Wir haben (eigentlich ganz ordentlich aussehende) weiße Strukturtapeten, weil sie drin waren. Glatte verputzte Wände wären uns lieber, aber der grösste Aufwand ist es, einen Putz-Zustand wieder herzustellen, denn mit Runterreissen der Tapeten ist es ja nicht getan (Tiefgrund, Kleberreste etc – kann man sinnvoll nicht einfach mit Farbe überjauchen, das schlägt oft nach Jahren durch). Und Wandsanierung? Neee.
Tapete ist vor allem ein historisches Relikt.
Historisch gesehen, kultur- und auch sprachgeschichtlich, ist Tapete = Teppich (tapis). Das war der alte Wandteppich, um die feuchte Wandkälte in nicht vollständig durchgeheizten Schlössern, Herrenhäusern und anderen wohlhabenderen, nur aus Stein (nicht Fachwerk) gebauten Häusern Nordeuropas abzuhalten, in denen meistens nur zentrale Räume (Küche und Kemenate [daher das Wort Kamin!]) geheizt wurden. Da die natürlich reich verziert waren und etwas hermachten, wenn man es sich leisten konnte, war es ein bürgerlicher Habitus des 18./19. Jahrhunderts, dies eben mit geklebtem buntem Papier zu imitieren, auch, weil es so schön glatt war: Denn ein guter Tapezierer hatte unter eine Mustertapete natürlich immer sogenannte Makulatur geklebt, d.h. eine Schicht aus Papier- und Zeitungsresten oder alten Rechnungsbüchern etc, mit welchen die Unebenheiten ausgeglichen wurden und die gleichzeitig als Feuchtigkeitspuffer funktionierte (übrigens teilweise für Historiker heute noch interessant, was alles sich unter Papiertapeten des 17./18. Jh.s als Makulatur verbirgt).
Eine auf rohem Putz dekoriert (also mit Muster) bemalte Wand galt dagegen in bürgerlichen Kreisen als 'arm', d.h. das machten nur Leute, die sich nichts anderes leisten konnten. Daher findet man in sehr alten Arbeiter- und Bauernhäusern unter etlichen Tapetenschichten oft noch Bemalungsreste – ursprünglich hatten die Leute sich nichts anderes leisten können; Papier war immerhin mal sehr viel teurer als heutzutage!
Das Ganze – also die Herkunft der Tapete aus dem (Wand-) Teppich in nordeuropäischen Steinhäusern erklärt auch, warum Tapeten in südlichen Ländern längst nicht so stark kulturell verankert oder sogar gänzlich unbekannt sind.
Heutzutage wären – mit modernen Isolierputzen etc – Tapeten natürlich auch in Nordeuropa gänzlich obsolet. Aber so ist das eben mit historischen Atavismen: die halten sich ewig …