Anlässlich meines einjährigen Thronjubiläums habe ich dem Personal einen wohl verdienten Tag der Ruhe vergönnt und mich dazu herab gelassen, mich höchst persönlich dem jubelnden Volke kund zu tun.
Alter! War das eine beschissene Zeit vor genau einem Jahr. Mein altes Personal war als Untertan überhaupt nicht geeignet, weswegen ich mich auf einmal mitten im verregneten November unversehens in einer ganz neuen und höchst unangemessenen Existenz als Straßenkater wiederfand. Das war ja gar nichts für mich! Mäuse jagen, Mülltonnen durchwühlen und in irgendwelchen zugigen Garagen schlafen? Nee, danke, nicht mit mir!
Ich bin dann erstmal in so eine Schrebergartenkolonie gestiefelt und hab da so treuherzig ich konnte rum gemaunzt. Da fahren die Untertanen ja normalerweise voll drauf ab und kommen gleich mit Kuschelkörbchen und Futtertellern angerannt. Leider erwiesen sich die Kleingärtner aber auch als Kleingeister. Anstatt mir ein geziemendes Heim in ihrer Mitte zu bieten, machten die sich bloß Sorgen um ihre ollen Rosenbeete und riefen den Tierschutz.
Tierschutz, pah! Geh mir bloß weg mit denen. Erst propagieren die die Kappung meiner königlichen Blutlinie, und wenn man die mal braucht, dann kommen sie angefahren, stopfen einen in eine Transportbox und kippen einen ins Katzenhaus im Tierheim.
Hallo?! Ganz toll. Nicht dass ich unter Minderwertigkeitskomplexen leide, aber hier drin war alles voller Perser und hach so niedlicher Babykätzchen. Wie soll man da als weiß gepfötelter Grautiger auffallen?
Ich musste mir eine Strategie ausdenken. Als die Tierheimleiterin zu mir sagte: „Na, was guckst du denn so traurig?“, da hatte ich den rettenden Geistesblitz: Ich setzte mich in eine Ecke und guckte so melancholisch drein wie ich nur konnte. Prompt scharte man sich bestürzt um mich, streichelte mich und kredenzte mir besonders leckeres Essen.
Na ja, schon besser, aber ich war immer noch im Tierheim. Das ist nun mal nicht die angemessene Umgebung für einen Königstiger wie mich!
Eines Tages wurde eine Besucherin ins Katzenhaus gezerrt, die ich auf den ersten Blick als geeignete Untertanin erkannte. Schon wie die was rum stammelte von „wollte doch nur Futter spenden“ und „muss ich mir noch überlegen.“ Die hatte nicht nur das Tierheimpersonal als leichtes Opfer identifiziert!
Aber noch hatte die Tierheimleiterin sie in den Klauen, schubste sie vor den verzottelten Perser und pries den ollen Flokati in den höchsten Tönen. War ja klar. Den wollten die doch bloß wegen der nervigen Bürsterei von der Backe haben! Meine zukünftige Untertanin guckte skeptisch und faselte was von „muss aber zu meinem Jungkater passen.“ Worauf die Tierheimleiterin sie weiter zerrte in Richtung Babykatzenzimmer.
Das war meine Chance. Auf dem Weg zum Babykatzenzimmer mussten sie an mir vorbei. Ich setzte mich in Positur und legte noch eins drauf. Selbst Chuck Norris wäre bei meinem Anblick in Tränen ausgebrochen.
„Oder der da.“ sagte die Tierheimleiterin und deutete auf mich. „Das ist der traurigste Kater im ganzen Tierheim.“
Die Untertanin blieb stehen, ich guckte noch einen Tacken trauriger und die Tierheimleiterin rieb sich die Hände. „Ooooch.“ machte die Untertanin und strich mir über den Kopf. „Was ist denn mit dir passiert, dass du so traurig bist?“
Oh Mann. Na rate mal, wo wir hier sind? Im Tierheim. T-I-E-R-H-E-I-M!!! Und jetzt quatsch hier keine Opern, pack mich ein und nimm mich mit, ich will endlich wieder mal in Ruhe pennen.
„Ich glaub ich nehm den da.“ sagte die Untertanin. „Und der Perser?“ machte die Tierheimleiterin einen letzten Versuch, aber im entscheidenden Moment zeigte die Untertanin einen lobenswerten Hang zur Widerborstigkeit: „Nee, ich nehm den da! Der guckt so traurig. Der ist bestimmt total sensibel, das ist genau der richtige Kumpel für meinen Flori.“
Ja, genau, gut erkannt. Ich bin mindestens so sensibel wie der erwähnte Flori oder Lilly, die bereits seit einer Weile in meinem neuen Domizil residierten. Wir lachen uns immer einen Ast, wenn die Untertanin vorsichtig rum schleicht und uns den Hintern nach trägt, weil wir ja so sensibel sind.
Nach einem Jahr als Herrscher über meine neue Untertanin kann ich jedenfalls mit Bestimmtheit sagen, dass ich mit meinem unfehlbaren Gespür damals die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich kriege immer mein Lieblingsfutter, darf auf dem Sofa pennen, die Wolldecke vergewaltigen und die Tapeten in Kunstwerke verwandeln.
Uns Königstigern ist die Regentschaft über den menschlichen Untertan einfach in die Wiege gelegt. Und wir werden nicht ruhen, bis jeder von uns so einen hat!
Euer Fritz
Nee, das ist ÜBERHAUPT nicht entwürdigend, und ich komm mir auch kein kleines bisschen dämlich vor.
Trotz des königstigerlichen Feiertages hat das Personal noch einen Nachtrag in eigener Sache. Labil wie es ja bekanntermaßen ist, hat es sich nach monatelangem: „Och nö, ich schreib kein Buch!“ nun doch zu einer Veröffentlichung im Selbstverlag entschlossen. Die Umarbeitung dieses Freds in ein Katzen-Tagebuch wird noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, hoffentlich aber noch vor Weihnachten abgeschlossen sein.
Bevor dieses Großereignis die Literaturwelt in ihren Grundfesten erschüttert, findet vorab eine kleine Lesung in meinem Heimatkaff statt. Ein Mitschnitt der Lesung soll als CD angeboten werden, deren Erlös unserem neu gegründeten Tierschutzverein zugute kommen wird.
Und wenn ich dann erstmal meine eigene Fernsehshow habe und eine Villa mit achtzehn Zimmern und einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach, dann gibt’s auch eine vierte Katze!