Man sollte immer einen gewissen Vorrat an Zylkene, Bachblüten-Rescue-Tropfen oder Valium-Globuli im Hause haben. Oder wenigstens warme Milch mit Rotwein. Dann muss man abends nicht dumm in der Küche herum stehen und sich fragen, wie um alles in der Welt man einen Fritz beruhigen soll, der soeben wieder mal ein mittelschweres Trauma erlitten hat.
Es ist Samstag am frühen Abend, es regnet, und die Katzen liegen missmutig auf dem Sofa herum. Schuld am Regen ist die Stadt, die traditionell jedes Jahr ihr Stadtfest an einem Sommerwochenende mit Temperatursturz und Dauerregen feiert. Auch das Personal grämt sich, hat es doch gestern bei Sonnenschein und lauer Luft in bester Grilllaune den Kühlschrank bestückt. Nun ist ihm nicht nach Grillen zumute, und es sieht einem trostlosen Abend bei Tiefkühlpizza entgegen.
Da dringt mit einem Mal ein ungewohntes Geräusch an die Ohren von Lilly, Fritz und Personal. Nicht das übliche Hupen, Fluchen und das heitere Klirren abgefahrener Autospiegel, das seit der grandiosen Verkehrsberuhigung die Geräuschkulisse bildet. Nein, dieses Geräusch ist rhythmisch, laut und irgendwie archaisch, aus einer Zeit, die zwar schon das Fluchen, nicht jedoch das Hupen und das heitere Klirren abgefahrener Autospiegel kannte. Trapp-trapp-trapp, klingt’s auf der Straße, und das Personal wird ganz aufgeregt und läuft ans Schlafzimmerfenster.
Fritz würde auch gerne gucken, was da trapp-trapp-trapp macht, aber Fritz ist noch ein bisschen beleidigt. Heute Mittag waren Fritz und Flori nämlich unzumutbare zehn Minuten lang im Schlafzimmer eingesperrt, weil das Personal in der Küche die Vermieterorder ausführte, nun doch die Schutzklebestreifen an den neuen Fensterrahmen außen zu entfernen, die zunächst wegen der drohenden Hausneuverputzung hatten kleben bleiben sollen. Und weil das Personal den Katern nicht ein kleines bisschen Spaß gönnt, blieben sie derweil kaserniert, anstatt auf dem Blumenladen-Vordach unterhalb des Küchenfensters spazieren zu gehen. Das war voll gemein, und Fritz schmollt immer noch und geht lieber nicht mit ins Schlafzimmer, und zu gucken, was da trapp-trapp-trapp macht. Nachher geht er gucken, und dann ist wieder die Tür zu.
Das Personal kommt angerannt, reißt den schlafenden Flori vom Sofa und rennt mit ihm zum Schlafzimmerfenster, wobei es was von „Guck mal Flori ein Pferd!“ brabbelt. Fritz ist immer noch misstrauisch. Bestimmt geht gleich die Tür zu, und dann kommt das Personal ihn holen und sperrt ihn auch noch ein. Aber Fritz ist ja nicht doof. Fritz läuft rasch in die Küche und springt auf die Spüle, um zu gucken, was da trapp-trapp-trapp macht.
Und da sieht er es. Unten auf der Straße. Da läuft ein voll großes braunes Tier, dessen Füße einen unglaublichen Lärm machen, und zieht eine voll große Kiste mit Rädern hinter sich her. Fritz fürchtet sich fast zu Tode. Wenn das große braune Tier ihn jetzt hier am Fenster sieht und die Treppe rauf kommt, um ihn zu fressen? Es sieht mordsgefährlich aus und hat schon einen Menschen in die Kiste gesteckt, die es hinter sich her zieht! Vor lauter Angst ist Fritz wie gelähmt, und die Erkenntnis, dass das Personal zuerst Flori in Sicherheit gebracht und Fritz einfach so dem Ungeheuer auf der Straße da unten überlassen hat, bricht ihm schier das Herz.
Sekunden verstreichen. Sekunden voller Todesangst, die einem verlassenen Kater wie Stunden erscheinen wollen, bis endlich, endlich das große braune Tier den Blumenladen passiert hat und nun am Bäckerladen vorbei trapp-trapp-trappt. Zitternd und bebend, immer noch unfähig sich zu rühren steht Fritz auf der Spüle und blickt dem Untier bange hinterher. Jetzt, erst jetzt kommt auch das Personal in die Küche getrampelt, es hat immer noch Flori auf dem Arm und schreit „Fritz, hast du auch das Pferd gesehen?“
Halb ohnmächtig rutscht Fritz von der Spüle. Gerne würde er auf seinen Kleiderschrank flüchten, aber dazu wackeln ihm viel zu sehr die Knie. Mit letzter Kraft gelingt es ihm, wenigstens das Küchenbuffet zu erklimmen, wo er erschöpft nieder sinkt, den verschreckten Blick immer noch auf das Küchenfenster gerichtet.
Trapp-trapp-trapp, verklingt es in der Ferne. Zurück bleiben eine leere Straße, die Stille eines Regenabends und ein verstörter kleiner Kater auf einem Küchenschrank …
Es war MINDESTENS drei Meter groß und hatte GLÜHENDE Augen und RIESIGE Zähne und FURCHTBARE Pranken! Ganz EHRLICH!!!
Miezis Tante: Nein, Flori isst nicht mit der Gabel. Flori isst mit Stäbchen!
😀