Es gibt auf dieser Welt keinen Frieden. Schon lange vermag der wärmende Sonnenstrahl der Harmonie die schwarze Wolkenschicht aus Neid und Egoismus nicht mehr zu durchdringen, die unseren Alltag verdunkelt und unsere Herzen erfrieren lässt. Und selbst da, wo wir glauben, uns ein heimliches Fleckchen paradiesischer Eintracht geschaffen zu haben - in unseren eigenen vier Wänden, umgeben vom unschuldigen Miteinander unserer Haustiere und fernab von einer sich verfinsternden Zeit ... ja, selbst dort spüren wir ihn bisweilen, den eisigen Hauch der Missgunst.
Zwischen Fritz und Flori herrscht seit Freitag Krieg. Eine Stoffmaus hat die brüderlich einander Zugetanen entzweit. Schuld daran trägt eigentlich Lilly, die gerade beschlossen hat, dass Schmusy Nature das einzig akzeptable Nassfutter ist, und wenn sie das nicht kriegt, dann isst sie eben gar nichts oder Trofu!
Beide Alternativen fand wiederum das Personal nicht akzeptabel, weswegen es sich am Freitag nach der Arbeit im qualifizierten Zoofachhandel einfand, um mit Schmusy-Nature-Dosen beladen müde zur Kasse zu wanken. Voller Mitleid erleichterte man mich dort um einiges an Geld, und eine Stoffmaus kriegte ich auch noch geschenkt.
Super Idee. Zu Hause bekam Lilly ihr verdammtes Schmusy, während die Kater mit Macs betankt wurden. Flori war wie üblich schneller fertig als Fritz und beklagte die Ungerechtigkeit einer Welt, die anderer Katzen Näpfe doch offensichtlich reichhaltiger füllte als den seinen. Um das arme Tier zu trösten, packte ich die Stoffmaus aus. Floris Augen leuchteten. Eine Stoffmaus! Toll! Um ein Haar hätte ich beim Aufschneiden der Stoffmaus-Tüte die für die Orientierung so wertvollen Tasthaare des Lieblings entfernt, welcher unvermittelt seine Nase zwischen die Scherenschenkel hielt, konnte dieses Unglück aber gerade noch verhindern.
Nicht verhindern konnte ich, was dann geschah. Kaum war die Stoffmaus geworfen und Flori glücklich los gehoppelt, tauchte wie der Schatten des Verhängnisses Fritz auf, überholte seinen Kumpel, schnappte sich die Stoffmaus und galoppierte damit weg. Für Flori brach eine Welt zusammen. Das war seine Stoffmaus! Der Fritz hat schon einen volleren Napf gehabt, und jetzt klaut der raffgierige Arsch mir auch noch meine Stoffmaus!
Voll gerechter Empörung trampelte Flori hinterher und versuchte, die Stoffmaus wieder an sich zu bringen, was Fritz wiederum überhaupt nicht einsah. Ein Kampf mit Motzen und Spucken entbrannte, die Kontrahenten verkeilten sich ineinander, Fellbüschel flogen. Die Maus lag derweil unbeachtet in der Nähe des Küchentischs.
Als die Diva angerannt kam, war es Zeit zum Handeln. Während Lilly wie ein Ninja-Turtle auf die Kämpfenden herab stürzte und die Kampfhandlungen mit einem gellenden Schrei und entrüsteten Hieben ihrer zarten Pfötchen beendete, brachte ich rasch die Maus an mich und versenkte sie in der obersten Schublade der Flurkommode, bevor die Kampfhähne Zeit hatten, sich von ihrem Schock zu erholen.
Natürlich ist eine Kommodenschublade kein geeigneter Ort, um ein Kriegsbeil nachhaltig zu begraben. Während ich mir am Morgen nach der Schlacht um die Stoffmaus im Bad die Zähne putzte, kam Flori durch den Flur geschlurft, bleib plötzlich wie angetackert stehen und hob witternd die Nase. Mit einem eleganten Satz war das Sumo-Ringer-Kampfgewicht auf die Kommode gehievt und die Schublade als Mausgefängnis ausgemacht. Eine Weile wurde versucht, die Schublade von oben aufzupföteln, und als das nicht gelang, platschte Mr. Sumo wieder auf die Fliesen, richtete sich an der Kommode auf und zog am Schubladenknauf.
Sanft glitt die Schublade auf, die Verheißung war nahe. Man hätte jetzt wieder auf die Kommode springen und die Maus aus der Schublade angeln können, aber Flori hatte seinen sportlichen Tag und beeindruckte das staunende Personal mit einer Schubladenerklimmung durch ein gutes Dutzend mehr oder weniger anmutiger Klimmzüge. Jetzt noch die dort überflüssigerweise ebenfalls gelagerten Mützen und Handschuhe in den weiträumig mit Katzenstreu versorgten Flur geworfen, und endlich dann erfolgte der triumphale Abgang mit der wieder erbeuteten Stoffmaus.
Ich verließ mein zerstrittenes Heim, um mich im Haifischbecken des Berufslebens zu tummeln, und ließ den Dingen ihren Lauf. Der Lauf der Dinge macht nämlich Stoffmäuse nach einem Tag grau und unansehnlich, und als ich nachmittags nach Hause kam, lag die Stoffmaus zerkaut und unbeachtet auf dem Balkon, während die Kater sich darum stritten, wer von ihnen die tote Spinne fressen durfte, die traurig und zerdrückt im Spülbecken lag.
Lilly hatte übrigens im Laufe des Tages beschlossen, dass sie Schmusy Nature nicht mehr mag.