Ich wollte doch nur Futter spenden ...

  • Themenstarter Themenstarter Semolina
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So sind sie, die Großeltern :grin:
 
A

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@Mikesch , die große Blutlache hat Semolina sicher schon weggewischt.


Ja man hat es nicht so leicht mit renitenten Eltern😀.
Meine Tochter meinte auch , früher hätten wir noch alles bezahlt und heute muss sie sogar ihre Miete selbst bezahlen 😱😀
Das Leben ist ungerecht.

Eine tolle Geschichte. Eine meiner Lieblingsgeschichten.:pink-heart:
 
Unglaublich , waas hast du😱😱:muhaha:

:muhaha::muhaha:
 
Eine kleine Novembergeschichte zur Erinnerung an eine große Diva

Einen Kartoffelschäler ins Wurmloch schleppen ist eine echte Herausforderung. Vor allem, wenn man keine Zähne mehr hat und ziemlich kurze Beine. Mühsam schleift Lilly das unhandliche Ding hinter sich her und versucht, die weinerlichen Warnsignale ihrer arthritischen Knochen zu ignorieren.

Ja, Altwerden ist nichts für Feiglinge, diese Erkenntnis einer anderen großen Diva kann Miss Campbell nur unterschreiben. Die Verantwortung für die jüngere Generation, den Haushalt und das Personal lastet schwer auf den immer häufiger schmerzenden Schultern. Und dann diese Müdigkeit. Ach, diese schreckliche Müdigkeit!

In letzter Zeit hat Lilly ihn schon einige Male vorbei fahren sehen, den Samba-Bus ins Regenbogenland. Das behält sie aber schön für sich. Sonst kommt das Personal nur wieder auf die blöde Idee, sie in die Tierklinik zu fahren. Das möchte Lilly nicht. Wenn eines Tages der Bus anhält und die Tür aufgeht, dann steigt sie eben ein. Herumgedoktert wird nicht an ihr. Das hat sie schon lange beschlossen.

Mit einem müden Seufzer wuchtet Lilly den Kartoffelschäler auf den Haufen aus Labellos, Lese- und Sonnenbrillen, Bleistiften und all dem anderen sinnlosen Plunder, den das schlampige Personal immerzu herum liegen lässt. Sie streckt ihre alten Knochen und will gerade das Wurmloch verlassen, da klingt ein unglücklicher Laut an ihr Ohr. Lilly bleibt stehen und lauscht. Irgendwo im Wurmloch sitzt jemand und schluchzt verzweifelt.

Lilly kehrt um und macht sich auf die Suche nach dem Geräusch. Im letzten Winkel, noch hinter der Ablagestelle für Hundespielzeug und Fieberthermometer, hockt in einer staubigen Kammer voller flusiger Fellmäuse ein dickes rotes Kind und weint bitterlich. Meine Güte, was für eine Heulsuse, denkt Lilly und fragt streng, was denn das Geflenne bitte schön solle. Das dicke rote Kind schluckt und schnieft und stößt dann wehleidig hervor: „Da ist ein fremder Mann in meinem Zimmer, und der soll von mir Bilder machen, und dann soll ich schon wieder weg, dabei hab ich doch gar nix gemacht, aber ich darf trotzdem nicht rumlaufen und die anderen hauen, und jetzt wollen die mich auch nicht mehr!“

Lilly versteht kein Wort. „Jetzt reißt du dich gefälligst mal zusammen.“ herrscht sie das dicke rote Kind an und putzt ihm erstmal den ganzen Schnodder vom Gesicht. „Und dann erzählst du mal der Reihe nach, das versteht doch keine Katze! Also, was ist passiert?“

Das dicke rote Kind schnüffelt noch ein bisschen vor sich hin und versucht sich zu sortieren. Dann erzählt es: „Also, wir haben da in dieser Wohnung gelebt. Mein großer Bruder, der Benny, und ich. Und dann haben sie noch einen kleinen Bruder für uns geholt, unsere Leute. Dabei waren die schon zum Benny und zu mir nicht nett. Und dann haben sie eines Tages alle Sachen in Kisten gepackt und die Kisten in ein Auto und sind damit weggefahren. Und wir drei standen auf der Straße. Da war auch keiner nett zu uns. Und dann ist diese Frau gekommen, die hat uns mitgenommen, und dann kamen wir erstmal in so einen kleinen Gartenschuppen, weil nirgendwo Platz für uns war. Unser kleiner Bruder hat ganz schnell ein neues Zuhause gefunden, aber den Benny und mich wollte keiner haben, und der Benny, dem es schon die ganze Zeit nicht gut ging, der wurde immer kränker. Der ist dann in ein Katzendorf für Notfälle gekommen, aber ich durfte nicht mit. Mich hat dann jemand aufgenommen, der ein paar Katzen und einen Kater hatte, der sollte mein neuer Kumpel werden. Aber weil wir uns gehauen haben, kam ich in ein Zimmer mit Gittertür. Bloß weil wir uns einmal gehauen haben! Wir sind doch Kater! Ja, und in dem Zimmer ist jetzt ein fremder Mann mit so einem Knipsding, der soll Bilder von mir machen, und die sollen dann in das Internet rein, damit mich fremde Leute sehen, die mich vielleicht haben wollen, und dann soll ich schon wieder woanders hin. Ich will nicht immer woanders hin!“

Und es fängt wieder an zu heulen. Lilly putzt es geduldig trocken. Sie ist nachdenklich geworden. Natürlich fehlt es diesem Kind deutlich an Contenance, was vermutlich einer laxen Erziehung geschuldet ist. Nicht jeder ist halt zur perfekten Mutter berufen. Aber etwas an der langen Jammerarie hat Lilly doch berührt. Vermutlich liegt’s am Alter, denkt Lilly, man wird doch sentimental mit den Jahren.

„Du musst jetzt mal vernünftig sein.“ mahnt Lilly streng. „Man kann ja nicht für den Rest seines Lebens in einem Zimmer mit Gittertür sein, also musst du wohl woanders hin. Würdest du denn gern wieder zwei Brüder haben?“

Das dicke rote Kind denkt nach. „Darf ich die hauen?“ fragt es zaghaft. Lilly überlegt kurz. „Den gestreiften darfst du hauen.“ sagt sie großzügig. „Aber nicht so feste. Den gefleckten lässt du schön in Ruhe. Versprichst du das?“ „Darf ich den gefleckten gar nicht hauen? Auch nicht ein ganz kleines bisschen? Wir sind doch Kater!“

Lilly schüttelt innerlich den Kopf. Versteh einer die Kerle. „Na gut, ein ganz kleines bisschen.“ sagt sie resignierend und fragt sich, wo eigentlich ihre natürliche Autorität geblieben ist. Nein, es gefällt ihr gar nicht, dieses Alter.

Da erklingt hinter ihr mit einem Mal ein äußerst alberner Fanfaren-Hupton, und als sie wütend herum fährt, um sich über Albernheiten und Rüpeleien aufzuregen, da steht er da, der Samba-Bus. Und die Tür steht weit offen. Ein großer schwarzer Hund sitzt am Steuer, und ein kleiner schwarz-weiß gescheckter schwenkt aufgeregt einen bescheuerten Partyhut. Na toll, denkt Lilly.

„Steig ein, steig ein!“ schreit der Hund mit dem Partyhut. „Wir sind gekommen, um dich abzuholen! Heute ist Bingo-Abend mit Motto-Show im Regenbogenland, und nach dem Käsebuffet machen wir eine Polonaise! Los, steig ein, das wird toll!“ „Tommy, setz dich wieder hin.“ sagt der Hund am Steuer streng und zu Lilly: „Entschuldige bitte, er ist der Animateur im Club Bianka. Du siehst ja warum. Ignorier ihn einfach. – Möchtest du jetzt einsteigen?“

Lilly lugt vorsichtig in den Samba-Bus. Dort sitzen Hunde, Katzen und sogar ein dickes Pferd mit Partyhüten und Schirmchen-Drinks, an der Decke schaukelt eine bunte Lichterkette, auf der Wellensittiche schunkeln, und ein paar Schildkröten tragen sogar vorsichtig ein Aquarium mit Zwerggarnelen den Gang entlang.

„Ich weiß nicht.“ sagt Lilly. „Ich hab doch noch soviel zu tun, und ich habe dieses dicke Kind, das mich braucht, und …“ „Lilly!“ ruft es von drinnen. „Lilly, bist du das? Komm, steig ein!“ „Susi?“ fragt Lilly und steckt die Nase in den Bus. „Komm, setz dich!“ ruft Susi und schwenkt ihren Schirmchen-Drink. „Der Eierlikör-Cocktail ist super. Ein Glas am Tag, und du merkst deine Arthrose überhaupt nicht mehr!“ „Echt nicht?“ wundert sich Lilly. „Echt nicht!“ antwortet Susi fröhlich. „Na los, setz dich zu uns! Munzel und Grobi sind auch hier!“

Lilly setzt vorsichtig die Vorderpfoten in den Bus. Tatsächlich, neben Susi sitzen ihre zwei Verflossenen und winken ihr zu. Und da ist auch noch ein sehr attraktiver eleganter Tiger, der ihr zuzwinkert. Zögernd und wie von selbst hebt Lilly die erste Hinterpfote in den Samba-Bus. Der alberne Tommy hält ihr einen Eierlikör-Cocktail mit einem rosa Glitzerschirmchen hin. Der schwarze Hund am Steuer schiebt eine Kassette in den Rekorder und lässt den Motor an.

„Na, Lilly?“ sagt er freundlich. „Was ist nun? Komm, steig ein. Es ist Zeit.“ „Aber mein dickes Kind …“ sagt Lilly zögerlich. „Dein dickes Kind wird ein prima Chefkater sein.“ antwortet der schwarze Hund. „Und der da draußen …“ – er deutet auf das dicke rote Kind, das mit offenem Mäulchen auf den Samba-Bus starrt – „… der braucht jetzt einen Chefkater.“ „Und du brauchst einen Eierlikör-Cocktail!“ platzt Tommy aufgeregt dazwischen und hüpft dabei vor Begeisterung. „Hilft der wirklich gegen Arthrose?“ fragt Lilly skeptisch. „Na klar!“ schreit Tommy und hüpft noch höher, dass die Lichterkette mit den Wellensittichen in unruhige Schwingung gerät. „Los, steig ein!“

Lilly zögert. Sie denkt an ihr geliebtes dickes Kind, an den missratenen Gestreiften, an das unfähige Personal. Wie sollen die ohne sie klarkommen? Das muss doch im Chaos enden.

Dann schaut sie dem dicken roten Kind in das unglückliche Gesicht. Es braucht ein eigenes Kissen, auf dem es schlafen kann, denkt sie, und Kumpels zum Raufen und überhaupt einen Platz, an den es gehört. Jeder braucht einen Platz, an den er gehört. Da hinten im Samba-Bus, bei Susi und Grobi und Munzel, da ist noch Platz für mich. Und meinen Platz auf dem Schlafkissen, den könnte ich doch freimachen für ein armes dickes rotes Kind.

Entschlossen hebt Lilly die letzte Pfote in den Samba-Bus, und der schwarze Hund lächelt, dreht die Musik lauter und schließt die Tür. Lilly winkt dem dicken roten Kind zu, das schüchtern zurück winkt. Dann nimmt sie den Eierlikör-Cocktail und geht den Gang entlang zu ihrem Platz neben Susi und den Katern. Sie setzt sich dem eleganten Tiger gegenüber und prostet ihm zu, während sich der Samba-Bus in Bewegung setzt. Der Tiger zwinkert wieder, und Munzel rülpst. Lilly runzelt die Stirn. Schlechte Manieren hat er immer noch.

Na ja, denkt sie und saugt am Strohhalm, es wird wirklich Zeit, dass hier mal jemand für ein bisschen Ordnung sorgt.

Hoch die Tassen, Mädels!
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Mit dieser Geschichte hast du dich absolut übertroffen. Das Schönste, was ich je von dir gelesen habe. Ich bin total gerührt. So fällt der Abschied von einem geliebten Tier irgendwie "leichter". Ich werde von jetzt an immer an den Samba-Bus denken, wenn ein Fellchen von mir ins Regenbogenland reisen muss. Ganz im Ernst.
 
Da kann ich meinen Vorredner nur zustimmen! ich bin absolut geflasht - so schön geschrieben - wieder einmal - und in Zukunft werde ich auch an den Sambabus denken, wenn mal wieder einer meiner Katzen über die RBB gehen muss.
Du bist wirklich der geborene Schriftsteller, voller Fantasie und wunderbaren bildlich geschriebenen Geschichten :yeah:
 
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Danke für die wunderschöne Geschichte. Mir liefen die Tränen nur so übers Gesicht. Der Samba-Bus ist eine wunderschöne Vorstellung.
 
Die Geschichte geht mitten in's Herz. Auch ich musste weinen.
Wundervoll geschrieben.
 
Danke für die wunderschöne Geschichte. Mir liefen die Tränen nur so übers Gesicht. Der Samba-Bus ist eine wunderschöne Vorstellung.
Same here.
Auch wenn ich diesem Bus eine stete, mehrjährige Verspätung wünschen würde.
Und nicht soviele Haltestellen.
 
Scheinbar wird man im Alter wirklich sentimentaler.
Ich sitze da und heule und hoffe, das Wurmloch überschwemmt nicht.
 
So, nun hab ich noch mal gelesen und glaube es wird doch eine Lieblingsgeschichte.
 
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So wundervoll geschrieben...schnief...
 
Danke für diese schöne Geschichte. Sitze hier mit Tränen in den Augen.
Vielleicht sollte jemand Hanka diese Geschichte zeigen. Edit: Ich habe sie ihr verlinkt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir fehlen ja grad die Worte.
Danke das du, auch nach so einer Woche, immer noch die richtigen triffst.
 
Was für eine HAMMER-Geschichte *wein*.

DANKE dafür!!! Der Samba-Bus ist wirklich eine tolle Vorstellung!
 
Bianca, wie ich deine Schreibe liebe!

Ich hab deine heutige Geschichte dreimal gelesen gelacht und geheult, ok mehr geheult, aber das macht ja den guten Geschichtenschreiber aus, uns die Emotionen herauszulocken.

Wunderschön heute.

Beste Grüße
 
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Sooo schön geschrieben. Eine tolle Vorstellung dass meine Sternchen
mit so einem Samba-Bus über die Regenbogenbrücke gefahren sind.
Trotzdem hoffe ich, dass er noch lange bei uns vorbeifährt, bevor er wieder hält...
 
Männer weinen nicht, oder nur ein kleines Bisschen, grins...

sooo schhööön geschrieben...




wenn mein eigener Samba Bus eines Tages kommt, fällt mir der Einstieg nun leichter...
 
:wow:
Eine wundervolle Geschichte!
 
Ich freue mich für meinen Victor Laszlo das er im Sambabus sein darf und kann nun leichter loslassen. So egoistisch kann ich nicht sein ihm das zu verwehren. Danke für die Geschichte!!!!
 

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