Hallo Katrin,
ich weiss, wir sind völlig verschieden, aber ich will dich trotzdem an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Ich bin ein paar Jährchen älter als du, nicht viele, aber vielleicht waren es die entscheidenden Jahre, die mein Denken und Empfinden umgemodelt haben.
Ich habe einen Grossteil meines Lebens in einem Provisorium verbracht, bin aller zwei bis drei Jahre versetzt worden. Solange man jung ist, ist das toll, aber irgendwann kommt der Punkt, da wünscht man sich ein richtiges Zuhause, Sicherheit, Festigkeit. Um es überspitzt auszudrücken, man möchte ein Loch in die Wand bohren dürfen, um ein bestimmtes Bild aufzuhängen, und nicht selbiges Bild immer nur an die Wand lehnen. Im Provisorium leben bedeutet nämlich genau das, du fasst nirgends Wurzeln, deine Beziehungen/Freundschaften werden immer oberflächlich sein, Familienplanung ist kompliziert, bei allen Problemen, die auftauchen, kannst du sagen, damit befasse ich mich jetzt nicht mehr, in ein paar Monaten bin ich schon wieder weg, und auch für Haustiere ist das schwierig. Selbst wenn du dir einen einzelnen Skalar halten würdest, könntest du ihn nicht um den Erdball transportieren. Und wenn du dann mal in Rente gehst, hast du viel gesehen, viel erlebt, hast vielleicht gutes Geld auf der Kante, aber du stehst dann vor einem emotionalen Nichts. Stell dir das nicht so einfach vor. Lohnt sich das wirklich?
Ich kenne jetzt niemanden aus dem AA persönlich, aber ich kenne Leute, die in ähnlichen Arbeitsverhältnissen tätig sind. Die haben alle a) ein sehr starkes Selbstvertrauen, b) starke familiäre Bindungen. Ohne das geht es nicht.
Ich kenne dich jetzt nicht, aber so aus der Ferne würde ich mal sagen (ohne dich verletzen zu wollen), dass dir etwas Selbstvertrauen fehlt, da du dich von deinen Eltern so unterbuttern lässt. Und die Beziehung zu deiner Familie ist scheinbar auch etwas im Argen, immerhin bist du seit 13 Jahren volljährig und deine Eltern haben das immer noch nicht ganz verinnerlicht.
Ich weiss, Eltern wollen das oft nicht so richtig wahrhaben und glauben, so weitermachen zu können wie in den 18 Jahren zuvor. Ich habe gestern mit meiner Mutter über meine neue Frisur diskutiert, eine einfache Kurzhaarfrisur und etwas dunkler gefärbt als sonst (allerdings ohne Absicht). Meine Güte, ich bin fast 40!
Aber ich habe jetzt meine ganz persönlichen Entscheidungen getroffen. Ich will einen Job, wo ich eine Wohnung im Grünen haben kann, die ich mir nach meinem Gusto einrichte und in der ich so Gott will alt werden darf. Ich habe ganz bewusst Pläne gemacht, in denen meine Katzen ihren festen Platz haben. Dafür mache ich an anderen Stellen Abstriche. Ich will jetzt Wurzeln haben. Ich möchte Freunde finden, die auch noch in 20 Jahren meine Freunde sind. Keine, die man auf der Strasse trifft und sagt: Du, ich kenne dich von irgendwoher... Es kommt nicht auf die Quantität der Eindrücke an, die man mitnimmt, sondern auf ihre Qualität, ihre Tiefe. Meinen ersten Urlaub in D werde ich in Blankenförde verbringen, das ist ein Kaff in der Mecklenburger Seenplatte, wo wir als Kinder mal waren und ich habe da so eine Erinnerung an Frieden, Schilfrauschen, Entenschnattern... inneren Frieden halt.
Meiner Mutter habe ich verklickert, dass ich ihre Hilfe nicht brauche. Sie hat es noch nicht ganz kapiert, eventuell muss ich noch härtere Worte verwenden. Aber ich ziehe mein Ding jetzt ganz gelassen durch. Und das empfehle ich dir halt auch. Lass dich nicht unter Druck setzen, schon gar nicht von deinen Eltern.
Und bitte, denke auch über die Schattenseite eines solchen Jobs nach, und ob du die persönliche Eignung dafür hast (ich meine jetzt nicht die fachliche Eignung, sondern ob du das emotional durchstehst). Denke daran, egal, wo du bist, du kannst immer nur an einem Ort sein und verpasst vielleicht gerade das Highlight deines Lebens an einem anderen Ort.
Mein Vater war ganz verrückt darauf zu reisen, alles zu kennen, alles zu wissen. Ich glaube, er kennt jeden Baum in der ehemaligen DDR. Früher konnten wir ihn wirklich alles fragen, er wusste auf alles eine Antwort, auch wirklich hochwissenschaftliches Zeug. Vor ein paar Jahren habe ich ihn etwas gefragt (weiss nicht mehr, was) und er antwortete: "Das weiss ich nicht." Diese Antwort aus seinem Mund hat mich so verblüfft, dass ich nachfragte. Denn früher hätte er das nie akzeptiert oder gar zugegeben, etwas nicht zu wissen. Er sagte: "Ich habe jetzt verstanden, dass es gar nicht darauf ankommt, alles zu wissen und alles gesehen zu haben. Es kommt darauf an, das ganz tief auszukosten, was man erlebt hat und anzuwenden, was man weiss." Wow! Ich glaube, das was die weiseste Antwort, die ich je aus dem Mund meines Vaters gehört habe.
Überlege es dir gut mit der Ausbildung im AA. Katzen passen da nicht hinein. Du wirst alle vier abgeben müssen. Aber das Problem geht über die Katzen hinaus. In so einem Job haben auch viele andere Dinge keinen Platz.
Hast du schon mal überlegt, etwas in Richtung Tourismus zu machen?