Meine Mutter sagte stets, wenn sie mich anderen vorstellte: "Und das ist meine Kleinste."
😀😀😀 World's Best Mom spricht mich auch mit 48 nach wie vor mit "Kind" an (je nach Gemütslage bin ich aber auch schon mal "das doofe Blag", ein Titel, den ich immerhin mit der Ersatz-Schwester teile, wenn sie die Ersatz-Enkel mal wieder falsch erzieht.) Aus der Nummer kommt man halt nicht raus.
Aber danke an alle, die die zerkauten Herzchen für mich neu interpretiert haben!
😀
Die Sonntagsgeschichte, heute mal stürmisch:
Vieles hat sich mit der Haussanierung geändert, und weniges davon zu meinem Vorteil. Noch immer werde ich wehmütig, wenn ich meinen Balkon betrete, der seit dem Umbau den Charme einer Autobahn-Schallschutzwand versprüht. Das Gehege, meine Kräuter- und Gemüsehochbeete, der kleine Springbrunnen – alles musste weichen.
Geblieben ist hingegen die kleine Wetterstation des Vermieters. Nach wie vor dreht ein kleines Windrad seine drei Löffelchen vor meinem Fenster. Und wenn die Löffelchen derartig schwirren, dass das Auge sie gar nicht mehr als Löffelchen erkennt, dann habe ich schlagartig schlechte Laune. Wind ist doof. Vor allem seit dem Umbau. Als kläglichen Ersatz für mein schattenspendendes Gehege habe ich einen Sonnenschirm angeschafft, der mir bei Wind herzlich wenig nutzt. Am letzten Wochenende hat er sich zweimal an meinen treulosen Katern orientiert und ist zur Nachbarin herüber geflogen. Chili und Tapsy haben sich im Gegensatz zu mir sehr darüber gefreut und saßen vermutlich den ganzen Nachmittag erwartungsvoll an der Balkontür, um zu gucken, ob der große flatternde Vogel ein weiteres Mal auf dem Balkon landet.
Auch die Idee, dem wachsenden Bürospeck sportlich zu begegnen und den Sonntag mit einer Radtour zu beginnen, erwies sich als außerordentlich gewagt, speziell in Kombination mit einer neuen Strecke in südöstlicher Richtung. Auf dem Rückweg taten sich mehrere lange Steigungen an baumlosen Wegen vor mir auf, und der Wind kam von vorne. Nur mit letzter Kraft konnte ich nach meiner Heimkehr das Rad in den Keller schleppen und meinen gemarterten Körper die Treppen hinauf (wo mir dann einfiel, dass das Handy noch in der Fahrradtasche war.)
Am schlimmsten jedoch hat es Henry getroffen, der an einem windigen Morgen abenteuerlustig Flori in die Wellness-Lounge gefolgt war. Voller Stolz erkundete er den Hausflur und die interessant riechende Fußmatte der Nachbarn, während ich die Treppe hinunter schlurfte, um die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen. Als ich die Haustür öffnete, gab es Durchzug, und die Wohnungstür fiel mit einem Knall zu, der vermutlich noch am anderen Ende der Straße zu hören war. Schuldbewusst lauschte ich nach oben. Die Nachbarn haben einen sehr langen Arbeitstag, und ich raube ihnen nur ungern kostbare Schlafminuten.
Es rührte sich jedoch nichts, und ich wollte gerade erleichtert sein, als von oben ein jämmerliches Weinen erklang, das in wenigen Sekunden zu einem Klagegeheul von wagnerianischer Opulenz anschwoll: Henry stand vor der geschlossenen Tür und kam nicht mehr rein. Die Pforte zu seinem persönlichen kleinen Katzenparadies war zu. Und vermutlich war sie das für immer. Wär ja nicht das erste Mal. Da können sich in einer kleinen Seele schon mal tiefe Abgründe der Verzweiflung auftun.
Ich stolperte so schnell ich konnte die Treppe herauf. Aus der Wellness-Lounge unter der Kommode lugte ein rotes Schwänzchen hervor, das im Takt der Klage-Arie zitterte: Henry presste sich angstvoll an Flori, hatte die Augen zugekniffen und schrie aus Leibeskräften. Ich konnte nicht umhin, die Akustik im Hausflur zu bewundern. War mir bislang nie aufgefallen.
Hektisch steckte ich den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn unter panischem „Ist ja gut, ist ja gut“ um und schob die Tür auf. Laut heulend schoss ein kleiner roter Kugelblitz an mir vorbei, verschwand im Schlafzimmer und hangelte sich eiligst am Schrank hoch, wo er in seiner Kiste verschwand und den Deckel hinter sich zumachte.
Ich klaubte Flori unter der Kommode hervor, der das absonderliche Gebaren des neuen Brüderchens verständnislos verfolgt hatte, und schloss kleinlaut die Tür hinter mir. Flori toffelte in die Küche, um die blank polierten Futterteller nochmal auf eventuell übersehene Futterreste zu untersuchen. Und ich gab mir Mühe, den Blick in Fritzens tief enttäuschte Augen zu vermeiden.
Seinetwegen hätte der Heuler ruhig weiter vor der Tür sitzen können.
Nirgendwo isses so schön wie zu Hause!!!