Für euch zur Info: Manuela spricht und schreibt fliessend Deutsch. Sie hat die jüngste "Diskussion" in unserem Gästebuch gelesen und in Absprache mit Ana einen Brief verfasst. Sie wird versuchen, in regelmäßigen Abständen weitere Nachrichten aus Spanien zu verfassen.
Ihr Text:
Briefe von der Front
Liebe Familie,
Wenn ich mich bisher nicht gemeldet habe, so lag es nicht daran, dass ich nicht an euch daheim gedacht habe. Es hat einfach an Zeit und an Kraft gefehlt. Zeit und Kraft sind immer noch Mangelware aber ich denke, dass es wichtig ist zu berichten, wie es zur Zeit an der Front wirklich aussieht, ohne zu verschweigen und zu beschönigen.
Dass wir im Krieg sind, wisst ihr ja. Krieg gegen die menschliche Unbewusstheit in all ihren grausamen und unfassbaren Aspekten. Ich habe mich damals freiwillig gemeldet weil ich dem Quälen und Morden, der Grausamkeit und der Apathie der Menschen nicht tatenlos zusehen konnte. Ich bereue diese Entscheidung nicht, wir sind eh viel zu wenige, die für die geschundenen, hilf- und sprachlosen Seelen kämpfen. Aber auch das wisst ihr ja.
Ich wollte euch, liebe Familie, heute einen Teil des Teams vorstellen. Bei einigen habe ich den Namen geändert um ihre Privatsphäre zu wahren.
Unser Teamchef ist Ana.
Sie hat vor 7 Jahren alles aufgegeben um sich zu 100 Prozent den geschundenen Katzen zu widmen.
Alles aufgegeben bedeutet u.a. Ihren gut bezahlten Job, ihren Rentenanspruch, ihre Krankenversicherung, ihr soziales Leben…der Freund hat sich dann auch verabschiedet; kann man gut verstehen, die wenigsten können diesem Elend Tag für Tag ins Auge sehen ohne zu verzweifeln.
Dann ist da Anas Mutter. Sie hat seit der Kindheit Polio. Also sie hat in einem Bein keine Kraft, ihre Hüften sind kaputt und sie humpelt stark. Sie hilft Ana beim Versorgen der Tiere, also sie putzt Gehege, schleppt Wasser und bekocht Ana weil diese selber keine Zeit und keinen Kopf hat, um sich selber zu versorgen.
Ihr Vater, also Anas Großvater, sitzt mit Multipler Sklerose und Demenz im Rollstuhl. Anas Mama wechselt sich mit ihrer Schwester Tag und Nacht ab um den Vater zu versorgen. Sie ist körperlich sowie mental und emotional völlig überlastet. So etwas wie eine Pflegeversicherung gibt es hier ja nicht. Manchmal fällt sie wegen der Schmerzen tagelang aus und an den Tagen ist Land unter.
Dann ist da Paco, Anas Papa. Unglaublich wo der Mann die Energie hernimmt. Er fängt morgens um 08:00 Uhr an zu arbeiten, macht gegen 14:00 Uhr eine kurze Pause um etwas zu essen und dann geht es weiter – ohne weitere Ruhephasen- bis 21:00 Uhr.
Ich bin etwas besorgt, weil Paco in letzter Zeit ziemlich abgebaut hat und nicht besonders gut aussieht.
Mich, Manuela und meine Mama Antonia (79), kennt ihr ja auch nicht so wirklich. Vor 2 Jahren waren wir noch zu dritt im Team, doch dann ist mein Lebensgefährte zu Weihnachten ohne jegliche Vorwarnung gestorben. Das war ein ganz harter Schlag. Er hat die schwere körperliche Arbeit übernommen und war eine sanfte und liebevolle Seele. Trotz Katzenallergie hatten wir immer das Bett voller Katzen mit denen er- wenn die Tagesarbeit geleistet war- ausgiebig geschmust hat.
Für meine Mutter und mich ist es jetzt sehr schwer. Wir haben beide Fibromyalgie und Mama bekommt wegen anderer körperlicher Leiden Morphium.
Juana (80), sie lebt in der Nähe des Flusses. Sie bekommt nur eine Witwenrente von 400 Euro. Sie hat einen Hirntumor und geht trotzdem jeden Tag, an dem sie sich bewegen kann, in den Geschäften betteln um Nahrung für die Katzen zu bekommen.
Meine Tante (72), lebt auch am Fluss; sie klettert mehrmals täglich über die Flussmauer, um den Katzen das erbettelte Futter und die schweren Wassereimer hinzustellen. Bei zur Zeit ca. 43 Grad ist das Trinkwasser ganz wichtig.
Lucy (73), sie hat Parkinson und kümmert sich so gut es eben geht um Streuner und deren Kitten, bevor sie in der Tötungsstation landen.
Das ist so das Hauptteam.
Wir sind generell damit beschäftigt Kot zu entfernen, Wasser, Futter und Medikamente zu geben und die kranken Tiere zu versorgen.
Wir platzen aus allen Nähten. Anas Gehege sind voll. Es gibt noch keine große Quarantänestation, keine freien Gehege, wo neue Katzen untergebracht werden könnten.
ALLE Katzen aus der Tötungsstation sind mit hochgradig ansteckenden Viren und Parasiten verseucht.
Wenn diese zu den schon stabilen Katzen getan werden, würde das große Katzensterben auch wieder bei den Tieren anfangen, die wir mit großer Mühe, vollem Einsatz und viel Spendengeld stabil gepflegt haben und die schon vermittelt werden könnten. Wenn es denn Adoptanten für sie gäbe.
Bei uns - Antonia und Manuela - sind alle Zimmer voller Katzen. Ein Bad (4qm) ist unsere Station für unsere positiven Schätzchen Ganesha und Ariel. Jedes Mal wenn wir eine Katze zum Testen zum TA bringen, beten wir, dass das Tier nicht positiv ist, weil wir nicht wüssten, wo wir es unterbringen können. Auch unser Arbeitstag geht von 08:00 Uhr bis weit über Mitternacht hinaus. Wie bei Ana. Wie bei den Anderen. 7 Tage die Woche. 365 Tage im Jahr. Bei Ana seit 7 Jahren und bei uns seit ca. 15 Jahren. Wir haben unzählige Tiere leiden und sterben sehen. Nichts davon geht spurlos an uns vorbei. Jedes verlorene Leben verstärkt das Gefühl der Trauer, der Depression, der Ohnmacht.
Wir sind ausgebrannt und krank und machen trotz allem weiter.
Wir sind Menschen. Keine Roboter. Wir haben Gefühle. Wir haben menschliche Bedürfnisse die wir nach ganz hinten verlagern, weil die Katzen und ihr Wohlbefinden Priorität haben. Ana, zum Beispiel, duscht sich nur mit kaltem Wasser – auch im Winter – weil sie nicht genug Solarzellen hat um die Gehege UND das Haus mit Energie zu versorgen. Und so duscht sie sich eben kalt, nachdem sie den ganzen Tag Katzenkot geschaufelt hat und kranke Tiere versorgt hat.
Wir haben gelesen, dass einige von uns enttäuscht sind.
Das macht uns sehr traurig.
Bedeuten wir – die wir hier tagtäglich unter schweren Bedingungen an der Front stehen – euch so wenig?
Werden wir jemals euren Ansprüchen gerecht werden können?
Glaubt ihr nicht dass wir jede Nacht mit dem Gefühl ins Bett fallen, nicht genug getan zu haben?
Wird es über jede unserer Handlungen und Entscheidungen die wir - unter Stress aber nach bestem Wissen und Gewissen – zu fällen haben eine Grundsatzdiskussion geben?
Es geht nicht nur um die Tiere.
Es geht auch um die Menschen, die diese Tiere hier an der Front versorgen.
Es geht auch um euch daheim, die ihr dieses lest.
Es geht auch um die Vereine, die uns in Deutschland unterstützen.
Es gibt zu viel Handlungsbedarf und wir sind zu wenige.
Es bräuchte 1000 Vereine mit tausenden von Mitgliedern die an einem Strang ziehen. Es gibt genug Arbeit und genug Projekte für alle.
Alles was wir tun ist für die Tiere.
Der Kampf ist gegen die menschliche Unbewusstheit.
Wir erwarten keine Medaillen.
Wir wünschen uns Menschlichkeit und Verständnis
Wir wünschen uns Großherzigkeit und Empathie.
Lasst uns bitte unser kleines menschliches Ego hinten anstellen, so dass wir - die menschliche Familie -wirklich eine positive Veränderung herbeiführen können in dem Bewusstsein der Menschen.
Nur dann hat die Grausamkeit, das Quälen und Morden ein Ende.
Nur dann ist endlich Frieden.
Das, liebe Familie, ist im Augenblick alles.
Wir melden uns bald wieder mit Briefen von der Front.
Alles Liebe
Ana, Manuela, Paco, Manuela und Antonia
Damit man auch die Gesichter vor Augen hat, hier einige Fotos.
Ana:
Anas Mama:
Anas Papa:
Manuelas Mutter:
Manuela selber möchte nicht so gerne auf Fotos.