Alles gut hier! Unwetter schütten sich immer über dem Ruhrgebiet, Steinfurt und Münster aus - deswegen mache ich auch immer rasch, dass ich weg komme, wenn ich in Münster bin und Gewitterwolken ziehen auf ... Ich musste allerdings während des Regens Flori retten, der mal wieder total fasziniert im Gehege hockte und hingerissen auf die nieder stürzenden Wassermassen starrte, während Lilly drinnen Zeter und Mordio schrie und sich erst beruhigte, als ich mit dem dicken Kind im Arm rein kam. Ein bisschen Wasser hat sich auf dem Balkon gestaut und sich unter der Tür durch gedrückt, man konnte es aber mit Badetüchern an der weiteren Ausbreitung hindern.
Die weiteren Ereignisse:
Jede Katze ist ein Individuum. Eine ganz eigene kleine Persönlichkeit. Es gibt zurückhaltende und forsche Katzen, kapriziöse und gutmütige, sensible und rustikale, ängstliche und mutige. Ganz wie bei den Menschen. Und ganz wie bei den Menschen unterliegen solche Persönlichkeitsmerkmale nicht selten dem erbarmungslosen Diktat des Zeitgeistes. Es färbt eben alles ab auf das domestizierte Tier. Und weil sensibel, ängstlich und zurückhaltend uncool ist, hat sich Fritz jetzt überlegt, dass er mal was an sich verändern möchte. Damit nicht immer alle Fritz-Geschichten mit den Worten enden: „ … und Fritz floh auf den Kleiderschrank.“
Wie steht man denn dann da für die Nachwelt! Als olle Memme, die vor Pferden, Fliegen und Garnelen wegrennt und sich in luftiger Höhe vor dem Angriff einer feindlichen, erbarmungslosen Welt in Sicherheit bringt, während ein dicker Täuberich und eine senile Gewitterziege sich furchtlos und unerschrocken jedem Kampf entgegen werfen! Nein, so will er nicht länger in der Öffentlichkeit da stehen, dachte Fritz und beschloss, an sich zu arbeiten. Heimlich begann er, sich mit Tortellini-Yoga zu beschäftigen und seinen Geist für die Konfrontation mit den zahllosen Schrecken einer Welt zu stählen, die keine Gnade für die Sanften kennt.
Heute morgen war seine Stunde gekommen. Das Personal wälzte sich auf dem Teppich im Schlafzimmer herum und machte irgendwelche Verrenkungen, die „Gymnastik“ heißen, wobei es herum ächzte und kein schönes Bild abgab. Fritz saß auf der Fensterbank und trainierte seine geistige Stärke, indem er diesen Anblick stoisch ertrug. Auf einmal fuhr das Personal in die Höhe und quiekte: „Iiiiihh, ein Tausendfüßler!“
Fritz atmete tief bis in die Schwanzspitze, wie er es im Tortellini-Yoga gelernt hatte, und sprach sein Mantra: Ich bin ein Tiger im wilden Wald, ich bin ein Tiger im wilden Wald! „Fritz!“ kreischte das Personal und deutete aufgeregt auf den Teppich. „Fritz, guck mal, ein Tausendfüßler!“ Na gut, dann guck ich eben, dachte Fritz mutig und gestählt, schlimmer als Gymnastik kann’s ja auch nicht aussehen. Und so guckte Fritz. Der Tausendfüßler hatte wirklich ziemlich viele Füße und Zangen am Kopf. Fritz grauste sich ein bisschen und sprach nochmal sein Mantra, und dann sprang er mit einem mutigen Satz auf den Teppich wie ein Tiger im wilden Wald.
Der Tausendfüßler erkannte sogleich, dass hier einer kam, mit dem nicht zu spaßen war, und krabbelte unter den Dielenschrank. Fritz verfolgte ihn unerbittlich und postierte sich vor dem Schrank. Der sollte es nur wagen, wieder hervor zu kommen!
Das wagte der Tausendfüßler nicht. Gewiss gibt es auch unter Tausendfüßlern ausgeprägte Individuen, und dieser war einer von der feigen Sorte. Oder er konnte kein Tortellini-Yoga. Jedenfalls quetschte sich der Tausendfüßler unter die Fußleiste und stellte fest, dass ihn ein glückliches Schicksal in eine ausgebaute Dachgeschosswohnung geführt hatte, in der das Schlafzimmer mit einer Rigips-Platte vom Rest der Behausung abgeteilt war. Und dass sich zwischen Boden und Rigips-Platte eine schmale Ritze befand, gerade groß genug für einen Tausendfüßler!
Indes hatte er nicht mit dem wachen Geist gerechnet, der dem Tiger im wilden Wald innewohnt. Als der Tausendfüßler nicht wieder zum Vorschein kam, marschierte Fritz in die Küche und postierte sich vor dem Buffet. Flori war jetzt auch aufmerksam geworden und setzte sich daneben. Der Tausendfüßler quetschte sich unter der Fußleiste hindurch und erstarrte vor Schreck: ZWEI Tiger im wilden Wald! Jetzt hatte er verloren.
Nach dieser großen Heldentat spürte Fritz, wie er ein ganz neuer, ein ganz anderer Fritz geworden war. Der neue Tiger-im-wilden-Wald-Fritz rannte auch nicht weg, als eine Motte herein geflattert kam, gefolgt von einem dicken Täuberich und einer senilen Gewitterziege. Nein, der neue Fritz setzte sich an die Spitze der Verfolger, riss mit einem gewaltigen Satz die Küchengardine fast von der Stange und konnte dem Personal stolz die erlegte Beute präsentieren!
Was dann folgte, hätte den alten Fritz sogleich wieder verzagen und melancholisch den Kleiderschrank erklimmen lassen. Anstatt ihn für seine Selbstüberwindung und seinen Heldenmut zu loben und zu preisen, fing das Personal an herum zu fuchteln und zu kreischen: „Oh nein, ein Pfauenauge! Böser Fritz!“ Doch konnte diese Reaktion Fritzens neu gestähltem Geist nichts anhaben. Gelassen wandte er sich ab und begab sich in die Dreckecke, wo er seine Beute verzehrte, obwohl die ziemlich staubig war und eklig zwischen den Zähnen knirschte. Da steht Fritz jetzt drüber. Denn Fritz kann Tortellini-Yoga.
Hasta la vista, baby!