Ach, ich mache lieber im Altweibersommer Urlaub, habe ich stets geantwortet, wenn die Kollegen fragten, wann ich denn meinen Sommerurlaub nehmen wolle. Da ist meist ruhiges Spätsommerwetter, da kann ich prima Fahrrad fahren. Morgens in der Fleecejacke los und mittags im T-Shirt nach Hause kommen und bei 25 Grad auf dem Balkon sitzen. Das ist genau mein Ding. Bloß nicht im Juli Urlaub machen, da hat man ja öfter mal diese sprunghaften Drei-Tage-Hitzewellen, das ist für wetterfühlige Migränepatienten gar kein schönes Wetter.
Bislang bin ich in meinem Urlaub genau einmal aufs Rad gestiegen und konnte immerhin vierzig Kilometer lang meinen neuen Sattel ausprobieren. (Der neue Sattel ist wesentlich härter als der alte Sattel, habe ich dabei festgestellt.) Nachmittags habe ich unter meinem wehen Poppes gelitten und nachts, na klar, kam der erste Migräneanfall. Seither halte ich mich überwiegend in der verdunkelten Wohnung auf, versuche meinen Kreislauf irgendwie zu bändigen und habe miese Laune.
Immerhin kann ich morgens in Ruhe auf dem Balkon frühstücken. Also, fast jedenfalls. Meistens will Flori mit. Ich versuche mich dann heimlich rauszuschleichen, damit ich Zeitung lesen kann, ohne ständig den herum turnenden Chefkater im Auge behalten zu müssen. Der Chefkater merkt das aber jedesmal, schreit eine Weile an der Balkontür herum und geht dann in die Küche, wo er so lange randaliert, bis ich ihn raus hole. Das ist immer noch besser, versuche ich mich zu trösten, als in der Küche zu frühstücken, wo Fritz immer auf der Zeitung liegt und grantig wird, wenn ich versuche, ihn vom Leitartikel zu schieben.
Samstagnacht gibt es endlich ein Gewitter. Kein besonders schlimmes Gewitter, es grummelt erst ein paar Stunden lang vor sich hin, dann knallt es einmal gewaltig, und es gibt einen ordentlichen Regenguss. Fritz beschließt daraufhin, dass er lieber auch mal wieder bei mir im Bett schlafen will. Dort liegt Flori bereits und verschlummert selig das polternde Unwetter. Nach ein bisschen Knurren und Schieben hat man sich darauf geeinigt, dass Fritz sich kreuz hinlegt und Flori quer. Mich hat man im Zuge der Gebietsaufteilung an die Bettkante rangiert. Ich zupfe zaghaft an der Bettdecke. Fritz mault, dass er jetzt schlafen will und ich endlich Ruhe geben soll.
Um viertel nach sechs beißt mir Flori in die Wade und brüllt, dass ich aufstehen soll, es hätten alle schon einen Riesenhunger. Ich schleppe mich aus dem Bett, füttere die Katzen und lüfte die Wohnung. Die Luft ist angenehm frisch, aber draußen ist es ziemlich nass. Ich beschließe, mal wieder am Küchentisch zu frühstücken. Dann muss ich auch nicht alle drei Minuten aufstehen und Flori wieder in mein Blickfeld zerren.
Kaum habe ich mich niedergelassen und die Zeitung aufgeschlagen, hüpft Fritz auf den Tisch und genehmigt sich erstmal einen Happen Frischkäse. Ich mahne besseres Benehmen an und bringe meine Knäckebrote außer Reichweite. Fritz wirft mir einen giftigen Blick zu, erahnt den interessantesten Artikel auf der Seite und platziert seinen getigerten Body genau dorthin. Ich versuche ihn zaghaft zu verschieben. Fritz peitscht mit dem Schwanz und fragt, was ich von seinen frisch manikürten Krallen halte. Ich verabschiede mich vom Haifischbecken der Lokalpolitik. Die Ratsherren von SPD und Freien Wählern liegen sich noch immer wegen des Berichts der Gemeindeprüfanstalt in den Haaren. Spannend.
Gerade will ich mich der Umweltproblematik der Kaffeekapseln zuwenden, da landet Flori auf der Zeitung. Praktischerweise ist so eine Zeitung ja recht großformatig, speziell im aufgeschlagenen Zustand bietet sie ausreichend Liegefläche für bis zu zwei Kater. Flori watschelt über den Lokalteil und haut sich auf den Wochenendservice. Dabei gerät sein Hinterteil über den Innenfalz auf das von Fritz beanspruchte Liegegebiet.
Ich schnappe mir meine Kaffeetasse, hole mir ein Buch und setze mich an den Schreibtisch, während hinter mir der Dritte Weltkrieg ausbricht. Das Fauchen, Reißen und Fleddern ruft Henry auf den Plan, der aufgeregt den Tisch umkreist. Kleine und größere Zeitungsfetzen regnen auf ihn herab, die Obstschale rutscht gefährlich nahe an die Tischkante. Um ein Haar wird Henry von einer heraus gerollten Grapefruit erschlagen.
Während die Konfliktparteien samt Tischtuch und Zeitung auf die Fliesen knallen, wo die roten Bodentruppen in den Kampf eingreifen, sinne ich darüber nach, wie metaphorisch doch das Leben manchmal sein kann: Den Artikel über den Gemeindeprüfanstalt-Streit habe ich zwar nun nicht lesen können, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass er in etwa die Szene wiedergibt, die sich gerade auf meinem Küchenfußboden abspielt.
Drohende Eskalation