Eins muss man der Menschheit lassen: Unser Optimismus ist nicht totzuschlagen. Immer noch gibt es Menschen, die daran glauben, dass man Katzen erziehen, Neujahrsvorsätze in die Tat umsetzen und Eiskugeln irgendwann wieder für dreißig Cent kaufen kann. Diese Frohnaturen sind einfach nicht von ihrem Glauben an das Gute in der Welt abzubringen. Ich hasse die.
Dieses Jahr hatte ich auch einen guten Vorsatz. Aber nun ist das Jahr grade mal fünf Tage alt, und ich beginne bereits zu resignieren angesichts der absoluten Hoffnungslosigkeit meines Vorhabens. Eines vernünftigen, eines lobenswerten Vorhabens. Eines Vorhabens, das wieder einmal an der ewigen Ambivalenz von felider Hartnäckigkeit einerseits und menschlicher Charakterschwäche andererseits zu scheitern droht.
Irgendwann, es war zur Weihnachtszeit, da trug ich meinen Flori auf den Armen. Flori wird in regelmäßigen Abständen von einem heftigen Liebesbedürfnis ergriffen, und dann möchte er auf dem Arm getragen werden, mein Gesicht mit feuchten Schnüffelküsschen besudeln, tretelnd meine Halsschlagader perforieren und dabei schnurren wie ein Laubsauger. Am häufigsten überkommt es ihn, wenn ich Spaghetti koche, denn dann kann er nebenbei auch noch in die Töpfe gucken.
So war es auch diesmal. Ich rührte mit der einen Hand im Topf, auf dem anderen Arm hing das schlaffe Katertier, knarzte in mein Ohr und schielte auf die Tomatensauce. Hmmm, lecker! Tomatensauce! Cool! Das gibt immer so tolle Muster auf der Tischplatte, wenn man die vom Teller angelt. Auf dem Sofa spitzte Fritz bereits die Ohren, denn man pflegt zu zweit nach Spaghetti zu angeln. Das Personal kann immer nur nach einer Pfote mit der Gabel pieken, und so fällt die Ausbeute an geangelten Spaghetti immer sehr zufriedenstellend aus. Und hinterher versucht man sich dann gegenseitig auf Spaghetti-Latein zu übertrumpfen. Ich hab einen geangelt, der war sooooooo lang! – Pah, Alter! Ich hab einen geangelt, der war soooooooooooooooooooooooo lang! Bestimmt kommt bald DMax und filmt das Ganze.
Während ich so rührte und nachsann, registrierte ich eine zunehmende Lahmheit im linken Arm. Zu Floris Enttäuschung entfernten wir uns von der Tomatensauce und gingen uns im Spiegel anschauen, wo das Personal Floris Erscheinung als recht unvorteilhaft beurteilte. Flori fand, dass das Personal in Wellness-Hose und vollgehaartem Pulli auch nicht gerade ein ansprechendes Bild abgab. „Weißt du was,“ sagte das Personal zum Spiegelbild, „was hältst du davon, wenn wir uns für 2014 vornehmen, dass du ein Kilo abspeckst?“
Ja, klar, mach doch, dachte Flori und schnurrte liebevoll in Richtung Töpfe, wo die Tomatensauce verheißungsvoll blubberte. Gar kein Problem. Am besten fängst du gleich damit an. Ich kümmere mich schon um dein Abendessen.
Erst am nächsten Morgen dämmerte ihm die entsetzliche Wahrheit. Das Personal hatte gar nicht mit seinem Spiegelbild gesprochen. Es hatte ihn gemeint! Er sollte ein Kilo abspecken! Wo er doch jedes Gramm an sich mochte und auch sowieso nie richtig satt wurde! Gerade wollte er sich über das Futter hermachen, das Lilly wie jeden Morgen beim Frühstück für ihn übrig gelassen hatte, da geschah das Unaussprechliche – der Teller wurde fort genommen und die Reste wieder in die Dose getan! Ungläubig setzte Flori sich hin. Sollte das von nun an sein Los sein? Immer nur seine eigene, überhaupt nicht ausreichende Portion zu bekommen?
Doch es kam noch schlimmer. Zum Glück gibt es ja nach dem Frühstück und bevor man den Tisch entert, um sich am Personalteller noch zu bedienen, ein paar Leckerchen. Das hatte man geschickt so eingefädelt, um dem Personal zu suggerieren, dass es in Ruhe den Tisch decken könne, während die Katzen mit ihren Leckerchen beschäftigt waren.
Auch heute gab es glücklicherweise Leckerchen, aber – anstatt sie vor Floris Füßen zu platzieren, wo sie ja wohl logischerweise hin gehören, schmiss das doofe Personal sie in der Küche rum! Flori war total entgeistert und musste hilflos mit ansehen, wie Fritz blitzschnell durch die Küche schoss und alle Leckerchen aufsammelte. Das Personal warf ein Bröckchen etwa einen Meter vor Flori hin und gestikulierte herum. Sollte er da jetzt etwa HINRENNEN?
Unglücklich erhob sich Flori und schlurfte zum Bröckchen. Kaum hatte er das aufgegessen, flog das nächste – schon wieder einen Meter weit entfernt! Flori war schon ganz flau vor lauter Frühsport. Und mit dem dritten Bröckchen vergrößerte sich auch noch die Distanz! Und Fritz steuerte drauf zu! Jetzt hieß es auch noch LAUFEN! Hilfe! Holt PETA!!!
PETA kam nicht. Aber Lilly. Lilly ist nicht unbedingt zu jeder Zeit für Leckerchen zu haben und ruht nach dem Frühstück lieber auf ihrem Kissen. Wenn sich jedoch Aufregung in der Küche breit macht, dann verlässt sie schon mal ihren Diwan und kommt nachschauen, was da nun wieder los ist und ob man da vielleicht mal für Ruhe sorgen muss.
Aha, Leckerchen. Na ja, mal sehen, was gibt’s denn? Oh, Anti-Haarballen-Knuspertaschen! Ja, doch, die mag ich auch. Lilly pflanzte sich unter dem Küchentisch aufs Hinterteil und warf dem Personal gebieterische Blicke zu. Das Personal warf Lilly eine Knuspertasche zu und rief enthusiastisch was von „Lilly Leckerchen!“ Lilly sah ungläubig drein: Ja, das seh ich, aber kannst du nicht zielen? Ich sitze unter dem Küchentisch und nicht vor dem Kühlschrank! Da – das haben wir jetzt davon. Jetzt hat’s der Fritz gefressen, der alte Gierschlund. Also bitte, noch eins. Und diesmal legst du das gefälligst vor meine Füße.
Das Personal warf schon wieder daneben. Nun reichte es aber. Entrüstet stand Lilly auf, baute sich vor dem Personal auf und verlieh ihrem Unmut über dessen unzumutbare Unfähigkeit lautstark Ausdruck. Eingeschüchtert platzierte das Personal daraufhin drei Knuspertaschen vor Lillys Füßen, die sie kurz beschnupperte und dann beleidigt liegen ließ: Püh, jetzt will ich die auch nicht mehr!
Flori schon. Glücklich inhalierte er die verschmähten Leckerchen, das Personal packte desillusioniert die Dose in den Schrank und streute sich Asche aufs Haupt ob seines kläglichen Versagens. Aber: Das Jahr ist ja noch jung – und das Internet voll von Tipps zu Spiel, Spaß und gesunder Ernährung!
Flori ist nicht satt geworden
P.S.: Ich möchte bitte auch Kratzbeton!!!