Wie man doch unterschätzt wird! Ich hatte bereits dreimal Pfleglinge. Zwei waren sogar Kitten, die bei meinen Katzen sozialisiert werden sollten. Und ich habe sie alle ziehen lassen! (Die neuen Katzeneltern brauchten allerdings angesichts meiner Tränenflut Nerven wie Drahtseile ...)
Sicher könnte ich auch jetzt schon als Pflegestelle anfangen, aber ich möchte dann auch einen Platz anbieten, an dem der Pflegling zur Ruhe kommen kann. Umzugsstress muss da nicht sein. Vor allem muss ich aber erst mal meine Prüfung schaffen und einen Job haben. Ich denke, das ist vernünftiger und mehr im Sinne der Pflegekatze als nette Rothaarige angucken ...
😉
Wie es hier weiter ging:
Die lillylosen Tage ziehen einer um den anderen ins Land, und die Erschütterungen und Verwerfungen im fragilen Gleichgewicht eines Katzenhaushaltes nehmen zu. Flori, der bislang die Nächte rechts von mir an der Wandseite im Bett verbracht hat, will nun auch links am Bettrand liegen, wo eigentlich Fritz seinen nächtlichen Stammplatz hat. Fritz sieht das allerdings überhaupt nicht ein. Ich auch nicht, weil die mit dieser Frage verbundenen Auseinandersetzungen sich äußerst negativ auf meine Nachtruhe auswirken. Aber mich fragt ja sowieso keiner. Wahrscheinlich kann ich froh sein, dass ich überhaupt noch zusammen gekrümmt, aber unangefochten in der Mitte schlafen darf.
Neulich wurde Fritz sogar von Flori aus dem Bett geschubst. Flori ist bei Rangeleien um Stammplätze deutlich im Vorteil. Er setzt einfach sein Kampfgewicht ein, um den Platz zu besetzen und Fritz volumenmäßig zu verdrängen. Flori ist halt ein Kopftier. Wenn es um physikalische Regeln und deren praktische Anwendung im Alltag geht, macht ihm so leicht keiner was vor.
Dafür ist Fritz ihm in sportlicher Hinsicht absolut überlegen. Bei der morgendlichen Trainingsrunde „Fang das Leckerli“ erweist sich die Verdrängung durch Volumen als schlechte Strategie: Der Luftwiderstand ist einfach zu groß für die körperliche Ausdehnung, Fritz ist da eindeutig stromlinienförmiger gebaut. Während Flori sich zu merken versucht, wo das ihm zugedachte Leckerli nieder gegangen ist, hat Fritz das seine bereits hastig eingesaugt und das noch zu haschende akustisch geortet. Bevor Flori an sein Ziel gehoppelt ist, hat Fritz es mit drei eleganten Sätzen erreicht und ihm das Dreamie vor der Nase weggeschnappt.
Da baut sich Frust auf, der entladen sein will. Während ich am Frühstückstisch Platz nehme, sind die Kontrahenten mit der Nachsuche nach übersehenen Leckerlis eine Weile beschäftigt, sodass ich unbehelligt in mein Knäckebrot beißen kann. Der friedliche Moment dauert jedoch nicht lange an. Spätestens beim zweiten Bissen entert Fritz den Küchentisch, und es entspinnt sich wie jeden Morgen die Grundsatzdiskussion, ob Katzenhintern auf die Frühstücklektüre gehören oder nicht. Bislang konnten Fritz und ich zu keiner Einigung gelangen.
Unterdessen hat Flori hinter mir den Küchenschrank erklommen. Er ist schlecht gelaunt und auf der Suche nach einem Ventil zum Frustablassen. Während ich versuche, Fritz von meinem Buch zu schieben, schiebt Flori hinter mir ein Schälchen mit Kirschtomaten gen Kante. Ich drehe mich um und sehe die Kirschtomaten am Abgrund. Fritz klammert sich eigensinnig an mein Buch. Ich spreche mahnende Worte zu Flori. Flori guckt provokant und schiebt weiter. Das Schälchen kippt. Ich springe reflexartig „Nein Flori nein!“ schreiend auf. Fritz springt reflexartig vom Buch und kippt mein Saftglas dabei um.
Sekundenbruchteile später. Die Tomaten kullern lustig über den Küchenfußboden in den sich ausbreitenden Grapefruitsaftsee. Flori schmeißt sich stolz in die Brust. Fritz flüchtet unter den Küchensessel. Und ich stehe wie angenagelt inmitten des Chaos. Verdammt, ich habe laut geschrien und mich schnell bewegt. Jeden Moment wird es „Meeeek!!!“ kreischen, Krallen werden sich in meine Waden senken und zahnlose Kiefer sich um meine Ferse schließen: Unverschämtheit, diese Hektik, diese Lautstärke, und lass gefälligst das dicke Kind in Ruhe!
Die Tomaten kullern, der See wird größer, und ich rühre mich noch immer nicht: Sie hat mich wirklich gut im Griff – auch über den Tod hinaus.
Eine echte Diva ist eben unsterblich.
Es klafft eine Kluft