Martin Suter? Also das finde ich ja jetzt vollkommen wirklichkeitsfremd. Ich habe mir aktuell in der Bücherei den neuen Elisabeth-George-Wälzer geliehen für die gemütlichen Stunden am Katzenklo. Das ist viel dicker als ein Suter, und ungefähr dreiviertel der Geschichte behandeln die komplizierten psychologischen Verstrickungen innerhalb des unübersichtlichen Ermittlerhaufens. Da bleibt Zeit genug, immer wieder einmal die Lektüre sinken zu lassen und darüber nachzudenken, wann der Detective Inspector nochmal ein Techtelmechtel mit der Frau des Forensikers hatte und ob der eigentlich auch schon mal mit seiner Assistentin, der im vorletzten Band ermordeten Ehefrau des besagten Inspectors ... und bis man das so für sich aufgedröselt hat, waren garantiert alle einmal auf dem Klo. Martin Suter! Das hat man doch in einem Rutsch durch und kriegt gar nicht mit, was derweil alles ausgeschieden und verscharrt wurde!
Derzeit herrscht aber auch verdächtige Ruhe an der Verdauungsfront, und so habe ich den gestrigen Nachmittag mal nicht im dunklen Flur verbracht, sondern mit Fritz zusammen eine tolle Fahrt durch unser schönes sommerlich-ländliches Münsterland unternommen. Nachdem ich mit den üblichen Wochenend-Kopfschmerzen mittags von der Arbeit heimgekehrt war, widmete ich mich wieder einmal dem Aquarium, in dem allerhand Moos herumschwamm, welches ich heraus fischen und auf die Wurzel binden wollte. Fritz und Flori saßen derweil am Küchenfenster und versahen die Scheiben mit fauvistischen Nasenschleimgemälden, wobei Fritz unversehens in Konflikt mit einer dort herum kriechenden Wespe geriet, die das Beschmiertwerden als provocative art interpretierte und sich mit einem Stich in Fritzens Lippe gegen ihre Vereinnahmung als Kunstwerk verwahrte. Da ich von meiner Moosfischerei und meinen stärker werdenden Kopfschmerzen sehr in Anspruch genommen war, registrierte ich nur am Rande, wie ein Korb vom Küchenschrank flog und ein Fritz an mir vorbei rannte.
Erst als ich mit meinem Aquarieneimer Richtung Tomaten schlurfte, um mein selbst gezogenes Gemüse mit vollgepieseltem Garnelenwasser ertragreich zu düngen, fiel mein Blick auf ein irgendwie deformiertes Köpfchen, das kläglich vom Kleiderschrank lugte, und ich beschloss, sogleich ein Aspirin zu mir zu nehmen. Das Köpfchen sah aus wie das von Fritz nach einem Wespenstich, und das konnte ja nicht sein. Fritz rennt vor Fliegen und Garnelen weg. Fritz beißt nicht in Wespen.
Und schon gar nicht, verdammt noch mal, am Samstagnachmittag, und unter gar keinen Umständen an einem Samstagnachmittag, an dem mein TA mitsamt seinem Handy im Urlaub ist!!!
Ich telefonierte mit meiner Bekannten vom Katzenschutz und bekam die Handy-Nummer der Urlaubsvertretung, wo ich den Rat erhielt, Fritzens Lippe zu kühlen. Nach einem erneuten Telefonat mit der Bekannten packte ich Fritz in den Korb und machte mich in meinen peinlichsten Shorts und mit unrasierten Beinen im Tiefflug auf zur Tierklinik in der Nachbarstadt. (Von der in meinem Heimatkaff bin ich seit Floris Verstopfungs-Therapie nicht mehr so überzeugt.) Mittlerweile schwoll nämlich auch Fritzens Nase, und wir waren übereinstimmend der Meinung, mit Kühlen sei es nicht getan. Fritz half während der Fahrt, indem er lautstark und ausdauernd davon Kunde tat, dass er bislang weder an Atemnot noch an einem anaphylaktischem Schock leide, und so konnte ich unterwegs die Straßenbäume im Blick behalten.
In der Tierklinik bestätigte man mich in der Auffassung, dass Fritzkühlung als Therapie in diesem Falle unzureichend gewesen wäre. Fritz war ein wenig bläulich, und beim Abhören war auch die Lunge auffällig, weswegen er Cortison bekam und ich den Rat, bei erneuten künstlerischen Performances, in denen Wespen eine Rolle spielten, wieder umgehend einen Tierarzt aufzusuchen. Fritz unterhielt die Praxis noch ein wenig mit einer Darbietung der Katzentotenlieder, während ich bezahlte, um dann auf der Heimfahrt eine musikalische Metamorphose von Mahler zu Rammstein zu durchlaufen und zu Hause stinkbeleidigt hinter die Waschmaschine zu flüchten.
Heute morgen ist er schon wieder gänzlich abgeschwollen. Aber ich will trotzdem jetzt versuchen, ihn von Makramee zu überzeugen. Ich finde, Art Performance und Musik sind einfach nicht sein Weg.
Das Akku-Ladegerät der Kamera habe ich leider geschrottet, und der Camcorder macht ziemlich schlechte ... äh ... perspektivisch verzerrte Aufnahmen, aber man kann trotzdem noch eine Katze mit ausgebeulter Oberlippe hinein interpretieren.