Ho Ho ... äh ... oder auch nicht
Der Weihnachtsmann, so lehrt es uns die Tradition eines transatlantischen Brauseproduzenten, ist ein gemütlicher rundlicher Kerl im rot-weißen Gewand. Im Hause Campbell, so erfährt es leidvoll das Personal, gibt der gemütliche rundliche Kerl im rot-weißen Gewand in diesem Jahr den Weihnachtscrasher.
Dabei hatte alles so gut angefangen. Die Kater hatten ausnahmsweise mal mit der schönen Tradition des vorweihnachtlichen Brechdurchfalls gebrochen. Bzw. eben nicht gebrochen. Fritz kotzte anstandshalber dreimal auf den neuen hellen Wohnzimmerteppich, aber das war’s dann auch schon. Habe kurz überlegt, mit einer schönen Schachtel Katzenzungen in die Tierklinik zu fahren und zu berichten, dass man sich wegen unseres Ausbleibens keine Sorgen machen müsse. Habe dann aber lieber die Zeit mit der Auswahl eines besonders schönen Weihnachtsbaumes verbracht. Eine schlanke, kerzengerade Nordmanntanne trug ich stolz die Treppe hinauf, wo sie bis zum Weihnachtsfest in einem Wassereimer auf dem Balkon stand und von Flori erwartungsvoll angestarrt wurde.
Am Morgen des 24. trage ich das regennasse, nadelnde Gehölz unter großem Hallo ins Wohnzimmer und baue es vor dem Kamin auf. Dann schäle ich erstmal die Kartoffeln für den traditionellen Kartoffelsalat. Nach viermaligem Umwerfen der Tanne ist Flori müde und geht schlafen. Ich stelle den Baum wieder auf, binde ihn am Kamin fest und klettere im Schlafzimmer auf einen Stuhl, um die Weihnachtskiste vom Schrank zu wuchten.
Okay, ich hätte es ahnen können. Seit Henrys Einzug im Februar sind über das Jahr verteilt immer mal wieder Strohsterne aufgetaucht, die herum getrudelt und zerpflückt wurden. Haben bestimmt noch unter irgendeinem Möbelstück gelegen, habe ich mich beruhigt und die Weihnachtskiste, die Henry zu seinem Zufluchtsort erkoren hatte, nie einer genaueren Prüfung unterzogen. Was im Nachhinein betrachtet ein schwerer Fehler war.
Als ich jetzt hinein schaue, habe ich keine Strohsterne mehr. Strohsterne leuchten einem Straßenkater nicht ein. Wie kapriziös ist das denn, mag Henry sich gedacht haben, das gute Lagermaterial zu affigen Sternchen geflochten. Und so hat er es in geduldiger Kleinarbeit wieder in seinen Urzustand versetzt, mit Haaren verwoben und sich so ein gemütliches Lager gemacht. Fassungslos starre ich auf die zerfledderten Reste meines schönen Baumschmucks. Meine liebevoll gebastelten rosa Schleifchen sind auch platt gedrückt und voll gehaart.
Immerhin sind die Kunststoff-Kugeln mit den nostalgischen Teddybären drauf noch ganz. Kunststoff-Kugeln mit nostalgischen Teddybären drauf entsprechen jetzt nicht wirklich meinem Geschmack, aber als vor sieben Jahren Floris erstes Weihnachtsfest heran nahte und ich von meinen Glaskugeln wehmütig Abschied nahm, da waren auf die Schnelle keine anderen zu bekommen. Jahr für Jahr habe ich mir vorgenommen, endlich mal andere Kugeln zu kaufen.
Jetzt bin ich ganz froh, dass ich dafür kein Geld ausgegeben habe. Als ich mit den Teddybärkugeln ins Wohnzimmer komme, sitzt Henry mit leuchtenden Augen vor dem Tannenbaum, rupft freudig eine Nadel ab und mampft sie rasch in sich hinein. Ich schreie ihn entsetzt an. Henry rennt verschreckt von dannen, verkriecht sich unter dem Sessel und weint bitterlich: Wenn man mit ihm schimpft, dann bricht für ihn sofort seine heile kleine Welt zusammen. Ich versuche mein schlechtes Gewissen angesichts seines Jammers damit zu beruhigen, dass er noch viel bitterlicher weinen würde, wenn wir nächste Woche doch noch unsere traditionelle Brechdurchfall-Reise in die Tierklinik antreten würden.
Kaum habe ich ihm den Rücken zugedreht, sitzt er wieder unter dem Baum und rupft Nadeln ab. Resignierend packe ich die Teddybärkugeln zu den zerrupften Strohsternen, stelle die Kiste wieder auf den Schrank und stelle die Tanne ungeschmückt auf dem Balkon auf, wo sie der Wind sofort umbläst. Na ja, denke ich, was soll’s, nutze ich die gewonnene Zeit halt anders. Ich mache mir einen schönen heißen Hagebuttentee, kuschele mich auf die Couch und gucke mir drei Folgen meiner Lieblings-Monster-Splatter-Serie an, die ich mir – auch eine schöne Tradition – jedes Jahr als Kontrastprogramm zum Besinnlichkeitsgedödel schenke. Henry liegt eingemummelt in seinem Bettchen auf dem Highboard und seufzt ab und an zufrieden.
Fröhliche Weihnachten, Henry. Und vielen Dank an euch für die guten Wünsche! Ein schönes Fest euch allen!
Flori, Fritz und Henry & das Personal
Von wegen Ho, Ho, Ho!