Die Natur ist erbarmungslos. Nur die Klügsten, Stärksten, Schnellsten setzen sich durch im täglichen Überlebenskampf. Die anderen gucken in die Röhre. Oder an die leere Wand, an der doch eben noch die Motte saß.
Auf seinem steinigen Weg zum Erwachsenwerden muss Flori so manche Herausforderung bewältigen. Zum Beispiel erschlagene Motten zurückerobern. Oder eine Strategie entwickeln, eine Dreiviertelstunde unfreiwilliger Kerkerhaft zu überleben.
Das Personal pusselt schon wieder kopflos in der Wohnung umher. Gerade hat es unter dem Schrank ein Depot leerer Futterdosen und -schälchen ausgehoben, das die Katzen dort offenbar für schlechte Zeiten angelegt haben. Schließlich geht das Personal jeden Tag weg, und manchmal kommt es nicht pünktlich zur Futterzeit zurück, und dann kann man eine leere Dose hervor holen und mit der Pfote ein bisschen drin herum popeln. Manchmal findet man auf diese Weise noch einen Krümel. Leider inspiziert das Personal die Verstecke regelmäßig und trägt die eiserne Reserve dann vor sich hin motzend in die Rumpelkammer, um sie im Gelben Sack zu versenken.
Flori geht mit und versteckt sich unter dem Regal. Das Personal versenkt die Dosen und geht wieder raus. Flori wartet gespannt. Bestimmt kommt das Personal gleich wieder und versucht, ihn unter dem Regal hervor zu ziehen. Das ist immer total lustig. Flori verkeilt sich dann in dem Gerümpel unter dem Regal, und dann wird das Personal rot im Gesicht und sieht unheimlich witzig aus.
Heute kommt das Personal allerdings nicht wieder, um an Flori zu ziehen. Komisch. Flori tappst zur Tür. Die Tür ist zu. Flori maunzt fragend. Fritz antwortet von draußen, aber es kommt kein Personal. Flori kratzt von innen an der Tür und Fritz von außen. Das scheint Flori nicht sehr effizient. Das kann ja Tage dauern, bis man gemeinschaftlich ein Loch in die Tür gekratzt hat, durch das Flori hindurch passt.
Flori setzt sich hin und denkt nach. Der wichtigste Survival-Grundsatz lautet: Suche nach Nahrung! Und Flori spürt schon, wie der Hunger in seinen Eingeweiden nagt. (Gut, das spürt er eigentlich dauernd, aber trotzdem.) Das Personal holt doch immer die Futterdosen aus der Rumpelkammer. Vielleicht kann er eine aufnagen?
Voller Tatendrang klettert Flori ins Regal. Da stehen sie, die Dosen. Und da steht auch eine Schachtel. Mal gucken, was da drin ist – boah, was für ein Glück! Die Schachtel ist voll mit kleinen Folienbeuteln, auf denen „Premium-Katzenfutter“ steht! Flori nimmt sich gleich einen Beutel, nagt ihn auf und stillt den schlimmsten Hunger. Das Premium-Katzenfutter schmeckt echt super. Flori holt sich gleich noch einen Beutel. Man weiß ja nicht, wie lange man hier drin noch ausharren muss. Besser, man frisst sich eine ordentliche Grundlage an. Sind ja noch drei Beutel da.
Draußen vor der Tür knurrt Fritz der Magen. Aus der Rumpelkammer zieht ein verführerischer Duft, und man hört Flori schmatzen und kauen. Fritz kratzt an der Tür und maunzt empört. Was sind denn das für neue Methoden! Wieso kriegt Flori in der Rumpelkammer was zu essen und er nicht!
Inzwischen ist auch Lilly von dem herrlichen Duft wach geworden, wackelt eilig durch den Flur und kreischt entrüstet. Das dicke Kind hat sich mit Leckerfutter verbarrikadiert und gibt nichts ab! Unmöglich, sowas! Wo bleibt denn nur das Personal!
Das Personal hat, phlegmatisch wie es ist, als Letzte von den alarmierenden Vorgängen Kenntnis genommen. Jetzt kommt es heran geschlurft und stellt erst mal wenig zielführende Fragen wie: „Was macht ihr denn hier?“ und: „Was poltert denn da so?“ und ganz zum Schluss erst: „Wo ist denn Flori?“, bevor es endlich die Rumpelkammertür aufmacht und gleich mit sinnlosen Statements wie: „Iiiiieeh was stinkt denn hier so!“ und „Bäh! Flori!!! Der ganze Boden klebt!“ mal wieder seine totale Inkompetenz unter Beweis stellt. Anstatt Fritz und Lilly auch ein Beutelchen aufzumachen, schmeißt es alle Katzen aus der Rumpelkammer und schleppt aufgescheucht Feudel und Eimer heran.
Unglaublich. Die Katzen setzen sich vor die Rumpelkammer und warten ab. Fritz und Lilly haben Hunger. Flori guckt etwas glasig und rülpst. Als das Personal wieder zum Vorschein kommt, fangen Fritz und Lilly umgehend an zu schreien. Flori kotzt das Premiumfutter und Teile des Folienbeutels aus. Das Personal kreischt was von „Tierklinik“, „Darmverschluss“ und „Wochenende“ und geht Flori für den Rest des Tages mit der Frage: „Hast du Bauchschmerzen, Flori?“ auf die Nerven.
Flori hat keine Bauchschmerzen. Ihm ist nur etwas flau, weil im Bauch ja nun wieder ein Vakuum ist. Dass das Personal ihn dauernd auf den Rücken rollt und an seinem Bauch rum drückt, macht die Sache auch nicht besser. Als Flori aufs Klo muss, kommt es sogar mit einer Taschenlampe angerannt, kniet sich ganz aufgeregt hin und beleuchtet das Geschehen.
Flori ist fassungslos, aber das Personal ist ganz außer sich vor Freude, weil Flori einen Haufen gemacht hat. Flori versteht das nicht. Er macht doch jeden Tag einen Haufen, und nie freut sich das Personal darüber. Meistens nörgelt es sogar rum, Flori möge doch bitte weniger stinken und vor allem besser zielen und nicht grade dann herum müffeln, wenn das Personal beim Essen sitzt.
Reichlich verstört zieht Flori von dannen. Das Personal hat den Haufen ausgebuddelt und beleuchtet ihn begeistert mit der Taschenlampe. Dabei schreit es „Super Flori!“ und „Klappt ja alles!“ und kann sich offenbar kaum lassen vor Entzücken.
Ein bisschen traurig legt Flori sich schlafen. Eigentlich hat er das Personal ganz lieb gewonnen, aber jetzt wird man sich wohl neues suchen müssen. Das alte kommt bestimmt bald in die Klapsmühle.
Letzte Woche stand's noch hier!