@mikesch: Die Schrittzähler-Armbanduhr ist der Pulsmesser des Fensterwischers. Ohne sie ist dein Leben nicht erfüllt. (Soviel zur philosophischen Frage des Tages, kommen wir nun zur Horrorgeschichte der Woche.)
Irgendwo in den Tiefen des Wohnzimmer-Einbauschrankes schlummert eine Mappe mit Drucken von H. R. Giger. Drucke von H. R. Giger schlummern wahrscheinlich häufig in den Tiefen von Einbauschränken, weil man sich, wenn man damit stolz nach Hause kommt, dann doch denkt, ach nee, die häng ich mir lieber nicht an die Wand, nachher krieg ich Alpträume. Herr Giger hat sich nämlich nicht das Blumenbouquet, das Obstschalen-Stilleben oder pittoreske Landschaften als Sujet erkoren, sondern technisierte Monstrositäten im monochromen Airbrush-Look. Seine berühmteste Monstrosität war das putzige kleine Alien aus dem gleichnamigen Film, das es ja zu einiger Berühmtheit und diversen Fortsetzungen gebracht hat.
Doch selbst in den tiefsten Abgründen seiner Künstlerseele hätte Herr Giger niemals das unvorstellbare Grauen schauen können, welches den armen Fritz seit anderthalb Wochen heimsucht. Hier im Haus wohnt nämlich jetzt ein leibhaftiges Alien. Und es hat ausgerechnet das Wesen befallen, das Fritz am innigsten auf dieser Welt liebt (nee, nicht mich – wer kommt denn auf sowas?): Die Nachbarin.
Dass mit der Nachbarin was nicht stimmt, das haben die beiden Prinzessinnen schon im vergangenen Spätsommer gemunkelt. Aber Fritz hat es einfach nicht glauben wollen. Die schöne, holde, wunderbare Nachbarin, die soviel netter ist als das doofe Personal und auch immer viel köstlicheres Essen auftafelt – diese Lichtgestalt seines Katerdaseins sollte von einer parasitären Lebensform befallen sein? Das konnte doch nur törichtes Prinzessinnengeplapper sein!
Doch was lange Zeit nur als düsterer Schatten den blauen Himmel seiner Katerliebe bewölkte, das braute sich den Winter über zu einem unübersehbaren Unwetter zusammen. Selbst Fritz konnte es nun nicht mehr leugnen: Die Schöne von nebenan wurde immer dicker! Selbst Flori hätte sich bei Regen unter ihren Bauch stellen können, ohne nass zu werden! Wie entsetzlich, dachte Fritz und musste hilflos zusehen, wie die Angebetete immer unförmiger wurde und beim Treppensteigen schnaufte.
Bis zu diesem grauenhaften Tag im März, als die Nachbarin im Morgengrauen verschwand und erst Tage später wieder auftauchte – ohne Bauch, jedoch mit einem ganz furchtbar schrecklichen Alien, das keine Haare hatte, grässliche Geräusche von sich gab und von Zeit zu Zeit auch noch viel schlimmere Gerüche! „Uuuuäääää, uuuuääääää, uuuuuuääääää“ schallte es von der anderen Seite der Wand an Fritzens empfindliche Ohren, und sein kleines Katerherz blutete vor Mitleid für die armen Prinzessinnen und die noch ärmere Nachbarin.
Auch das Personal war offensichtlich voller Angst vor dem Alien, denn es stellte umgehend einen ganzen Korb voller Alien-Opfergaben vor die Tür der gebeutelten Nachbarn. Vermutlich, um das Alien gnädig zu stimmen, damit es Fritz nicht auffraß. Fritz schauderte es bei dem Anblick. Bei all dem „Uuuäää, uuuääää“ konnte man auch den Prinzessinnen-Flurfunk gar nicht mehr verstehen. Ob die armen Prinzessinnen überhaupt noch am Leben waren? Oder hatte das gefräßige Alien sie bereits verschlungen?
Fritz war richtig erleichtert, als er die Prinzessinnen eines Tages doch noch gesund und munter im Flur erblickte, und rief ihnen zu, dass er jederzeit bereit sei, Flori zu ihrer Rettung auszusenden. Aber die Prinzessinnen verdrehten nur die Augen und seufzten, dass das ja mal wieder so richtig typisch Kater sei, sich wegen so einem kleinen Alien gleich ins Fell zu machen. Keine Nerven, diese Kerle, alles Weicheier!
Ritterlichkeit wird einem in diesen emanzipierten Zeiten einfach nicht gedankt.
Willkommenskörbchen mit Alien-Opfergaben