An der Baustellenfront ist es diese Woche verhältnismäßig ruhig geblieben. Dieser erfreuliche Umstand könnte in der weitgehenden Abwesenheit der Gurkentruppen begründet liegen. Der Chef der Dachdecker jedenfalls ist erstmal in den Urlaub gefahren, und in seiner Abwesenheit darf das Dach nicht weiter gedeckt werden. Immerhin sind auf der Straßenseite schon die Pfannen drauf. Man muss ja nichts überstürzen. Es regnet auch nicht mehr durch, die undichte Stelle am Kamin wurde zumindest schon mal abgedichtet.
Es ist nicht zu übersehen: Die Arbeit schreitet rasant voran
Bis auf einen stromlosen Abend, an dem im Keller irgendwelche Zähler ausgetauscht wurden, verlief das Leben in der Villa Campbell also weitgehend unbeeinträchtigt. Wenn man mal vom spektakulären Tod der Mikrowelle absieht, als der Strom wieder eingeschaltet wurde. Die Mikrowelle war schon sehr alt. Vermutlich war ihre Zeit einfach gekommen. Und immerhin hat sie sich mit einem Aufsehen erregenden Feuerwerk von uns verabschiedet, das vor allem Flori sehr beeindruckt hat.
Der Balkon im Herbst 2014. Ein Idyll.
Jetzt jedenfalls ist der Strom wieder da, das Personal hat kurzerhand die Mikrowelle der Katzengroßeltern konfisziert, die ohnehin ein sehr stiefmütterliches Dasein geführt hat, eine goldene Septembersonne ergießt ihren warmen Schein über die die kaputten Dachpfannen und zerfledderten Dämmplatten auf dem Balkon, und Lilly genießt das schöne Wetter in dem Sessel, den das Personal sich ans Fenster gestellt hat. Keine Sturzbäche, keine Staubwolken, keine funkensprühenden Elektrogeräte. Das Leben könnte friedlich sein. Wäre da nicht die Wolldecke.
Ja, die Wolldecke. Die Wolldecke wurde bereits im letzten Winter in weiser Voraussicht am Schnäppchentisch bei Aldi mitgenommen. Besser, man hat eine Ersatzwolldecke im Schrank liegen, hat das Personal damals gedacht. Wer weiß, wann Fritz seine Wolldecke tot getretelt hat. Das kann ganz schnell gehen. Schneller als eine Mikrowelle explodiert. Und dann liegst du da mit deinen nackten Beinen und einem Kater mit sexueller Fehlorientierung.
Nun ist die neue Wolldecke im Einsatz, und Fritz hat einige Tage lang sehr mit ihr gehadert und traurig und verloren auf dem Teppich gesessen und sehnsüchtige Blicke zu dem ihm fremd gewordenen Sofa geworfen. Flori hingegen fand die neue Wolldecke ganz prima und hat sie gleich zum neuen Lieblingsschlafplatz erkoren. Die neue Wolldecke ist dunkelrot und bildet einen außerordentlich reizvollen Kontrast zu weißen Katzenhaaren. Flori findet das total ästhetisch. Die neue Wolldecke ist auch nicht so zerrupft oder verströmt so einen penetranten Fritzgeruch. Flori ist glücklich mit der neuen Wolldecke. Bis Freitagabend.
Freitagabend hat Fritz seinen Trennungsschmerz überwunden und das Sofa erklommen. Nun klemmt er wieder am Personalbein, schnurrt brünftig und bearbeitet die neue Wolldecke. Das Personal hat ein bisschen Kopfschmerzen, weil es über eine vor der Balkontür liegen gelassene Dämmplatte gestolpert und mit dem Kopf ans Gerüst geknallt ist, woran es sich aber fast schon so gewöhnt hat wie an die kleinen Löcher im Bein, die Fritz beim Treteln in seine Haut bohrt. Das Leben ist nichts für Weicheier. Da taucht Flori auf der Sofalehne auf.
Flori erblickt den tretelnden Kumpel, und etwas Verschlagenes stiehlt sich in seinen Blick. Alter, jetzt fängt das wieder an! Aber nicht dieses Mal, nicht mit meiner Decke.
Flori wartet, bis Fritz fertig getretelt hat und erschöpft nieder sinkt. Fritz dreht sich noch ein paarmal hin und her und rollt sich mit einem Seufzen auf dem Personalbauch zusammen. Floris Blick beginnt zu flackern. Da wollte er sich hinlegen! Erst die Decke zerrupfen, und sich dann auch noch an die weichste Stelle legen! Na warte.
Flori stampft über die geschundenen Personalbeine hinweg, schmeißt sich auf Fritzens Rücken und beginnt enthusiastisch seine Ohren zu putzen, wobei er hingebungsvoll schnurrt. Fritz freut sich, schließt die Augen und reckt den Hals. Flori putzt und schnurrt und schnappt dann unvermittelt nach Fritzens Halsschlagader wie ein schmachtender Vampir. Fritz quellen die Augen raus, und er beginnt zu röcheln und versucht, sich auf den Rücken zu drehen. Flori bringt sein durchtrainiertes Kampfgewicht zum Einsatz und drückt Fritz in die misshandelte Wolldecke. Fritz strampelt. Flori lässt unvermittelt los. Fritz rollt vom Sofa, kullert über den Teppich davon und wird von Lillys Schlafkissen ausgebremst.
Die Diva ist äußerst ungehalten und verpasst dem ungebetenen Besuch erstmal ein paar Ohrfeigen. Während Fritz sich mit zerzausten Ohren kleinlaut von dannen schleicht, dreht Flori sich auf dem Personalbauch ein paarmal hin und her und lässt sich dann zufrieden nieder plumpsen.
So sind sie, die Kerle. Kommt eine Wolldecke ins Spiel, ist’s vorbei mit der Kameradschaft.
Vor dem Hintergrund der dunklen Decke kommt der blütenweiße Athletenkörper hervorragend zur Geltung.
(Und bitte - keine Unkereien mehr über tanzende Handwerksmeister! Ich möchte diese Bilder einfach nicht im Kopf haben. DAFÜR wäre dann wirklich eine 100%ige Mietkürzung fällig.
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