Ich hatte eine glückliche Kindheit, in der alles viel besser war. Zum Beispiel das Wetter. Aber auch sonst alles. Die Flüsse verliefen in schnurgeraden Betonbetten, anstatt durch irgendwelche Biotope zu mäandern, es gab noch Atomkraftwerke und Waldi-Eis. Nichts davon hat die Zeiten überdauert. Das stimmt mich oft sehr traurig. Vor allem über den Niedergang des Waldi-Eises bin ich nur ganz schwer hinweg gekommen.
Umso unbegreiflicher erscheint mir das Überleben der Pücklerschnitte. Schon als Kind war mir der große Erfolg der Pücklerschnitte irgendwie nicht ganz geheuer. Ohne mich jemals mit marktstrategischen Überlegungen auseinandergesetzt zu haben, wollte mir nicht einleuchten, aus welchen unerfindlichen Gründen man drei ganz unterschiedliche Eissorten nebeneinander zwischen zwei Waffeldeckel presst. Wie groß ist bei einer solchen Konstellation die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten die ganze Pücklerschnitte verschmähen, weil sie eine der drei Sorten nicht mögen! Ich beispielsweise mag einfach kein Erdbeereis, und deswegen investierte ich mein ganzes Taschengeld in Waldi-Eis und strafte die Pücklerschnitte mit Verachtung.
Und doch wollte es der Lauf dieser sonderbaren Welt, dass das Waldi-Eis still und leise im Fluss der Zeit auf den Grund des Vergessens hinab sank, während die Pücklerschnitte auf den wogenden Wellen des Speiseeistrends elegant bis an die Gestade des einundzwanzigsten Jahrhunderts surfte.
Es ist wohl diese an sich so ambivalente Erfolgsstory, die auch andere Zweige der Nahrungsmittelindustrie dazu inspirierte, die Strategie auf ihre eigenen Produkte anzuwenden. Zum Beispiel auf Katzenfutterdosen. Bei der Katzenfutterdose geht der Trend eindeutig zur Schichtbefüllung. Wenn man mehrere Katzen hat, kann man das eindeutig beobachten.
Ich jedenfalls beobachte schon seit einiger Zeit eine ganz offensichtliche Pücklerisierung der von mir verfütterten Alleinfuttermittel für ausgewachsene Katzen, ganz gleich welchen Herstellers. Gestern zum Beispiel gab es Lux Zarte Fleischmahlzeit mit herzhaftem Wild und Leber. Schon die Anwendung so gegensätzlicher Adjektive wie „zart“ und „herzhaft“ gemahnt ja ein wenig an die Konstellation „Schokolade“, „Vanille“ und „Erbeer“ und verweist auch Nicht-Germanisten in Richtung Pücklerschnitte. Andererseits: Wer liest schon, was draußen auf der Dose steht, wenn ihm drei schreiende Katzen am Ärmel hängen? Richtig: Niemand. Man sieht zu, dass der Deckel aufgeht und der Fraß auf die Teller kommt.
Für den Nicht-Eingeweihten sieht der Fraß auch auf allen Tellern gleich aus, braune Pampe mit brockigem Gekröse drin. Doch der Eindruck täuscht! Längst wird auch in der Tiernahrungsindustrie das Schichtprinzip der Pücklerschnitte angewandt. In Wirklichkeit hat der eine Vanille, der zweite Schokolade und der dritte Erdbeer vor sich, wobei der erste lieber Schokolade, der zweite lieber Erdbeer und der dritte lieber Vanille hätte, weswegen sich nun eine Art Rotationsprinzip in Gang setzt. Dies ist jedoch auch nicht von Erfolg gekrönt. Beim Rotieren landet Vanille bei Erdbeer, Erdbeer bei Schokolade und Schokolade bei Vanille, worauf neuerlich um die Teller rotiert wird. Erschwerend kommt hinzu, dass Vanille seinen Teller zum größten Teil bereits leer gefressen hatte, bevor er zu Erbeer gewechselt ist, der seinerseits Schokolade von dessen Teller weg schubst. Schokolade steht jetzt vor dem fast leeren Vanille-Teller und will dann wenigstens seinen Schokolade-Teller zurück, den Erdbeer aber nicht mehr rausrücken will. Während Erdbeer und Schokolade sich noch angiften, kommt Vanille angewankt und haut sich auch noch den Schokolade-Teller rein.
Dem Küchenpersonal ist angesichts dieser unüberschaubaren Katzen-Teller-Rotation schon ganz schwindelig geworden, und es möchte hiermit einen dringenden Appell an die Futtermittel-Industrie entsenden, vom Pücklerschnitten-Prinzip bei der Katzenfutterdosen-Befüllung gefälligst wieder Abstand zu nehmen. Wenn ich mit ansehe, wie sich meine drei Lieblinge zweimal täglich gegenseitig um die Näpfe schubsen, dann könnte ich glatt auf den unschönen Gedanken kommen, die seien futterneidisch!
(Vielleicht könnte der NSA sich mal DARUM kümmern, anstatt sich mit meiner Schmutzwäsche zu befassen?
😀)
Nachtrag: Flori sagt, den Paketen mit den Urlaubskatzen können ruhig ein paar Pücklerschnitten beigelegt werden. Er würde sich auch des Erdbeereises annehmen.
Iiieeeh, Blattspinat und Champignon-Baguettes!