Diese Woche war nicht nur Heilige Drei Graffittikünstler, sondern auch Knut, und trotzdem gibt es nur eine Geschichte. Das ist jetzt neu und heißt "Lean Storytelling".
😀
Ein neues Jahr hat begonnen, in das ich, wie so viele andere auch, mit unterschütterlichem Optimismus voller guter Vorsätze starte. Ein 2017-Projekt trägt den Titel: „Unsere Wohnung soll schöner werden.“ Ein gewagtes Projekt und angesichts der Siebzigerjahre-Einbaumöbel-Innenarchitektur eine echte sportliche Herausforderung. Ich beginne damit, ein vom Vermieter innig geliebtes technisches Highlight zu demontieren und heimlich in den Keller zu verbannen: Den monströsen drehbaren TV-Auszug, der seinerzeit auch die gigantischste Bildröhre zuverlässig stemmte und in dessen Schienenwerk sich der Staub von vierzig Jahren gesammelt hat. Auch das einzige Regal, dessen Halterung nicht in die Wand einzementiert wurde, muss dran glauben.
Gleich sieht der Fernsehecke viel übersichtlicher aus. Ich trete zurück, um mein Werk zu bewundern, und stoße dabei an den Couchtisch, der daraufhin zusammenbricht. Bestürzt grabe ich Flori aus, der in seinem Bettchen unter dem Tisch geschlafen hat. Flori inspiziert kurz die Trümmer und hüpft dann aufs Sofa, wo er sich zusammenrollt und friedlich weiter schlummert. Ich flicke provisorisch das Tischbein wieder an, dessen Abfall vom Gesamtkonstrukt den Zusammenbruch hervorgerufen hat, und stelle mich der bitteren Erkenntnis, dass auch einige meiner Möbel ihre von der Möbelindustrie vorgesehene Lebensdauer offensichtlich überschritten haben.
Zum Glück weiß auch die Möbelindustrie die Neujahrsvorhaben ihrer Kundschaft geschickt zu nutzen. Beim schwedischen Möbelriesen ist diese Woche „Knut“, es gibt Sonderangebote, und am Freitag nach der Arbeit stürze ich mich in Getümmel. Mit einem Teppich, einem Couchtisch, einer TV-Bank und dem üblichen Kleinkram blockiere ich todesmutig eine der gefürchteten Express-Kassen. Nachdem mir freundliche Mitarbeiter bei dem schwierigen Problem „Wie rum stecke ich meine EC-Karte rein“ behilflich waren, verlasse ich beschwingt das Möbelhaus und die murrende Schlange hinter mir, lade die Beute in den Kleinwagen und mache mich auf den Heimweg.
Dort erwarten mich schwerwiegende Sorgen. Offensichtlich ist Flori beim Zusammenbruch des Couchtischs doch schwerer verletzt worden als es zunächst den Anschein hatte. Als ich meine Möbel auspacken will, sitzt er zwar auf dem Karton und putzt sich. Aber als ich ihn herunter hebe, geht er in sein Körbchen und rollt sich zusammen. Selbst die Werkzeugkiste vermag ihn nicht aus seinem komatösen Zustand zu wecken. Ich mache mir große Sorgen und kippe ein Tütchen mit Schrauben und Winkeln aus. Flori gähnt und macht die Augen zu. Kurz erwäge ich, mit ihm in die Tierklinik zu fahren. Baue dann aber doch erstmal die neuen Möbel auf.
Flori schnarcht derweil. Erst als ich den alten müden Couchtisch abbaue und Flori in seinem Bettchen ein Stück zur Seite ziehe, wacht er auf und blinzelt. Sorgenvoll rolle ich den neuen Teppich aus, stelle den neuen Couchtisch darauf und bringe die traurigen Überreste des alten Tischs ins Auto. Als ich wieder nach oben komme, erschöpft sich die katerliche Aktivität immer noch in trüben Blicken. Allmählich gerate ich in Panik. Fritz beäugt, durch die ausbleibende Leitbildfunktion des Chefkaters verunsichert, den neuen Tisch aus sicherer Entfernung. Henry, aufgrund seiner schlimmen Erfahrungen mit Umzügen sehr skeptisch gegenüber allen Veränderungen im Wohnbereich, hat sich ohnehin auf dem Kleiderschrank verschanzt.
Ich mache mir erstmal was zu essen und überlege, wie ich morgen früh den Katzenkorb in das vollgepackte Auto kriegen soll. Doch dann steht Flori auf, streckt sich, guckt sich um und setzt sich auf den Teppich. Henry traut sich vom Schrank und setzt sich dazu. Flori gähnt herzhaft und beginnt dann, energisch am Teppich zu kratzen. Henry macht sofort mit und wirft beifallheischende Blicke für seine Lernfähigkeit um sich. Fritz klettert auf die TV-Bank und quietscht aufgeregt. Flori zieht an dem Tischläufer, den ich auf das sehr schlicht-funktionale neue Tischchen gelegt habe. Henry guckt bewundernd zu, wie sich das dekorative Tablett mit den Teelichtgläsern der Tischkante nähert. Fritz schubst den Receiver von der TV-Bank. Bis ich das Tablett vor dem Absturz gerettet, den Receiver wieder aufgestellt und das Antennenkabel wieder angeschraubt habe, ist der Freitagabendkrimi leider schon vorbei.
Wenigstens kann ich beruhigt schlafen gehen. Sie werden vielleicht älter, aber sie sind immer noch die Alten.
Passt nicht unter den neuen Couchtisch: Bettchen mit dickem Kater