Ein trüber Herbstabend. Friedlich sitze ich am Schreibtisch und google mich durch Weihnachtsplätzchenrezepte, als mit einem Male der Frühling erklingt. Aus dem Telefon. Das dudelt nämlich den Frühling aus Vivaldis Vier Jahreszeiten, wenn einer anruft. Damit kann Lilly leben. Mit anderen Klingeltönen nicht. Da wird sie ganz rebellisch. Bei Vivaldi pennt sie weiter.
Am Telefon ist mein Vater. Er ist ganz aufgeregt und schreit, ich müsse sofort den Fernseher einschalten, da käme jetzt ein Tischler, der Fitnessgeräte für Katzen baue. Das wäre doch bestimmt auch was für Flori. Ich solle mir das unbedingt ansehen. Vielleicht könnte man ja ein Fitnessgerät nachbauen.
Ich bin ein bisschen vergrätzt. Ich mag das gar nicht, wie immerzu Andeutungen über Floris leichten Hang zur Unförmigkeit gemacht werden. Von „Hängebauchschwein“ (meine Mutter) über „Fettsack“ (Tierarzt) bis zu „So’ne dicke Katze haben meine Eltern auch!“ (Nachbarin) musste ich mir schon allerhand Unverschämtes über meinen kleinen Liebling anhören. Und jetzt auch noch Fitnessgeräte für Katzen. Ich sehe Flori schon auf einem kleinen Stepper vor mir, wie er mit tränenfeuchten Augen zu mir aufblickt, die Pfötchen an die Pedalen geschnürt. Fitnessgeräte für Katzen, so’n Blödsinn.
Ich schalte den Fernseher ein und gucke mir den Beitrag an. Dann ruft der Vater wieder an und will wissen, ob wir nun für Flori auch ein Fitnessgerät bauen sollen. Die Katzen in dem Beitrag hätten doch so viel Spaß an ihren Fitnessgeräten gehabt. Vor allem an dem in Deckenhöhe. Ich stelle mir das grobmotorische Hängebauchschwein an einem Katzen-Fitnessgerät an der Decke vor, wie es wieder mal die Balance verliert und aus vier Metern Höhe auf mich herab plumpst. Ich lehne den Bau des Decken-Fitnessgerätes kategorisch ab. Der Vater heißt mich einen Langweiler und Spielverderber und legt auf.
Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Gleich am nächsten Tag baue ich meinen Katzen ein super Fitnessgerät. Eigentlich mehr aus Versehen. Und auch nicht in Deckenhöhe. Aus Holz getischlert ist es auch nicht. Aber es kommt trotzdem prima an bei den Katzen. Und darum stelle ich jetzt hier meine Bastelanleitung vor. Aufgepasst: Wir bauen ein Katzen-Fitnessgerät!
Zunächst einmal benötigen wir ein Typographiebuch. Es kann auch ein anderes Buch sein. Hauptsache, in dem Buch ist eine Karte, auf der ein Code steht, mit dem man sich im Internet auf der Verlagshomepage einloggen kann, um irgendwelche tollen Sachen downloaden zu dürfen. Die tollen Sachen sind dann gar nicht so toll. Aber um das festzustellen, musste man zunächst ein Formular ausfüllen und seine Adresse angeben, und nun bekommt man alle drei Monate einen schönen Katalog mit dem aktuellen Verlagsprogramm zugesandt.
Dieses Mal ist sogar ein auf A-4-Format gefaltetes Poster mit ausgewählten Highlights des Verlagsprogramms dabei. Wir beginnen den Bau unseres Fitnessgerätes damit, den Katalog als Klolektüre im Badezimmer zu deponieren. Dann falten wir das Plakat auseinander. Nun kommen wir zu dem Schluss, dass wir keinerlei Verwendung für Verlagsprogramm-Highlight-Plakate haben, als es irgendwo in der Wohnung unheilverkündend rumpelt und poltert. Offensichtlich trainiert das Hängebauchschwein mal wieder an den Schranktüren. Wir schmeißen das auseinander gefaltete Plakat auf den Wäschekorb, der noch vor der Waschmaschine steht, und rennen in die Küche. Das Hängebauchschwein hat die Rührschüsseln aus dem Schrank geräumt und unter den Küchentisch gerollt. Vermutlich hat es gesehen, dass Plätzchenrezepte gegooglet wurden, und will nun bei den Backvorbereitungen helfen.
Schritt zwei auf dem Weg zum Katzen-Fitnessgerät: Wir vergessen das Plakat auf dem Wäschekorb, weil wir grade keine Lust haben, es wieder zusammen zu falten und dem Altpapier zuzuführen. Auch mangelt es uns an Lust, den darunter verborgenen Wäschekorb endlich mal ins Schlafzimmer zu bringen und die Wäsche in den Schrank zu räumen. Wir sagen uns, dass wir morgen alles aufräumen werden. Das Plakat und den Wäschekorb. Ganz ehrlich.
Am anderen Tag sind das Plakat und der Wäschekorb aber schon kein Plakat und kein Wäschekorb mehr, sondern über Nacht zu einem Katzen-Fitnessgerät mutiert. Als ich nach Hause komme, ist das Plakat zerfleddert und zerfitzelt und überall auf der Wäsche verstreut. Während ich noch mit mir hadere, weil ich die Aufräumarbeiten auf heute verschoben habe, kommen Fritz und Flori um die Ecke gerast und demonstrieren, wie sie am Fitnessgerät trainiert haben: Der, der vorne ist, vollführt einen Weitsprung auf das Plakat im Wäschekorb, und der, der hinterher rennt, macht einen Salto vor dem Wäschekorb. Dann boxt man miteinander, wobei man möglichst viele neue kleine Fitzel aus dem Plakat fetzt und auf der Wäsche verteilt. Zum Schluss sprintet man zu zweit um den Wäschekorb herum, boxt dabei weiter nacheinander, fitzelt das Plakat und hüpft ab und zu mal abwechselnd drauf, bis der Wäschekorb umkippt. Jetzt kann man beruhigt in die Küche gehen und nach einem Energiedrink schreien.
Ich bin beeindruckt. Als nächstes werde ich einen Fitness-Ratgeber auf den Markt werfen: Workout für Katzen – Vom Hängebauchschwein zum Waschkorbbauch in anderthalb Tagen!
Flori trainiert fleißig