Tritte in die Magengegend wieder geweckt. Es gab schon kein Betthupferl, jetzt hat man Hunger. Zeit fürs Frühstück! Hier herrscht endlich einmal Einigkeit. Ich stehe auf, gehe duschen, mache die Katzenklos sauber und mache Frühstück. Für mich. Fassungslosigkeit breitet sich aus. Fritz geht zur Tür und ruft die Nachbarin zur Hilfe. Die kommt aber nicht. Flori schlägt vor, ein Plakat mit der Aufschrift „Hier werden Katzen grausam misshandelt!“ zu malen und ins Fenster zu hängen. Henry hat die geschlossene Schlafzimmertür und die Transportbox im Flur entdeckt und ahnt Böses.
Nachdem ich mir die Zähne geputzt habe, klappere ich in der Küche mit den Tellern. Freudig kommt man angerannt. Ich schnappe mir den Engerling und verfrachte ihn in die Box, wo er umgehend anfängt zu jammern. Fritz und Flori drücken ihm kurz ihr tief empfundenes Mitleid aus und traben dann zurück in die Küche, wo es endlich Frühstück für sie gibt.
Henry und ich stehen eine Weile im Stau und kommen um kurz nach acht in der Tierklinik an. Sehr beklommen gebe ich mein verängstigtes Tier ab und fahre wieder nach Hause, wo Fritz außer sich vor Freude ist, dass ich endlich zu Verstand gekommen bin und den Roten weggebracht habe. Kurzfristig kommt wieder miese Laune auf, als ich den Staubsauger hole, aber spätestens als der Wischmopp zum Einsatz kommt, geht die Stimmungskurve wieder hoch. Fritz schlindert durch die Küche und meint, dass doch ohne Henry alles viel besser sei. Ich versuche ihn vorsichtig darauf vorzubereiten, dass der Graf uns am Nachmittag wieder mit seiner Gesellschaft beehren wird. Fritz steckt die Pfoten in die Ohren und macht „Lalalala.“
Mittags rufe ich in der Tierklinik an und erfahre, dass Henry bereits wieder erwacht, aber noch nicht reisefertig sei. Er sei auch nicht mehr im Urzustand, sondern um einige Zähne reduziert, die teilweise bis in die Wurzeln hinein ruiniert gewesen seien. Einer war sogar gesplittert.
Nachmittags hole ich mein lädiertes Tier wieder ab. Als er mich erblickt, rappelt er sich in seiner Box auf und strahlt mich hoffnungsvoll an: Ob er doch nicht, wie befürchtet, schon wieder weiter gereicht worden ist und wieder mit nach Hause darf? Er darf. Im Auto ist er hin- und hergerissen zwischen der Freude, mich wieder zu sehen, und der Angst, dass ich ihn womöglich unterwegs rausschmeiße. Menschen ist ja alles zuzutrauen, es wäre ja nicht das erste Mal.
Umso größer ist die Erleichterung, als der Korb in die vertraute Wohnung getragen wird und Henry aussteigen darf. Rasch wankt er hinaus und schmiegt sich Trost suchend an Flori, der ihm freundlich das Köpfchen putzt. Fritz ringt eine Weile mit sich. Dann geht er hin und beschnuppert das malträtierte Stiefbrüderchen.
Henry taumelt durch die Wohnung und vergewissert sich, dass er auch wirklich, wirklich wieder zuhause ist. Anscheinend ist das kein Traum. Er ist wirklich wieder da. Erschöpft, aber glücklich schleppt er sich zur Balkontür und legt sich auf der Matte in die warme Frühlingssonne.
Und nach ein paar Stunden Ausruhen und einem leckeren Abendessen kann er auch schon wieder mit Fritz herum stänkern.
Das Köpfchen ist noch schwer. Aber dafür ist das Herz umso leichter!