Es war ein strahlend schöner Tag im Regenbogenland. Die Sonne schien warm vom Himmel, die Vögel zwitscherten und im Gras zirpten die Grillen. Die kleinen Katzen hatten den ganzen Vormittag gespielt und lagen nun faul in der Sonne. Emeli und Finn vertrieben sich die Zeit, indem sie im hohen Gras auf die Jagd nach Schmetterlingen gingen.
Faolán hatte sich mit dem Neuzugang Abu angefreundet. Die beiden Kater saßen auf einem von der Sonne gewärmten Stein und schauten zu, wie das Sonnenlicht sich im Wasser des kleinen Flusses spiegelte.
Joy, der nun schon längere Zeit im Regenbogenland lebte, verfolgte gerade eine Fliege und kletterte im Eifer des Gefechts sogar einen Baumstamm hinauf, um das Insekt nicht aus den Augen zu verlieren. Er vermisste öfter noch seine Freunde aus seinem Zuhause, besonders Stevie, mit dem er oft und gerne gerauft hatte. Hier hatte er zwar auch Freunde gefunden, aber eine gewisse Sehnsucht nach seinem Heim und seinen Freunden blieb.
Vor einer ganzen Weile waren Felipe und Boggart zu der Gruppe gestoßen. Die beiden hatten sich auf einer Pflegestelle kennengelernt, die Felipe dann adoptiert hatte. Erst war Felipe schwer erkrankt und hatte den Kampf um sein Leben verloren, Boggart war einige Wochen später an einer Hirnhautentzündung gestorben. Nun ging es ihnen wieder gut, denn im Regenbogenland heilten alle Krankheiten und alle Verletzungen. Zusammen mit Mika, die wie Felipe dort ihr Zuhause gehabt hatte, tobten die beiden durch die Gegend.
Etwas später war Timida angekommen. Sie hatte das Glück gehabt, zusammen mit Ninita, Leon, Tiyam, Gaspar, Ranju, Makan, Yenita und Gordita ein liebevolles Zuhause zu finden, in dem man sich nicht daran störte, dass die Katzen FeLV-positiv waren. Ninita, Leon und Tiyam waren Timida bereits vorausgegangen. Nun war bei Timida die Leukose ausgebrochen und ihre Familie hatte den Kampf um ihr Leben verloren. Jetzt war sie wieder mit den anderen zsammen. Für Timidas Frauchen war es eine harte Zeit, denn vor Timida hatte sie auch noch ihren Hund verloren.
Für Timida war anfangs alles neu und aufregend, sie lief mit großen Augen durch die Gegend und schaute sich alles an. Inzwischen hatte sie sich eingewöhnt und genoß das ruhige, friedliche Leben. Sie unternahm oft weite Streifzüge. Als sie am Flussufer entlang lief, kam Leon angelaufen, sprang sie von der Seite an und beide kugelten, miteinander raufend, das flache Ufer hinunter in den Fluss.
Timida sprang prustend aus dem Wasser und schüttelte sich. "Bist du verrückt, ich hasse Wasser."
Leon lachte. "Hab dich nicht so, du bist doch ganz schnell wieder trocken."
Timida grummelte und leckte sich trocken, "Rabauke."
Leon lachte erneut und sprang davon, dicht gefolgt von Timida, die die Verfolgung aufnahm.
Faolán sah den beiden hinterher. "So viele Neue in der letzten Zeit, die ganzen Kleinen und dann die erwachsenen Katzen. Haku, Pistacho, Sonsoles, Miguelito, Merab, Matias, Anouk, Lito, Joguar, Pincho, Amadeus, Aron, Bolillo, Aiko, Merengue, Fayum, Lila, Howard, Bernadette, Esteé, Azuzena, Chizuru, Saigon und der arme Orisha."
Er schüttelte den Kopf. Orishas Schicksal war ganz besonders schlimm. Er war ein Straßenkater gewesen und wurde dann von einer Familie aufgelesen, die Ana um Vermittlungshilfe bat. Sein Schicksal schien sich zum Besseren gewendet zu haben, doch die Familie wurde ungeduldig und wollte ihn loswerden. Anstatt Ana zu kontaktieren, erschlugen sie den armen Kater einfach. Orisha war am Anfang, als er ankam, total verbittert und wollte mit Menschen nie wieder etwas zu tun haben. Als er jedoch im See sah, wie Ana und das Team auf die Nachricht seines Todes reagierten, nämlich mit absolutem Unglauben, Wut und tiefstem Bedauern, merkte er, dass es auch Menschen gab, denen sein Schicksal nicht egal war.
Abu hatte das Glück, eine Familie gehabt zu haben, die ihn geliebt hatte. "Ich werde nie verstehen, wie unterschiedlich die Menschen sind. Einige sind völlig unbarmherzig und grausam, andere versuchen alles, um uns und anderen zu helfen. Ich hatte ein schönes Zuhause, ich habe zum Glück nicht nur schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kann die Verbitterung von Triston, Orisha und anderen verstehen, die nichts Gutes vom Menschen erfahren haben."
Faolán nickte. "Ich kann sie auch verstehen. Aber es hilft, wenn die Katzen, die ein Zuhause hatten, davon erzählen. Das zeigt ihnen, dass es auch gute Menschen gibt."
Die beiden Kater schlenderten zum See. "Schau, was inzwischen alles erreicht wurde," sagte Faolán. "Anfangs konnte Ana uns meistens nur beim Sterben in der Perrera zusehen, weil sie einfach keinen Platz mehr hatte, wo sie uns unterbringen konnte. Dadurch habe ich es nicht in mein Zuhause geschafft. Die Perrera hat mich so krank gemacht, dass ich mich davon nicht mehr richtig erholt habe." Die Oberfläche des Sees veränderte sich und zeigte die neue Finca. "Schau dir das an. Die ersten Gehege sind fertig." Man konnte sehen, dass die Katzen nun in schönen, stabilen Gebäuden untergebracht waren, die jeweils über ein großes Freigehege verfügten. "Was für ein Unterschied zu den Anfängen und zu der alten, baufälligen Finca. Man sieht, dass es voran geht."
"Ja, aber es wird noch so viel benötigt," sagte Abu. "Es sind noch längst nicht alle Gehege fertig und die Kittenschwemme ist wieder sehr schlimm. Die Perrera ist voll mit Katzen und Ana ist ziemlich verzweifelt."
Faolán setzte sich ans Ufer. "Ja, es scheint einfach kein Ende zu nehmen. Immer mehr Katzen werden einfach abgeschoben, sind lästig und benötigen Hilfe."
Er wollte fortfahren, da kam plötzlich Bolillo angerannt. "Faolán, Abu, kommt schnell, etwas sehr Merkwürdiges geschieht gerade." Die beiden Kater folgten Bolillo, der aufgeregt losrannte.
Bolillo raste zu einer Wiese, an deren Rand sich die meisten anderen Katzen schon versammelt hatten und staunend und etwas erschreckt auf eine Art von Nebel starrten, der in allen Regenbogenfarben schillerte und sich immer dichter zusammenzog. In der Luft sirrte es leicht.
Auch die beiden alten Kater starrten fasziniert auf die merkwürdige Erscheinung. Irgendetwas Besonderes geschah gerade, das spürten sie sehr deutlich.
Der Nebel löste sich auf und plötzlich standen 20 Katzen auf der Wiese. Es waren Katzen, die den anderen nicht bekannt waren.
Nachdem sie sich von der Überraschung erholt hatten, gingen Faolán und Abu zu den Neuankömmlingen, die noch völlig desorientiert wirkten. Faolán stellte sich vor und fragte sie, woher sie kämen und so erfuhr er ihre ganze traurige Geschichte.
Die 20 Katzen hatten in der Perrera in Gesser gesessen. Die Zustände in der Perrera waren sehr schlimm und sie hatten entsetzliche Angst gehabt, gleichzeitig aber auch gehofft, diesen schlimmen Verhältnissen doch entkommen zu können. Öfter kam eine junge Frau vorbei und nahm ein oder zwei Katzen mit. Sie ging sehr liebevoll mit ihnen um und so hofften die Zurückgebliebenen, dass auch sie eines Tages mitgenommen werden würden.
Doch es kam anders. Eines Tages betraten die Arbeiter das Gehege, packten die ersten Katzen grob und trugen sie davon. Die restlichen Katzen hörten nach einiger Zeit die Schreie der Tiere, die ohne Mitleid umgebracht wurden. Sie kauerten sich angstvoll in einer Ecke zusammen, doch es sollte nicht helfen: Nach und nach wurde eine Katze nach der anderen geholt und auf barbarische Weise umgebracht. Das letzte, was sie in ihrem Leben erlebten, war nicht die Liebe eines Besitzers, der sie von einem Leiden erlöste, sondern die brutale Rohheit der Arbeiter, denen die Tiere nichts bedeuteten.
Die bisherigen Bewohner des Regenbogenlandes waren entsetzt, als sie die traurige Geschichte hörten. So lange war in der Perrera nicht mehr getötet worden und nun ging es wieder los?
Sie versuchten, die Neuankömmlinge so gut es ging zu trösten und zu beruhigen. Was diese durchgemacht hatten, war entsetzlich, das würde für längere Zeit tiefe Spuren hinterlassen. Hoffentlich würden die Ruhe und Harmonie, die im Regenbogenland herrschten, auch sie erfassen und ihnen Frieden geben.
Zumindest eine Gnade war diesen Katzen gewährt worden: Für einen kurzen Augenblick hatten sich ihre Leben und das von Ana gekreuzt. Deshalb durften sie nun im Regenbogenland leben und dort warten, bis es ein Wiedersehen gab. Sie waren nicht als namen- und gesichtslose Katzen gestorben. Ihr Schicksal würde bekannt werden.