Im Gegensatz zu ihrem in Freiheit herum streunenden Kollegen fristet die Wohnungskatze ein karges Dasein in reizarmer Umgebung. Längst hat die moderne Haushaltsführung alles aus der häuslichen Umgebung verbannt, was ein wenig Abwechslung in das Leben des kleinen Hausgenossen bringen könnte. Kakerlaken, Mäuse und Stubenfliegen werden mittels neuzeitlicher Errungenschaften wie Leimfallen, Tupperdosen und dem gefürchteten Flauschvorhang aus ihrem bevorzugten Lebensraum verdrängt, der Hang zur Hygiene vernichtet gar das häusliche Biotop für diese Kleinstformen unserer heimischen Fauna. Mit der fatalen Folge, dass unser kleiner flauschiger Freund, der Stubentiger, sich unendlich langweilt, fett und träge wird und seine Existenz auf unseren Sofas verdämmert.
Es ist daher an uns, die Umgebung unseres Lieblings spannend und abwechslungsreich zu gestalten. Indem wir sie zum Beispiel mit Schranktüren ausstatten, hinter denen wir allerhand Dinge zum Herauskramen deponieren. Oder indem wir gleich ganze Räume mit Türen verschließen, deren Öffnung dem Einlass ins Phantasialand gleichkommt.
Mein häusliches Phantasialand heißt Rumpelkammer, misst knappe drei Quadratmeter und beherbergt neben ausrangiertem Gerümpel und Getränkekisten auch den Werkzeugkasten und die Gastherme, was erklärt, warum die Katzen und speziell Flori nicht unbeaufsichtigt hinein dürfen. In der Prä-Flori-Ära war die Rumpelkammer für die gesamte Hausgemeinschaft frei zugänglich. Floris Interesse an den Feinheiten der Gas-Wasser-Installation ließ eine Access-all-Area-Mentalität jedoch nicht länger ratsam erscheinen. Fortan blieb die Rumpelkammer zu und darf nur noch unter Aufsicht betreten werden.
Doch ist es gerade jener Ruch der verbotenen Zone, der die Rumpelkammer nicht nur für passionierte Hobbyinstallateure interessant macht. Kaum geht die Tür auf, trappeln Pfoten durch den Flur, und die No-Go-Area wird im Sturm erobert. Während Fritz sich dabei wie üblich auf eine eher harmlose Erkundung des Gelben Sacks beschränkt, hat Flori – ebenso üblich – eine perfidere Strategie entwickelt, um aus der Eroberung der Tabuzone eine Besetzung zu machen. Unter dem Regal steht nämlich die Katzenfalle. Die Katzenfalle passt von der Länge her exakt unter das Regal, und zwischen Regalunterseite und Fallenoberseite passt exakt ein fetter Kater, der sich in den Freiraum presst und sich mit den Krallen ins Gitter hakt.
Dieses Szenario spielt sich vorzugsweise zur Zubettgehzeit ab. Bevor ich zu Bett gehe, deponiere ich nämlich auch den Mülleimer in der Rumpelkammer, der sonst unweigerlich aus dem Schrank geholt und umgekippt wird. Gemeinsam mit dem Mülleimer halten auch Fritz und Flori Einzug in der Rumpelkammer, was in der Regel nicht geplant und auch nicht erwünscht war. Fritz wird aus dem Gelben Sack gezogen und in den Flur verfrachtet, anschließend muss unter undamenhaftem Fluchen die Katzenfalle unter dem Regal hervor gezerrt und der verhakte Flori von ihr gelöst werden. Unterdessen ist Fritz wieder herein marschiert und hat sich hinter einem alten Klappsessel verschanzt. Ist Fritz geborgen, hockt Flori wieder auf der Falle.
Irgendwann befinden sich beide Kater außerhalb der Rumpelkammer, das Personal geht zu Bett, sinkt ermattet nieder und löscht das Licht. Gnädig senkt sich der Schlummer auf mein müdes Haupt – bis aus der Rumpelkammer ein leises „Huh?“ erklingt, das sich zu einem etwas lauteren „HUHUU!“ und schließlich zu einem unüberhörbar lauten „MIIIEEEPP!!!!!“ steigert.
Mist. Natürlich. War ja klar. Während ich mit der Evakuierung der Kater beschäftigt war, ist Miss Campbell unbemerkt in die Rumpelkammer gehuscht und beschwert sich nun vernehmlich über diese unzumutbare Form der Freiheitsberaubung. Also: Licht an, raus aus dem Bett, Rumpelkammertür auf, sich auf die Zehen kloppen lassen, zurück ins Bett humpeln. Allmählich sollte ich wirklich mal ernsthaft über den Erwerb von Stahlkappenschuhen nachdenken.
Vielleicht baue ich aber auch um die Therme einfach so eine Art Haikäfig. Dann kann die Tür offen bleiben. Und das Phantasialand und meine Zehen bleiben unbehelligt.