In der Niederlage zeigt sich oft erst wahre Größe. Allerdings nicht bei jedem. Wenn ich mir zum Beispiel meinen Fritz so anschaue, dann bin ich oftmals froh, dass wir nie Mensch-ärgere-dich-nicht spielen. Der Fritz ist ein ganz schlechter Verlierer. Der würde das Spielbrett umschmeißen und die Püppchen durch die Katzenklappe ins Provisorische befördern (wo sich schon so einiges angesammelt hat, was Fritz nicht in der warmen Wohnung duldet.)
Seit er sein Bettchen an die siegreiche Flori-Kavallerie abtreten musste, ist mit Fritz nicht mehr gut Kirschen essen. Da hilft auch ein gelegentlicher Etappensieg beim Leckerli-Haschen nicht. Der Stachel der Niederlage sitzt tief in der eitrigen Wunde in des Katers Seele. Das schwärt, das gärt und will sich Bahn brechen, sonst vergiftet’s ihn noch innerlich.
Was für ein Glück, dass in der häuslichen Hackordnung zuverlässig immer jemand am ganz unteren Ende der Rangfolge vor sich hin dümpelt, an dem man sein lädiertes Selbstbewusstsein aufpolieren kann: Ich. Ich glaube manchmal, aus der Sicht der Katzen rangiere ich noch hinter den Zwerggarnelen. Vor denen hat Fritz Respekt und wirft immer nur aus sicherer Entfernung mal einen Blick ins Becken. Sein Umgang mit mir ist deutlich robuster.
Zum Abendessen gibt es vegetarische Filets (bäh), Erbsen (bäh) und Möhrchen (yummi) sowie Kroketten in Bällchenform. Hin und wieder bin ich radikalen neuen Trends am Abendbrottisch gegenüber sehr aufgeschlossen. Kroketten in Bällchenform, das ist doch mal was anderes, das Auge isst ja auch mit, vom Kater ganz zu schweigen.
Der hockt nämlich angriffslustig auf dem Tisch und fixiert die Kroketten. Ein Möhrchen hat er schon stibitzt und meine tadelnde Ansprache geflissentlich ignoriert. Nun hockt er mit gefährlich funkelndem Blick am Tellerrand und legt die Ohren an, um mein nerviges „Nein Fritz nein, das ist nicht für Katzen!“ auszublenden. Ich fuchtele mit der Gabel herum und versuche, Fritz vom Tisch zu schieben. Mir haut ja jetzt keiner mehr auf die Füße, da kann ich doch auch mal ein bisschen Autorität ausstrahlen.
Die autoritäre Ausstrahlung kommt bei Fritz nicht an. Blitzschnell langt er mit der Pfote zu und schlägt eine messerscharfe Kralle in eine der Kroketten. Ich versuche, die Krokette wieder an mich zu bringen, aber das blöde Ding ist ziemlich heiß. Fritz merkt das jetzt auch und schüttelt die Pfote. Die Krokette segelt durch die Luft davon und rollt zum Ofen. Fritz verlässt den Tisch und macht sich an die Verfolgung der flüchtigen Beute. Ich verfüge über mehr innere Größe als meine Kater und finde mich mit dem Verlust eines Teils meines Abendessens ab. Man muss auch mal was abgeben können. Dann kann man wenigstens in Ruhe sein vegetarisches Filet und den Rest seiner Beilagen essen.
Fritz hat die Krokette gestellt und stupst sie mit der Pfote an. Die Krokette ist immer noch heiß. Fritz regt sich auf. Flori glubscht unschlüssig über den Rand des Bettchens und kämpft einen inneren Zwiespalt mit sich aus. Soll er das Bettchen verlassen und versuchen, Fritz das geklaute Essen abzuluchsen? Aber wenn der sich dann das Bettchen wieder unter den Nagel reißt? Flori schnauft gedankenvoll und merkt, dass siegreiche Usurpatoren es auch nicht immer einfach haben.
Fritz versucht unterdessen, die Krokette totzuhüpfen. Diese ausgeklügelte Tötungsmethode hat er der ausgefuchsten Jägerin Lilly abgeguckt, die auf diese Weise unzählige Spinnen und Motten erledigt hat. Die Krokette erweist sich jedoch als ziemlich wehrhaft und beißt Fritz in die hüpfenden Füße. Fritz ist irritiert und versucht es mit einem althergebrachten Nackenbiss. Die Krokette beißt zurück. Fritz spuckt sie wieder raus, faucht sie furchterregend an und verpasst ihr einen Prankenhieb, dass sie bis vors Highboard kullert. Elegant springt Fritz hinterher und geht in Lauerstellung. Er wird das Aas jetzt zermürben, bis es von ganz allein den Geist aufgibt.
Flori indes erträgt die Spannung seines inneren Kampfes nun nicht mehr. Schwerfällig hievt er sich aus dem Bettchen, latscht zur Kante und rutscht unter Getöse und wenig elegant am Highboard runter. Die Krokette hat keine Chance. Sie ist umgehend platt wie ein Pfannekuchen. Gemächlich kratzt Flori sie aus dem Teppich und würgt sie runter. Dann rülpst er und zieht sich wieder am Highboard hoch, das Bettchen bewachen.
Das rangniedrigste Haushaltsmitglied schaut dem Alpha-Männchen Nr. 2 ins empörte Gesicht und bringt schnell seinen Teller außer Reichweite.
Wässerchen trüben?! Wer's glaubt!
Lilly: Du musst diese Woche ganz fest deine Pfoten drücken, das Personal hat Abschlussprüfung! Und du bringst immer noch ganz viele Menschen zum Lächeln und zum Weinen ... das würde dir gefallen. (Obwohl es dich wohl nicht überraschen würde: Alle finden mich toll, JA UND??!!! Stand das irgendwann mal zur Debatte?!)